TERZ 12.24 – KLASSENKAMPF
Nachtrag zur letzten Ausgabe: es werden sich bestimmt einige von euch gefragt haben, warum die Betriebsratsinfo so unkommentiert im letzten Artikel abgelichtet wurde. Die schriftliche Information, dass das Mercedes-Benz-Management die Verhandlungen eingestellt hat, ging leider im Layoutstress unter. Hier also das verlorengegangene PPS:
Am 25.10.24 hat der Betriebsrat Werk Düsseldorf Mercedes-Benz Group per Aushang verkündet: „Diese Woche sind die Verhandlungen mehrfach abgesagt worden. Teilweise in Abstimmung mit dem BR, aber zum Schluss einseitig von der Geschäftsleitung. Als Begründung nennt die Geschäftsführung den Bericht in der RP.“
Nichts scheut das Management mehr als ein Bekanntwerden seiner Machenschaften. Auch die Information, dass der Werksleiter Michael Hellmann vor seinem Wortbeitrag auf der Betriebsversammlung am 31.10.24 minutenlang von der Belegschaft ausgepfiffen wurde, hatten wir schon vor der RP(I). Leider erscheint die TERZ nur monatlich, so dass manche Informationen bei Redaktionsschluss nicht mehr aktuell sind.
Augenblicklich arbeiten noch 5.600 Festangestellte bei Mercedes Benz in Düsseldorf. Ca. 1.000 Kolleg*innen davon haben am 07.11.24 vor dem Werkstor an der Rather Straße in Derendorf gestreikt und 7 Prozent mehr Lohn gefordert(II).
Die Tarifparteien haben sich dann am 12.11.24 auf einen neuen Pilottarifabschluss geeinigt(III & IV). Die sogenannte Lohnsteigerung um 5,1 Prozent ist mal wieder eine große Verarsche.
2 Prozent mehr Geld ab April 2025, sowie weitere 3,1 Prozent mehr ab April 2026 entsprechen nicht 5,1 Prozent mehr ab sofort. Einfache Mathema-tik! Die lange Laufzeit von 25 Monaten spielt den Arbeitgebern natürlich auch in die Hände, es werden für 25 Monate keine neuen Tarifverhandlun-gen anliegen.
Die 2 Prozent ab April 2025 gleichen gerade die aktuelle Inflation von ebenfalls 2 Prozent aus, eine progressive Lohnerhöhung sähe anders aus. Ich schätze auch, dass die 3,1 Prozent Lohnerhöhung im April 2026 ebenfalls nicht ausreichen, die Teuerungsrate adäquat auszugleichen. Die 600 Euro Einmalzahlung für die Monate Oktober, November, Dezember 24 und Januar, Februar, März 25 ist auch nicht üppig, das sind 100 Euro pro Monat. Bei einem Durchschnittslohn von 3.500 Euro brutto im Monat entspricht das 2,86 Prozent pro Monat, die versteuert werden müssen. Die Einmalzahlung ist nicht tabellenwirksam und fließt nicht in spätere Berechnungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Mehrarbeitszuschläge, spätere Lohnerhöhungen usw. ein. Außerdem wurde den Arbeitgebern bis zum 1. Februar 2025 Zeit gegeben, die Einmalzahlung zu tätigen.
Dagegen ist die Lohnerhöhung von 140 Euro pro Monat für die 230.000 Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie ein kräftiger Schluck aus der Pulle. Auch die Erhöhung des „Tariflichen Zusatzgeldes“ (T-ZUG B) von 18,5 Prozent auf 26,5 Prozent ab Februar 2026 bevorzugt wenigstens die unteren Lohngruppen. Damit ihr wisst, was das ist, habe ich das einfach mal von einer IGM-Seite zitiert(V):
„Seit 2019 erhalten Beschäftigte in tarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie das tarifliche Zusatzgeld (T-ZUG). Das sind 27,5 Prozent Deines durchschnittlichen Monatsentgelts.
