Worte statt Waffen

Wie Frieden verhandelt werden kann

Jan van Aken zu Gast in der BiBaBuZe

Eigentlich ist es nur eine ganz normale Buchvorstellung. Jan van Aken präsentiert am 17. September sein neuestes Buch „Worte statt Waffen“ im Rahmen einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung bei BiBaBuZe. Schon vor Beginn der Veranstaltung wird klar: es wird voll. Ungewöhnlich bei einem solchen Anlass. Hektisch werden neue Sitzgelegenheiten herbeigeschafft, und schließlich sitzen in der Buchhandlung über 50 Menschen.

Was nämlich bei den Planungen zu dieser Buchvorstellung nicht absehbar war: van Aken gilt mittlerweile für den Bundesparteitag der Linken im Oktober zusammen mit Ines Schwerdtner als gesetzt für die neue Doppelspitze des Parteivorstandes. Das interessiert über die Partei DIE LINKE hinaus natürlich viele Linke in der Stadt.

Jan van Aken macht aber gleich zu Beginn klar, dass er hier nicht als zukünftiger Parteivorsitzender auftritt und an der geplanten Buchvorstellung festhalten will. Interessant wird es trotzdem. Oder vielleicht gerade deswegen.

Im ersten Teil seines Vortrags erklärt van Aken seinen Weg vom Naturwissenschaftler zum profilierten Außenpolitiker der Linken. Nach seiner Promotion in Biologie arbeitete er von 1997 bis 1998 zunächst als Gentechnik-Experte und Aktivist für Greenpeace. 2003 gründete er die Forschungsstelle „Biowaffen und Rüstungskontrolle“. Das war sein Einstieg in die Außenpolitik. Von 2004 bis 2006 war er Biowaffeninspekteur für die Vereinten Nationen. Im Anschluss an seine Tätigkeit für die UN trat er der Linkspartei bei, war bei den Bundestagswahlen 2009 einer deren Spitzenkandidaten, 2012 bis 2013 stellvertretender Vorsitzender der Partei sowie für zwei Legislaturperioden ordentliches Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Ein Aufruf zum Schottern gegen einen Castor-Transport brachte ihm unter Aufhebung seiner Immunität 2012 eine Geldstrafe von 2.250 Euro ein. 2017 meldete er die größte Demonstra­tion gegen den G20-Gipfel in Hamburg an. All diese Stationen zu seiner politischen Karriere lassen sich sehr gut am Aufbau seines Buches nachvollziehen und stützen die Entwicklung seines politischen Diskurses.

Jan van Aken verurteilt klar den Überfall Russlands auf die Ukraine, lehnt jedoch weitere Waffenlieferungen und die Stationierung von Ultraschall-Raketen in Deutschland ab. Er betont aber auch, dass es für die Ukraine Sicherheitsgarantien geben muss. Für ihn ist klar, dass diese nicht in einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine bestehen können. Van Aken zählt die verpassten Chancen auf, zu Verhandlungen und einem Waffenstillstand zu kommen. Er nennt z.B. eine bestimmte Art von Sanktionen, die aber nicht zur Anwendung kamen, weil sie auch dem Westen wehgetan hätten.

Die fehlende Einbindung von China und den BRICS-Staaten bezeichnet er als einen großen Fehler. Aber er ist auch so „utopisch“, nicht nur Hochrüstung und Militarisierung unserer Gesellschaft entgegenzutreten, sondern das Thema „weltweite Abrüstung“ auf die aktuelle Agenda zu setzen. Jan van Aken fordert eine symmetrische Abrüstung der Blöcke um 10 Prozent des Waffen-Arsenals.

Das alles bietet genug Stoff für Nachfragen, Einwände und Diskussionsbeiträge aus dem Publikum. Van Aken meistert diese Herausforderung in seiner freundlichen, dialog-orientierten und wenig aufgeregten Art. Dabei betont er immer wieder, dass viele Fragen offen bleiben, aber auch immer wieder nach neuen Ansätzen und Lösungen gesucht werden müsse.

Jan van Aken berichtet, dass sein Verlag darauf bestanden hat, seinem Buch ein letztes aktuelles Kapitel hinzuzufügen, das auch Konfliktlösungsmöglichkeiten im Nahen Osten erörtert. Diesem Wunsch sei er eher widerwillig gefolgt, obwohl er just am 7. Oktober in Tel Aviv weilte und an seinem Buch arbeitete. Von daher sei ihm bewusst, wie wenig die Zerstörungen der israelischen Armee in Gaza von der israelischen Bevölkerung als ein Problem wahrgenommen werden und wie weit mensch hier noch von einer Zwei-Staaten-Lösung entfernt ist.

Aber für ihn gibt es auch rein praktische Probleme einer Friedenslösung „on the ground“. Mittlerweile leben 700.000 israelische Siedler*innen im Westjordanland, die mit aller Gewalt umgesiedelt werden müssten. Van Aken plädiert deswegen für eine etwas andere Zweistaatenlösung: „A Land for all“, also zwei Staaten, ein Heimatland zwischen Jordanfluss und Mittelmeer. Er weiß dabei ziemlich genau, wie vage die Vorstellungen einer föderalen binationalen Republik sind, einer „Republik von Haifa“. Aber Jan van Aken ist Naturwissenschaftler genug, um zu wissen, wie wichtig es ist, jenseits von „trial and error“ bestimmte Ziele im Auge zu behalten und kollektive Lernprozesse anzustoßen.

Text und Foto(siehe Druckausgabe): Michael Flascha

Jan van Akens monatlicher Podcast dis:arm ist über https://rosalux.de/disarm abrufbar

Die BiBaBuZe wurde am 08.09.2024 mit dem Deutschen Buchhandelspreis ausgezeichnet.

Nicht zuletzt weil die Buchhandlung BiBaBuZe immer wieder die Möglichkeit für solch interessante Veranstaltungen bietet, wurde sie von Kulturstaatsministerin Claudia Roth ausgezeichnet. „Buchhändlerinnen und Buchhändler sind Garanten des freien Wortes“, so Roth bei der Preisverleihung.
TERZ nickt und gratuliert!