Vor 30 Jahren wurde

Halim Dener

erschossen – Demonstration am 6. Juli in Hannover

Am 30. Juni 1994 wurde in Hannover der kurdische Jugendliche Halim Dener auf offener Straße erschossen. Erschossen von deutschen Polizisten, während er Plakate der kurdischen Befreiungsbewegung am Steintor in der Innenstadt aufhängte. Unmittelbar nach Halim Deners gewaltsamen Tod gingen in vielen deutschen Städten – auch hier in Düsseldorf – Menschen unter dem Motto „Halim Dener, das war Mord“ auf die Straße. Die jährlichen Proteste halten bis heute an. Auch in diesem Jahr wird in Erinnerung an Halim Dener eine bundesweite Demonstration in Hannover stattfinden.

Kämpfe verbinden – was hat das alles mit uns zu tun? – Gefoltert, geflüchtet, erschossen: gestern und heute.

Gefoltert

1994: Das türkische Militär zerstört mehr als 4.000 kurdische Dörfer. Menschen zu ermorden, verschwinden zu lassen und zu foltern, ist eine gängige Praxis in der Türkei. Die Täter*innen sind Teil der Polizei, des Geheimdienstes und von paramilitärischen Einheiten. Die kurdische Sprache und Kultur sind verboten. Der damals 16-jährige Halim Dener wird nach seiner Festnahme von der türkischen Polizei eine Woche lang verhört und gefoltert. Er ist eine*r von vielen, die als Kurd*innen in ähnlicher Weise verfolgt werden.

Geflüchtet

Unzählige Menschen fliehen aus ihrer kurdischen Heimat. Auch Halim Dener flüchtet vor Krieg und Verfolgung unter falschem Namen, um seine Familie, die zurückbleibt, nicht zu gefährden. Als sogenannter „minderjähriger, unbegleiteter Flüchtling“ kommt er in die BRD.

Auch heute fliehen Menschen aus Konfliktregionen. Sie hoffen in Europa auf ein sicheres Leben. Viele Minderjährige und junge Erwachsene sind darunter. Sie haben sich ohne ihre Familien auf den Weg machen müssen. Die Europäische Union setzt aber immer mehr auf eine rigide Abschottungspolitik. Das Mittelmeer wird zum Massengrab, Flucht- und Rettungshelfer*innen der zivilen Seenotrettung werden kriminalisiert.

Verboten

Im November 1993 werden in der BRD die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und alle ihr nahestehenden Organisationen als „Terrororganisation“ verboten. Durch öffentliche Hetze gegen Kurd*innen wird ein Klima von Hass und Angst geschaffen, das von einer simplen Gleichung bestimmt ist: Kurd*innen = PKK = Terrorist*innen. Das Narrativ des Kampfes gegen den Terrorismus funktioniert weiterhin – die Repression gegen die kurdischen und mit ihnen solidarischen Strukturen in Deutschland hört bis heute nicht auf. Erdogan freut sich jedes Mal über seine deutschen Handlanger. Das Verbot ist, wie so vieles, ein Zugeständnis an den NATO-Partner Türkei und seine autoritäre Regierung, deren geopolitische Rolle im westlichen Machtgefüge so wichtig scheint, dass eine wirkliche Verurteilung ihrer Kriegspolitik nicht stattfindet oder überhaupt nur in Betracht gezogen wird, geschweige denn härtere Mittel zur Anwendung kommen wie etwa Handelssanktionen.

Erschossen

Halim Dener ist nach seiner Flucht nach Deutschland weiterhin politisch aktiv. Am 30.6.1994 klebt er in Hannover Plakate mit dem Emblem der ERNK, dem (damaligen) politischen Arm der PKK. Dabei wird er von SEK-Polizist*innen in Zivil überrascht. Bei dem Versuch der Festnahme wird ihm aus kürzester Entfernung in den Rücken geschossen. Kurze Zeit später stirbt Halim Dener. Der Polizist, der die Schüsse abgegeben hatte, wird von seinen Kolleg*innen gedeckt. In einem zweifelhaften Strafprozess wird der Schütze wegen angeblicher Notwehr freigesprochen.

Und hier?

Seit Jahrzehnten führt der türkische Staat einen schmutzigen Krieg im In- wie im Ausland. Immer wieder greift Erdogan die kurdischen (selbstverwalteten) Gebiete von Rojava an, in Syrien(!), auf syrischem Boden. Wieder und wieder begeht die türkische Armee Kriegsverbrechen, zivile Infrastruktur wird zerstört, in allen Teilen Kurdistans. Unwidersprochen von BRD und NATO. Es ist ein Krieg, der geduldet wird.

Ein Krieg, der auch mit deutschen Waffen geführt wird. Hier in Düsseldorf ist der Hauptsitz der Rüstungsfirma Rheinmetall. Nicht erst seit dem Ukraine-Krieg steigen die Aktien des Waffen- und Kriegsgeräte-Konzerns. Erst Ende Mai meldete Rheinmetall einen neuen Großauftrag über Artilleriemunition im Wert von fast 300 Millionen Euro verbuchen zu können. Diese Waffen und diese Munition sind gemacht, um zu töten!

Und doch ist der Konzern in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Düsseldorfer DEG und der BVB haben mit Rheinmetall Sponsor*innen-Verträge abgeschlossen. Win-win: Geld gegen Image – und die Sportvereine sind stolz darauf. Werben für todbringende Industrie.

Seit Jahren werden deutsche Waffen, unter anderem von Rheinmetall, in Krisen- und Kriegsgebiete exportiert. Auch in die Türkei. Und weiterhin versuchen Menschen vor diesen Kriegen zu fliehen, auch nach Deutschland, wie vor 30 Jahren Halim Dener.

Akkustan

Fahrt zur bundesweiten Demonstration am 6. Juli um 13 Uhr in Hannover!