TERZ 10.24 – KLASSENKAMPF
* Umgangssprachliches Ablästern im Düsseldorfer Sprinterwerk innerhalb der Belegschaft über den Arbeitgeber, dem viele in einer Art Hassliebe verbunden sind.
** Slangausdruck im Düsseldorfer Sprinterwerk für eine Krankmeldung.
Wie schon in der letzten Ausgabe berichtet, wird im Düsseldorfer Daimler-Sprinterwerk zum 01.10.24 die Nachtschicht gestrichen. Dazu gibt es nun Neuigkeiten.
Die Stammbelegschaft ist von dem Arbeitsplatzabbau „zum Glück“ nicht betroffen, die 1.250, intern heißt es fast 1.300, wegfallenden Arbeitsplätze betreffen ja „nur“ Leihmitarbeiter*innen. Da die betroffenen Verleiher keine alternativen Arbeitsplätze anbieten können, sind die 1.250 Kolleg*innen nicht nur freigestellt, sondern sofort gekündigt worden. Die ersten Kündigungen sind schon Anfang / Mitte September ausgesprochen worden. Der Rest der Belegschaft hat bis zum 27.09.24 noch zusätzliche Samstagsschichten gekeult, inklusive der Kolleg*innen, die zum 01.10.24 arbeitslos wurden.
Toll, du hast die Kündigung schon in der Tasche, sollst dir aber noch samstags am Band, im Akkord, die Knochen kaputtmachen. Da hilft nur noch der „Yellow Pinkie“, um dem Druck zu entgehen.
Seit Montag, den 30.9.24 geht es nun in zwei Schichten weiter, manche Abteilungen bekommen die Auswirkungen dann auch umgehend zu spüren. Dort wird die tägliche Arbeitszeit von einer halben bis um eine Stunde pro Schicht hochgesetzt, was sich dann in der Spätschicht doppelt bemerkbar macht.
Zum Beispiel Schichtbeginn auf Frühschicht um 05:30 Uhr, Schichtende früher 13 Uhr, jetzt um 14 Uhr. Die Spätschicht hat ursprünglich um 13 Uhr angefangen und hatte dann um 20:30 Uhr Schichtende. Die Kolleg*innen fangen seit dem 30.09.24 um 14 Uhr an, und mit der zusätzlichen Stunde, die diese dann abreißen, ist der „Feierabend“ erst um 22:30 Uhr. Gefühlt arbeitest du auf Spätschicht also 2 Stunden länger. Dass jede weitere Stunde in dieser Knochenmühle (der Sprinter wird im 90-Sekunden-Takt zusammengebaut) mörderisch und nicht gesundheitsfördernd ist, dürfte jedem klar sein. Es gibt in Düsseldorf Kolleg*innen, die mit ca. 30 Jahren die ersten Bandscheibenvorfälle hatten.
Zusätzlich sind in manchen Abteilungen jetzt schon bis zu 12 Sonderschichten pro Frühschicht für das nächste Jahr geplant, insgesamt 24 Samstage zusätzlich. Die Begeisterung bei der Stammbelegschaft ist natürlich entsprechend hoch, bis zu 5 Stunden die Woche mehr und dann noch jeden zweiten Samstag auf Frühschicht ans Band. Das lange freie Frühschichtwochenende schmilzt also dahin. Vor Jahren war die Arbeitszeit bei „Ficke di Daimler“ schon einmal so hoch angesetzt, Folge war eine steigende Scheidungsrate.
Arbeit ist also genug da. Daimler hätte die Nachtschicht nicht einstellen müssen, aber da ein Großteil der Leiharbeiter*innen bei Weiterbeschäftigung dann ein Anrecht auf feste Arbeitsverträge gehabt hätte, hat Daimler diese kurzerhand freigestellt. Nur zur Info, normalerweise müssen Zeitarbeiter*innen nach 18 Monaten fest eingestellt werden.
