Leuchtende Erinnerung

Die Installation missing link_ des Düsseldorfer Konzeptkünstlers Mischa Kuball am Ort der 1938 zerstörten Synagoge gibt der Stadt einen besonderen Ort der Erinnerungskultur und ein bemerkenswertes Kunstwerk.

Die große Düsseldorfer Synagoge an der heutigen Kasernenstraße 67 war 1904 fertiggestellt worden. Das im neoromanischen Stil erbaute Gotteshaus bildete einen zentralen religiösen und kulturellen Mittelpunkt in Düsseldorf. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde sie in der nationalsozialistischen Reichspogromnacht in Brand gesetzt, zerstört und wenig später abgerissen. 13 Menschen wurden in dieser Nacht allein in Düsseldorf ermordet, mindestens 70 teilweise schwer verletzt. Mehr als 450 Überfälle auf Wohnungen und Geschäftsräume zerstörten Lebensgrundlage und Zuhause vieler jüdischer Düsseldorfer*innen.

Gegen das Vergessen

86 Jahre später, am 9. November 2024, fanden sich zahlreiche Menschen an dieser Stelle ein. Unter ihnen der Künstler Mischa Kuball, dessen Kunstwerk missing link_ an diesem besonderen Tag offiziell zum Leuchten gebracht wurde.

Vor einem Jahr gab es auch Skepsis dem Entwurf Kuballs Kunstwerk gegenüber, einem temporären Vorläufer des jetzigen, das bis Ende März 2024 bestehen blieb und dem dann jedoch viel Aufmerksamkeit zuteil wurde (TERZ 12-2023). OB Stephan Keller hob die Bedeutung der Lichtinstallation als sichtbares Zeichen gegen das Vergessen der abscheulichen Taten der Novemberpogrome – eines der schwärzesten und verheerendsten Verbrechen deutscher Geschichte – hervor. Kuballs Werk sollte an diesem Ort eine neue Sichtbarkeit schaffen und Bezug auf die große gesellschaftliche Lücke nehmen, die durch die Zerstörung jüdischer Einrichtungen um 1938 in Düsseldorf entstand. missing link_, etwas fehlt an dieser Stelle.

Licht ins Dunkel

Ein auf eine 3 mal 9 Meter große Plane gedrucktes Bild, das – wie auch auf dem oben erwähnten Vorläufer – ein Fragment der 1938 zerstörten Synagoge zeigt, befindet sich jetzt zwischen zwei massiven Glasplatten, deren Gewicht fast 3 Tonnen beträgt. Die Installation ragt über 12 Meter in die Höhe. Eine gegenüberliegende Lichtquelle beleuchtet das Motiv, den Gedenkstein sowie den hellgrauen Fahrbahnstreifen, der über die Kasernenstraße auf die Lichtinstallation zuläuft. Er ist durch den hellen Asphalt auch ohne Beleuchtung sichtbar. Der inzwischen gereinigte und neu verfugte Gedenkstein, am 9. November 1946 enthüllt und 1983 durch ein Relief-Bild der alten Synagoge erweitert, trug der Bedeutung dieses besonderen Ortes bislang nur unzureichend Rechnung und war vielen Menschen gänzlich unbekannt. Er wurde wieder aufgestellt und ist nun Bestandteil der Lichtinstallation, die Ende Oktober an ihrem Standort Kasernenstraße 67 errichtet wurde, begleitet vom Künstler Mischa Kuball und Nikolas Grosch von der Kunstkommission Düsseldorf.

Kuballs Lichtinstallation wirkt massiv und fragil zugleich, der schwere schwarze Rahmen, darin das durchscheinende Bild, Teil der alten Synagoge, das zerbrechliche Glas, die Reflexion auf die dahinter befindliche Fassade, das helle Licht in der Dunkelheit. Die Komposition wirkt auf Betrachtende fast unheimlich, Licht und Schatten zeigen sich zugleich. Hier wurden vor 86 Jahren Menschen ermordet, unbeschreibliche Grausamkeiten verübt, Brände gelegt. Im heute zumeist friedlichen Düsseldorf unvorstellbar.

Die Zerstörung von 1938 an diesem Ort ist unwiederbringlich. Es bleibt die Fehlstelle, der missing link, aber durch Mischa Kuballs Kunstwerk wird Licht ins Dunkel dieses Ortes der Erinnerung gebracht. Geschichte und Bedeutung dieser Stelle Düsseldorfs erhalten eine neue Sichtbarkeit, einen Raum für gemeinsames Zusammenkommen, Gedenken, Erinnern. Eine Kooperation zwischen der Jüdischen Gemeinde, der Stadt sowie der Mahn- und Gedenkstätte ermöglichte die Realisierung des Projekts, ebenso wie zahlreiche Unterstützer*innen.

Am 9. November 2024 also wurde das neu gestaltete Mahnmal offiziell eröffnet, die Beleuchtung gegen 23 Uhr eingeschaltet, nachdem unter anderem OB Stephan Keller und Mischa Kuball Ansprachen hielten, den zahlreichen Unterstützer*innen des Projekts ihren Dank aussprachen. Der Kantor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Aaron Malinsky, sang das Trauergebet El male rachamim, ein unbeschreiblich bewegendes Erlebnis, ob mensch gläubig ist oder nicht.

Am Abend des 9. November 2024 ist die Kasernenstraße abgesperrt, der Trauergesang des Rabbiners hallt weit. Schade, dass das eindrucksvolle Werk Kuballs und seine Wirkung im Alltag von Hektik und Autoverkehr, üblicherweise auf der Kasernenstraße vorherrschend, ein Stück weit entweiht wird.

Das Erbe der Täter*innen

Nach seiner Rede steht OB Keller neben mir, schaut kurz zur Seite. Wir kennen uns nicht. Mir wird bewusst, wie ungeschützt wir alle sind. Wenn auch Polizei am Rand der Menschenversammlung anwesend ist. Wie viel Vertrauen wir noch immer aufbringen, trotz aller Messer, Bomben und Grausamkeiten. Das Erbe der Täter*innen von 1938, der Mitmachenden, der Gleichgesinnten, der Untätigen, ist unter uns, setzt sich fort, tief braunes Gedankengut findet sich nicht nur bei Ewiggestrigen, sondern etabliert sich gerade bei jungen Menschen. Das Kunstwerk Mischa Kuballs steht jetzt und in Zukunft an dieser offen zugänglichen Stelle Düsseldorfs, massiv und doch zerbrechlich. ³

Christine

Weitere Informationen zu dem Projekt gibt es in der eigens entwickelten Info-App unter https://missinglink-düsseldorf.de