TERZ 07/08.24 – TEURER WOHNEN
Wien hat als Beispiel für eine gelungene Wohnungspolitik seit einiger Zeit Konjunktur. Im Mai 2023 reiste Wohnungsbauministerin Klara Geywitz (SPD) in die Stadt und brachte von dort die Idee der Wohngemeinnützigkeit mit (die hierzulande allerdings nur in Schrumpfform ihr Comeback feierte), und im Herbst 2023 machte das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum Düsseldorf im FFT eine Veranstaltung zum Wiener Modell. Jetzt hat das Bündnis daraus konkrete Handlungsoptionen für Düsseldorf abgeleitet.
Auf Einladung einer örtlichen Veranstaltergruppe* hat Christian Schantl als Vertreter des Gemeindewohnungsbaus der Stadt Wien (Wiener Wohnen) am 17. Oktober 2023 in Düsseldorf im Forum Freies Theater FFT vor rund 300 Zuhörer*innen einen Vortrag über die Wiener Wohnungspolitik gehalten. Für die dringend notwendige Wende hin zu einer am Gemeinwohl und nicht an der Rendite orientierten Wohnungspolitik haben die Veranstalter – ausgehend von dem Wiener Beispiel – Handlungsorientierungen für die Stadt Düsseldorf formuliert. Damit soll sowohl in der Stadtgesellschaft wie auch in der lokalen Politik eine längst überfällige Diskussion angestoßen werden.
Die über hundertjährige Geschichte des Wiener Mietwohnungsbaus lässt sich in Düsseldorf nicht wiederholen. Das Wiener Beispiel gibt aber eine am Gemeinwohl orientierte wohnungspolitische Richtung vor, die die Stadt Düsseldorf einschlagen kann – wenn es politisch gewollt ist!
1. In der Düsseldorfer Wohnungspolitik bedarf es einer grundsätzlichen Neuorientierung: Wohnen muss als existentielles Bedürfnis und verbrieftes Grundrecht anerkannt werden. Wohnen ist keine Ware und darf deswegen auch kein Rendite- und Spekulationsobjekt sein. Die Stadt Düsseldorf muss sich aus der Abhängigkeit von renditeorientierten Immobilienunternehmen befreien.
2. Vorausschauende Bodenpolitik: Um gemeinwohlorientierte Ziele in der Wohnungspolitik durchzusetzen, muss Düsseldorf selbst als Eigentümerin über Grund und Boden verfügen. Damit wird der Einfluss renditeorientierter Investoren beschränkt und die Immobilienspekulation eigedämmt. Eine vorausschauende kommunale Bodenvorratspolitik strebt die Erweiterung städtischen Grundeigentums an. Dazu sollte ein kommunaler Bodenfonds geschaffen werden. Zu Wohnzwecken geeignete städtische Grundstücke dürfen nicht mehr verkauft werden. Zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums kann eine Vergabe an nicht gewinnorientierte Wohnungsunternehmen und Genossenschaften erfolgen.
3. Gemeinwohlorientiertes Bauen: Düsseldorf muss auf städtischen Grundstücken selbst als Bauherrin bezahlbaren Wohnraum schaffen. Städtische Grundstücke können zudem entweder kostenfrei oder in Erbpacht zu günstigen Konditionen an nicht gewinnorientierte Wohnungsunternehmen und Genossenschaften vergeben werden, die sich vertraglich zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums verpflichten.
4. Wohnungsgemeinnützigkeit: Die Befristung der Mietpreisbindung bei geförderten Wohnungen muss aufgehoben werden, um das weitere Abschmelzen des Bestands an Sozialwohnungen zu verhindern. Düsseldorf muss sich deshalb zusammen mit anderen Kommunen energisch für die Wiedereinführung der 1989 abgeschafften Wohnungsgemeinnützigkeit einsetzen.
5. Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand: In Düsseldorf kommt dem Erhalt bezahlbaren Wohnraums im Wohnungsbestand zentrale Bedeutung zu. Eine stärkere politische Regulierung des privaten Wohnungsmarkts ist unumgänglich, um die Verdrängung von Mieter*innen und die Vernichtung bezahlbaren Wohnraums zu unterbinden. Dazu gehören die kommunale Befugnis, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu untersagen, die Ausweitung des kommunalen Vorkaufsrechts, sowie eine Begrenzung der Mieten. Die Stadt muss darauf drängen, dass bestehende Blockaden durch die Landesregierung aufgehoben werden.
6. Neue Gestaltungsmöglichkeiten im marktfernen Wohnungssektor: Ein marktferner kommunaler oder durch die Kommune kontrollierter Mietwohnungssektor orientiert sich an der Kostenmiete, nicht an der maximal erzielbaren Rendite. Das eröffnet der demokratischen Teilhabe und Einbeziehung der Bewohner*innen ebenso wie einer nachhaltigen und sowohl ansprechenden, wie auch am Bedarf orientierten architektonischen Gestaltung von Gebäuden und Wohnungen sowie der Erprobung neuer Wohnformen bisher nicht vorhandene Spielräume.
7. Finanzierung: Düsseldorf muss seine wohnungsbezogenen Ausgaben deutlich erhöhen und sich im Verbund mit anderen Kommunen nachdrücklich für eine Erhöhung der Fördermittel von Land und Bund einsetzen.
8. In welcher Stadt wollen wir leben? Wohnen ist mehr als ein Dach über dem Kopf. Ein kommunaler, nicht am Prinzip der Profitmaximierung orientierter Wohnungssektor kann Maßstäbe für Urbanität im Sinne gelebter Vielfalt setzen. Das ist ein Gegenentwurf zu der sozialräumlichen Entmischung, die durch die Geschäftsmodelle markt- und renditeorientierter Investoren vorangetrieben wird. Die Befriedigung des Grundbedürfnisses Wohnen verlangt deshalb auch Antworten auf die grundsätzliche Frage: In welcher Stadt wollen wir leben?
Die Stadt Wien gilt als vorbildlich, was die Versorgung der Stadtbevölkerung mit bezahlbaren und sicheren Mietwohnungen betrifft. Im Vergleich zu Düsseldorf sind dafür drei wichtige Unterschiede ausschlaggebend:
1. Die grundsätzliche Orientierung: In der Wiener Wohnungspolitik wird Wohnen parteiübergreifend vor allem als grundlegendes Bedürfnis und nicht als Ware verstanden, mit der gehandelt und spekuliert werden darf.
2. In ganz Österreich ist anders als in Deutschland die Wohnungsgemeinnützigkeit nie abgeschafft worden. Das bedeutet: Einmal geförderte Wohnungen sind nicht befristet, sondern dauerhaft preisgebunden.
3. Marktferner Wohnungssektor: In Wien lebt die Mehrheit der Bevölkerung (ca. 60 Prozent) in bezahlbaren und sicheren Mietwohnungen, die entweder der Stadt selbst gehören (Gemeindebau) oder die mit öffentlichen Mitteln gefördert sind (z. B. Genossenschaftswohnungen). Auch im privaten Altbaubestand sind die Mieten reguliert. Weil die Stadt Wien einen großen Teil des Grundstücks- und Wohnungssektors kontrolliert, werden Preissteigerungen aber auch auf dem freien Markt gedämpft und die Immobilienspekulation wird eingedämmt.
Bündnis für bezahlbaren Wohnraum
Träger der Veranstaltung zur Wiener Wohnungspolitik sind:
• Bündnis für bezahlbaren Wohnraum Düsseldorf
• FB Architektur der Hochschule Düsseldorf (HSD)
• Forum Freies Theater FFT
• Mieterverein Düsseldorf e.V.
• Arbeit und Leben NRW e.V.
• Bund Deutscher Architektinnen und Architekten
• ver.di Ortsverein Düsseldorf
Link zum Vortrag von Christian Schantl (Wien) am 17.10. 2023 im FFT: https://youtube.com/watch?v=eLRtVFW8E6w