Dazu kommt ein Zusatzbetrag (ZUB oder T-ZUG B), ab 2023 in Höhe von 18,5 Prozent des Eckentgelts des jeweiligen Tarifgebiets, zwischen 560 und 630 Euro.
Beschäftigte, die in Schicht arbeiten, Kinder betreuen oder Angehörige pflegen, können wahlweise das tarifliche Zusatzgeld (T-ZUG A, 27,5 Prozent des Monatsentgelts) in Zeit umwandeln und dadurch zusätzliche acht Tage im Jahr frei nehmen. Im Jahr 2022 haben über 400.000 Beschäftigte die T-ZUG-Option auf freie Tage statt Geld genutzt.“
Die Woche war auch geprägt von der angekündigten Kurzarbeit bei Ford in Köln, bis Ende des Jahres wird eine Woche produziert, und dann stehen eine Woche die Bänder still. Das sind insgesamt drei Wochen Kurzarbeit, von der rund 2.000 Beschäftigte betroffen sind. Als Grund wurde hierfür der schlechte Absatz der Elektrofahrzeuge angegeben(VI). Intern hatte ich da schon erfahren, dass ein innerbetrieblicher Stellenabbau für das nächste Jahr ansteht. Die Gerüchteküche sagte, es sollen zum nächsten Jahr alle Leihmitarbeiter*innen freigestellt werden. Bei einer inoffiziellen Anfrage an ein BR-Mitglied wurde das nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert, da hieß es nur, das dürfe er nicht weitergeben.
Während ich heute am 20.11.24 den Artikel schreibe, kommt über Tageschau.de die Info rein, dass Ford plant, bis Ende 2027 in Europa 4.000 Stellen abzubauen. In Deutschland sollen es 2.900 Arbeitsplätze sein, die meisten davon in Köln. Nach BR-Angaben sind in Köln derzeit etwa 11.500 Kolleg*innen beschäftigt, es fällt dann ca. jeder vierte Arbeitsplatz weg. 2018 waren es noch knapp 20.000 Beschäftigte. Wenn alles so eintrifft, sind es Ende 2027 weniger als die Hälfte, die Halbwertszeit beträgt dann gerade mal 9 Jahre(VII).
800 weitere Arbeitsplätze fallen in Großbritannien und 300 in anderen EU-Staaten weg(VIII). Die englischen Kolleg*innen sind in den vergangenen Jahren sowieso schon gebeutelt worden, ist die soziale Infrastruktur auf der Insel doch sehr viel schlechter als in Deutschland.
Auch Audi will ein Werk in Brüssel im Februar 2025 schließen. Betroffen sind 4.000 direkte und indirekte Mitarbeiter*innen, die auch noch nicht wissen, wie es weitergehen soll(IX).
Der Wegfall der Arbeitsplätze bei den großen Herstellern wirkt natürlich bis in die Zulieferindustrie hinein. So meldet in Velbert die Johann Vitz GmbH nach über 100 Jahren Insolvenz an. Das Tradionsunternehmen, welches seit 1908 besteht, stellt Federn, Stanz- und Biegeteile aus Rund- und Flachmaterial für die Autoindustrie sowie Abschirmtechnik für die Elektronikindustrie her. Für drei Monate übernimmt die Bundesagentur für Arbeit die Löhne, danach muss der Insolvenzverwalter alleine klarkommen. Die Gründe sind, wie schon so oft genannt, die Abhängigkeit von der Automobilindustrie, Konkurrenzdruck aus dem Ausland, Lieferkettenprobleme, das hohe Zinsniveau usw. Schöne Weihnachten sind das für die Kolleginnen und Kollegen in Velbert(X & XI).
