Klein-Paris
Event City 2.0 ?

Frankreich feierte die Olympischen Spiele als Fest der Diversität und Offenheit. Die Wettbewerbe wurden zu einem großen Teil im Stadtraum – in der City von Paris – ausgetragen. Dieses Konzept machte die Spiele höchst angreifbar: 80.000 Sicherheitskräfte, Polizeikräfte und Militärs wachten rund um die Uhr über die Sicherheit vor allen vor terroristischen Attacken.

Plötzlich sahen sich Einzelhändler*innen, die sich auf zahlreiche und zahlungswillige Kundschaft eingerichtet hatten, hinter Sicherheitsabsperrungen verbarrikadiert, die ihnen das Geschäft vermasselten.

Das Bild der Leichtigkeit, das Paris in die Welt senden wollte, hatte eben seinen Preis.

Schon im Vorfeld der Spiele hatte mensch „Problemgruppen“, die den schönen Schein trüben könnten, darunter auch Familien mit schulpflichtigen Kindern, in die Pampa weit vor den Toren der Stadt – in die Provinz – deportiert.

Bereits im Mai 2023 hatte das französische Parlament als erstes europäisches Land ein Gesetz verabschiedet, dass die Nutzung von Kamera-Überwachungssystemen mit künstlicher Intelligenz und biometrischer Gesichtserkennung erlaubt. Diese Systeme sollen jetzt noch bis März 2025 im Einsatz bleiben.

Da die Entwicklung solcher High-Tech-Überwachungssysteme extrem kostspielig ist, gibt es die Befürchtung, dass sie auch über dieses Datum hinaus zum Einsatz kommen könnten.

So besteht das hohe Risiko, dass das Image von „offenen Spielen“ in einer offenen Stadt mit dem Einsatz dieser Sicherheitstechnologien eine offene Zivilgesellschaft letztendlich schwächen könnte.

Auch Düsseldorf, das Klein-Paris am Rhein, sieht sich nicht erst seit der Europameisterschaft prädestiniert, sportliche Mega-Events, die weltweit Publikum in die Stadt bringen, auszurichten. Schon jetzt wird ventiliert, dass mensch bei einer künftigen Olympiabewerbung Deutschlands unbedingt mitmischen will.

Klein-Paris hat ja eigentlich auch alles, was Groß-Paris an Voraussetzungen mitbringt: einen großen Fluss im Zentrum der Stadt, Erfahrung im Umgang mit Massen von feiernden Menschen in der Altstadt, und last but not least einen leistungsfähigen Flughafen.

Sicherlich steckt die Überwachungstechnologie bei uns noch in den Kinderschuhen. Das ist aber ausbaufähig. So werden bereits jetzt Sicherheitskräfte der Rheinbahn mit Bodycams ausgestattet. Auch bei uns zunächst nur testweise. Aber es wäre doch gelacht, wenn diese Tests nicht erfolgreich wären und dann auf ganz andere Bereiche ausgedehnt und scharfgestellt werden könnten.

Die Bedrohung einer öffentlich agierenden Zivilgesellschaft durch den Einsatz von Sicherheitstechnologien in Hinblick auf internationale Mega-Events, die zu öffentlichkeitswirksamen Anschlägen und Anschlagsdrohungen geradezu einladen, ist dabei nur der krasseste Aspekt der zur Zeit grassierenden Veranstaltungs-Gigantomanie. Wenn Taylor Swift in Wien drei Konzerte absagen muss, mag man das achselzuckend hinnehmen.

Die Frage stellt sich erstens, ob sich solche Superlative tatsächlich rechnen: für die öffentliche Hand, für die lokale Wirtschaft und die Bevölkerung, der meist als Nebeneffekt eine nachhaltige Verbesserung der städtischen Infrastruktur in Aussicht gestellt wird.

Zweitens ist nach der Ökobilanz zu fragen, nicht nur von eigens für solche Veranstaltungen entwickelten Leuchtturm-Bauten, sondern auch hinsichtlich des damit verbundenen internationalen Flugverkehrs.