Für die 1.250 Kolleg*innen, die jetzt arbeitslos wurden, ist die Perspektive gerade nicht rosig. Wenn die Managementpläne in Duisburg bei Thyssenkrupp umgesetzt werden, fällt dort jeder zweite Arbeitsplatz weg (siehe TERZ 09.2024).
Der Autozulieferer ZF (Zahnräder Friedrichshafen) will bundesweit 14.000 Stellen abbauen[1], also jede vierte Stelle – wie viele es in Düsseldorf sind, ist noch nicht bekannt[2][3].
Bei VW wird über den Abbau von ca. 30.000 Arbeitsplätzen spekuliert, bei ca. 150.000 Beschäftigten jeder Fünfte. Bei Bosch stehen ca. 7.000 Arbeitsplätze zur Disposition, die Hälfte davon in der Kernsparte Automobiltechnik[4].
VW hat auch schon Beschäftigungstarifverträge aufgekündigt, die ersten Kündigungen können bereits 2025 ausgesprochen werden[5].
Persil-Hersteller Henkel will sein Unternehmen weiter umstrukturieren und zu den bereits geplanten 2.000 Stellen, die weltweit wegfallen[6], wird nicht ausgeschlossen, dass weitere Stellen abgebaut werden können[7].
Miele will in Deutschland die Belegschaft um 1.300 Arbeitsplätze reduzieren, das ist ca. jeder neunte von 11.700 Arbeitsplätzen in Deutschland[8]. 700 Arbeitsplätze sollen dabei nach Polen verlagert werden[9].
Als Grund werden deutlich geringere Energiekosten und weniger bürokratische Hürden genannt.
Dass der Großkonzern VW nach den Wahlerfolgen der AfD in Thüringen und Sachsen Stellenabbau ankündigt und Beschäftigungstarifverträge aufkündigt, lässt sehr tief blicken und bestätigt: Geschichte wiederholt sich leider immer.
Auch der Angriff der FDP auf das Tariftreuegesetz ist bezeichnend. Es sieht vor, dass Unternehmen, die Aufträge vom Bund erhalten, ihren Beschäftigten tarifvertragliche Arbeitsbedingungen gewähren müssen[10]. Der erste Angriff der FDP auf die grundlegenden Rechte der lohnabhängig Beschäftigten. Der zweite Angriff der FDP geht gegen das Streikrecht. Arbeitnehmer*innen und Gewerkschaften sollen entmachtet und das Streikrecht eingeschränkt werden. So sollen zum Beispiel Streiks 4 Tage vorher angekündigt werden. Das Kampfmittel Streik würde also an Schärfe verlieren.
FCK FDP kann mensch dazu nur sagen, aber ein Stimmanteil unter 1 % in Brandenburg sollte den Freien Demokrat*innen endlich klarmachen, dass sie keiner in Deutschland braucht.
Kein Geld fürs Deutschlandticket? Fahrt doch Porsche! ³
In diesem Sinne mit kollegialen Grüßen,
Henry Ford
PS. Ein kleiner Ausgehtipp: Am Samstag, den 05.10.24 findet ab 14 Uhr die „Remember Party“ in Bochum am Rathaus (Willy-Brandt-Platz) statt.
Das Motto der Kundgebung und des Familienfestes ist: 20 Jahre Streik der Opelaner in Bochum (Wenn die Arbeiter das Heft in die Hand nehmen).
Kolleg*innen von Daimler wollen sich wohl auf den Weg machen, aber es wäre schön, wenn sich weitere Düsseldorfer*innen einfinden würden.
[1] IGM 11.09.24
[2] IGM Neuss 10.09.24
[3] IGM Neuss 06.09.24
[4] Tagespiegel 21.09.24
[5] Tageschau 10.09.24
[6] Frankfurter Rundschau 26.08.24
[7] Frankfurter Rundschau 27.08.24
[8] Tageschau 07.06.24
[9] RedaktionsNetzwerk Deutschland 22.08.24
[10] Deutschlandfunk 19.09.24