TERZ 12.24 – SOZIALABBAU
Die von der nordrhein-westfälischen Landesregierung angekündigten Kürzungen im Sozialbereich trieben am 13. November über 32.000 Menschen auf die Straße. Auch anderswo in der Republik regte sich Protest gegen die Kahlschlagspolitik.
„NRW bleib sozial!“ unter diesem Motto hatten Verbände der freien Wohlfahrtspflege im letzten Monat zu Protesten gegen die von der nordrhein-westfälischen Landesregierung geplanten Einschnitte aufgerufen. Nicht weniger als 83 Millionen Euro will Schwarz-Grün einsparen. Unter anderem stehen Mittel für die Integration von Geflüchteten, für die Beratung von Asylsuchenden und Schuldner*innen, für die Suchthilfe sowie Angebote für Familien und Senior*innen zur Disposition.
Über 32.000 Menschen trieb das am 13. November auf die Rheinwiesen nach Oberkassel. „Man kann Armutsprävention, man kann soziale Sicherheit nicht an- und ausknipsen“, kritisierte Anja Weber vom DGB auf der Kundgebung die avisierten Kürzungen. „Wenn das so bleibt, wird unser Land anders“, so die Vorsitzende des DGB NRW.
„Da sind Dinge notwendig, die schmerzen“, mit diesen Worten ließ sich CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst vernehmen. Sozialminister Karl-Josef Laumann, ebenfalls Christdemokrat, assistierte und verteidigte die Streichungen vor den Protestierenden: „Wenn die Einnahmen ausbleiben, muss man schweren Herzens kürzen.“ Nur bei einer brummenden Konjunktur kann der Staat ihm zufolge seinen Aufgaben vollumfänglich nachkommen. „Eine gut laufende Wirtschaft ist noch immer die beste Sozialpolitik“, meinte Laumann und musste sich dafür ein Pfeifkonzert anhören.
Ähnliche Aktionen fanden in der ganzen Republik statt, denn nicht nur NRW greift zum Kahlschlag, und zu den Opfern zählen längst nicht nur Wohlfahrtsverbände. In den letzten Jahren hat sich die soziale Lage vieler Menschen drastisch verschlechtert. Sie leiden unter höheren Lebenshaltungskosten infolge der Inflation, Wuchermieten, Reallohn-Verlusten und gestiegenen Sozialversicherungsbeiträgen. Besonders die Altersarmut steigt. Noch nie waren so viele Rentner*innen auf Grundsicherung angewiesen wie heute.
Der Hauptgrund für die Misere wurde überall benannt, wenn auch in unterschiedlich deutlich: die Zeitenwende. Das Geld fehle nicht, kritisierte etwa ein Vertreter des Kölner Flüchtlingsrats auf den Rheinwiesen, es werde nur umgebucht und fließe als Waffenhilfe in die Ukraine oder in den Wehr-Etat. „100 Milliarden für Soziales statt für Aufrüstung“ forderte die „Die Linke“/Düsseldorf dann auch an dem Tag. Die Demonstration in München fand gleich unter dem Slogan „Soziales rauf, Rüstung runter“ statt. „Für Militärausgaben werden riesige Summen bereitgestellt, doch was wir wirklich brauchen, sind Investitionen in Bereiche, die unser Leben verbessern: Bildung, Gesundheit, Wohnungsbau, Verkehr, Klimaschutz und das Recht auf Asyl“, hieß es dementsprechend im Aufruf. Auch viele Gewerkschaften trugen diesen mit, die IG Metall allerdings nicht – sie nahm Rücksicht auf Mitglieder, die bei Rüstungsbetrieben arbeiten. Und die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung zeigte sich ebenfalls wehrtüchtig. Sie rechnete vor, wie Zeitenwende auch ohne Sozialkürzungen geht. Als probates Mittel dafür empfahl sie eine Lockerung der Schuldenbremse.
Die Bellist*innen stimmen derweil auf noch härtere Zeiten ein. So schwadronierte der Politologe Herfried Münkler im „Spiegel“ über die Notwendigkeit für die EU, größere militärische Fähigkeiten im Allgemeinen und eine „nukleare Abschreckungskomponente“ im Besonderen aufzubauen, wenn die Gemeinschaft nicht vor Putin in die Knie gehen wolle. Umsonst zu haben sei das allerdings nicht. „Das wird viel Geld kosten und nur durch eine weitreichende Umschichtung der Budgets – und das heißt: Veränderungen im Wohlfahrtsstaat – möglich sein“, hielt er fest.
Die CDU zeigt sich dazu bereit. Die „Abschaffung des Bürgergelds in seiner jetzigen Form“ kündigte ihr Generalsekretär Carsten Linnemann im Falle eines Wahlsiegs am 23. Februar an. Zehn Milliarden Euro möchte er hier kappen; allein die Senkung der Regelsätze soll ein bis zwei Milliarden Euro bringen. Auch an den Etat für Migrationspolitik möchten die Christdemokrat*innen ran. Insgesamt ist Linnemanns Sparpaket 50 Milliarden Euro schwer.
Und Düsseldorf? Für 2025 kalkuliert die Stadt mit einem Haushalt von 4,2 Milliarden Euro (Ausführlicheres auf der folgenden Seite). Das sind gegenüber 2024 zwar 300 Millionen mehr, allerdings droht trotzdem Unbill. Das Plus fängt nämlich die Preis- und Lohnsteigerungen nicht auf, wie sich schon im laufenden Jahr zeigte. Sowohl bei den sozialen Leistungen als auch bei der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe kam es trotz angehobener Etats zu Einschnitten. Und das dürfte auch 2025 wieder der Fall sein. Am 12. Dezember wissen wir mehr. Da befasst sich der Rat der Stadt mit dem Haushalt.
Jan