Halleluja sage ich da nur, mit kollegialen Grüßen
Henry Ford
[1] RP 07.11.24 https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/duesseldorf-mercedes-werksleiter-bei-betriebsversammlung-ausgepfiffen-v1_aid-120753049
[2] (II) RP 07.11.24 https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/mercedes-benz-in-duesseldorf-knapp-1000-arbeiter-bei-warnstreik_aid-120803053
[3] tageschau.de 12.11.24 https://www.tagesschau.de/wirtschaft/tarifstreit-einigung-metall-und-elektroindustrie-100.html
[4] (IV) IGM 12. November 2024 | Aktualisiert am 20. November 2024 https://www.igmetall.de/tarif/tarifrunden/metall-und-elektro/tarifrunde-metall-und-elektro-2024
[5] (V) IGM 20. Juli 2020 | Aktualisiert am 23. September 2024 https://www.igmetall.de/tarif/tarifrunden/metall-und-elektro/tarifliches-zusatzgeld-oder-acht-freie-tage
[6] (VI) Indat.de 18.11.24 https://www.der-indat.de/johann-vitz-gmbh-co-kg-nutzt-eigenverwaltung-zur-erforderlichen-neuaufstellung/
[7] (VII) t-online 19.11.24 https://www.t-online.de/finanzen/aktuelles/wirtschaft/id_100534178/automobilzulieferer-johann-vitz-gmbh-nach-116-jahren-insolvent.html
[8] (VIII) WDR1 13.11.24 https://www1.wdr.de/nachrichten/kurzarbeit-bei-ford-im-koelner-werk-wird-bis-weihnachten-weniger-produziert-100.html
[9] (IX) tageschau.de 20.11.24 https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/ford-stellenabbau-104.html
[10] (X) RP 20.11.24 https://rp-online.de/wirtschaft/unternehmen/ford-2900-stellen-sollen-in-deutschland-wegfallen-koeln-stark-betroffen_aid-121311997
[11] (XI) Euronews 20.11.24 https://de.euronews.com/my-europe/2024/11/20/schliessung-des-audi-werks-in-brussel-sinnbild-fur-die-deindustrialisierung-in-europa
PS. Nach Redaktionsschluss kamen kurzfristig noch zwei Meldungen rein, die wir euch nicht vorenthalten möchten.
Es knallt der nächste Jobhammer durch die Medien. Haben wir in der letzten Ausgabe noch verkündet, dass Bosch die Gehälter „nur“ kürzen will, ist jetzt von Jobabbau die Rede. Tagesschau.de gab bekannt das Bosch mehr Stellen abbauen will als bisher verkündet. „Es gibt einen weiteren "Anpassungsbedarf" von bis zu 5.550 Stellen, wie eine Unternehmenssprecherin mitteilte. Mehr als zwei Drittel davon - insgesamt 3.800 Jobs - sollen in Deutschland wegfallen.“ Die Kündigungen sollen bis Ende 2027 angeschlossen sein. Eigentlich gilt noch die Mitte 2023 geschlossenen Vereinbarung, die betriebsbedingte Kündigungen in der Zuliefersparte in Deutschland bis Ende 2027 ausschließe, in Teilen sogar bis Ende 2029. Soviel dazu(I).
Außerdem gibt es Nachrichten aus Köln. Trotz Kurzarbeit haben sich am Donnerstag den 21.11.24 spontan ca. 500 Kolleg*innen vor der A-Halle eingetroffen. In dieser haben sich der Gesamtbetriebsrat von Ford und die Europageschäftsführung zur Wirtschaftsausschusssitzung getroffen. „Trotz Kurzarbeit waren einige Kollegen im Betrieb. Die Vertrauensleute organisierten gemeinsam mit den Kollegen den Streik vor der A-Halle. Aus allen Produktionsbereichen, Endmontage, Presswerk, Rohbau und Getriebewerk kamen die Kollegen zu einem richtigen Demozug zusammen. Damit es keine Repressionen gegen die Kollegen geben sollte, wurde die Aktion als ‚Betriebsratsinformation‘ deklariert.“ Die Kolleg*innen in Köln werden ihre Arbeitsplätze nicht einfach so aufgeben sondern sind bereit zu kämpfen(II). Weiter so!
Euer Henry
[1] Tageschau.de 22.11.2024 https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/bosch-stellenabbau-104.html
[2] Rote Fahne News 22.11.2024 https://www.rf-news.de/2024/kw47/streikaktion-trotz-kurzarbeit-bei-ford-in-koeln-niehl