Nach dem ersten EM-Spiel in der Düsseldorfer Arena am 17. Juni feierte sich die Düsseldorfer Rheinbahn. Sie hatte eine Rekordzahl von Zügen auf die Gleise gesetzt und die Fans nach dem Spiel innerhalb kürzester Zeit wieder in der Altstadt zum Abfeiern abgeliefert. Wenn das keine Visitenkarte für zukünftige internationale Megasport-Events ist!

Auf der Strecke bleiben aber bei dieser Leistungsschau die normalen ÖPNV-Nutzer*innen in Düsseldorf. Die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit öffentlicher Verkehrsmittel lässt zunehmend viele Wünsche offen. Dementsprechend steigt auch die Unzufriedenheit der Menschen, die täglich auf diese Verkehrsmittel – etwa auf ihrem Weg zur Arbeit – angewiesen sind. Jede vierte bis fünfte Stadtbahn kommt zu spät.

Was auffällt, ist, dass beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in Düsseldorf sehr viel mehr in die weiträumige Anbindung von Messe und Arena investiert wird als in die Verbesserung des innerstädtischen Nahverkehrs. Auch der Düsseldorfer Flughafen feiert sich: 6 Prozent mehr Passagier*innen in dieser Feriensaison!

Eigentlich sind ja nach 23 Uhr keine Landungen am Airport Düsseldorf mehr erlaubt. Eigentlich. Am 20. August kam es zu 410 Starts und Landungen nach 23 Uhr. Dies ist nur mit einer Sondergenehmigung des Regierungspräsidenten möglich.

Derweil startet der Düsseldorfer Flughafen zusammen mit Eurowings eine großangelegte Werbekampagne mit dem Leitmotiv „Düsseldorf – die kürzeste Theke der Welt“.

Das proklamierte Ziel, Düsseldorf in den Status einer Klimahauptstadt zu erheben, beißt sich auf jeden Fall mit dem Konzept der Event City. Und zwar gewaltig.

Aber natürlich kann Düsseldorf, was Leuchtturmprojekte angeht, auch eine Nummer kleiner: Die neue Oper am Wehrhahn soll mit 33.000 Quadratmetern doppelt so groß sein wie die alte. Dies wurde in einer Nacht- und Nebelaktion von der Stadtspitze beschlossen, nachdem der Neubau eines solchen Monstrums im Hofgarten immer unrealistischer wurde.

Das Rheinland hat die größte Opernhausdichte Europas. Da darf halt nicht gekleckert, da muss geklotzt werden. Der Neubau am Wehrhahn würde die Schadowstraße, eine der umsatzstärksten Einkaufsstraßen der Republik, beleben und verspricht an die alten Umsatzrekorde anzuknüpfen. Die Schadowstraße ist zurzeit arg gebeutelt – durch Internethandel, Kaufhaussterben, Kaufkraftverluste, aber nicht zuletzt durch horrende Mieten wegen einer grassierenden Immobilienspekulation. Inhaber*innengeführter Einzelhandel und nicht kettengebundene Fachgeschäfte dürften auch mit einer neuen Oper weiter in die Röhre gucken.

Dass sich diese Immobilienspekulation durch den Bau der neuen Oper weiter verschärfen und dem Einzelhandel wenig zuträglich sein dürfte, hat mensch nicht auf dem Schirm.

Ende Juli wurde bekannt, dass der Bund eine Förderung von vier Millionen Euro jährlich für sieben Häuser der freien Theater- und Tanzszene einstellen will. Darunter ist das FFT, der Ort der freien Theaterszene in Düsseldorf und das Tanzhaus NRW, aber auch das Pact Zollverein in Essen. Die Intendantinnen und Intendanten hatten bereits darauf hingewiesen, dass mit einem Wegfall der Förderung die anstehende Spielzeit 2024/2025 gefährdet sei, Stellen abgebaut werden müssten und bereits geplante internationale Produktionen nicht realisiert werden könnten.

Das Vorgehen der Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) stößt auf heftige Kritik und Widerstand. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats Olaf Zimmermann dazu: „Wir stehen hinter den von Kürzungen bedrohten Institutionen und werden uns in der parlamentarischen Debatte um den Haushalt 2025 für sie stark machen.“

Aber für eine neue Oper sollte es ja immerhin reichen – und wenn es halt auf Kosten freier Projekte und kultureller Aktivitäten in den Stadtteilen geht. ³

Michael Flascha (Text und Collage)