Liebe Kolleginnen und Kollegen,

während ich den Rechner hochfahre, kommt die Nachricht über WDR 5 im Radio und bei RP online, dass DB Cargo weitaus mehr Stellen abbauen möchte, als bisher angekündigt. Waren es Mitte des Monats noch 2.300 Stellen, die wegfallen sollten, davon weitere 400 in Duisburg, sind es am 08.12.24 5.000 Jobs bis 2029 [1]. Weniger Warenwirtschaft erfordert auch weniger Transport.

Kurz nach Redaktionsschluss im November schwirrte der angekündigte Stellenabbau bei Thyssen Krupp durch die Medien. 11.000 Jobs sollen bis 2030 abgebaut oder ausgelagert werden [2]. Der Standort Kreuztal-Eichen im Siegerland soll trotz schwarzer Zahlen geschlossen werden. Die Belegschaft hat die „schönen“ Neuigkeiten zum Jahresende aus der Presse erfahren müssen [3]. Das wären dann im Siegerland 600 Arbeitsplätze. Laut Wikipedia hatte der Gemeindeteil ­Kreuztal-Eichen am 31.12.21 3.049 Einwohner*innen [4]. Die wegfallenden Arbeitsplätze machen somit ca. ein Fünftel der Bevölkerungszahl in dem Stadtteil aus. Die komplette Gemeinde Kreuztal hatte zum Jahresende 2023 31.251 Bewohner*innen [5]. Da entsprechen die wegfallenden Arbeitsplätze dann ca. 2 Prozent der Bevölkerungszahl. Diese Berechnungen sollen euch nur veranschaulichen, welche Auswirkungen Werksschließungen in diesem Umfang für solche Regionen haben. Von der bevorstehenden Arbeitslosigkeit sind ganze Familien bedroht. Ich selber habe 2019 erlebt, wie ein Kollege in meinem Alter und zwei seiner Söhne von einer Werksschließung in Wülfrath betroffen waren. Wir wollen darüber aber den geplanten Stellenabbau von Thyssen Krupp in Duisburg nicht vergessen! Wer die TERZ regelmäßig liest, wird mitbekommen haben, dass unsere Nachbarstadt am Rhein momentan regelmäßig in der Presse erwähnt wird, weil es dort immer wieder zu Arbeitsplatzvernichtung kommt.

Folgelasten

Um euch zu veranschaulichen, was mit dem Jobverlust, gerade bei den „großen“ Firmen einhergeht, liste ich die wichtigsten Bestandteile der zusätzlichen Sozialleistungen auf, die wirklich ins Gewicht fallen. Einer der bedeutendsten Pfeiler dieser Leistungen ist die sogenannte Werksrente. Diese wird beim Austritt aus Firmen wie Ford, Mercedes, VW usw. nicht mehr weitergeführt. Die bestehende Anwartschaft wird eingefroren, da nicht mehr weiter eingezahlt wird. Dieser Verlust kann je nach Alter und Firma monatlich bis zu ca. 500 Euro ausmachen. Ehemalige Kolleg*innen bei Ford hatten bei Renteneintritt bis zu 800 Euro Werkrente on Top, bei einem früheren Austritt kann diese Zusatzrente gewaltig abschmelzen, teilweise auf nur noch 200 –      300 Euro. Ein wirklich schmerzhafter Verlust!

Dann gibt es die Sterbegeldkasse, auf die auch Werksrentner*innen Anspruch haben. Das sind im Todesfall bei Ford bis zu 4.000 Euro gewesen, für den oder die Ehepartner*in waren das 50 Prozent, also ca. 2.000 Euro. Auch diese Leistung fällt ersatzlos weg, sterben und beerdigen ist teuer! Außerdem stellen die Bigpointer nicht nur die Arbeitskleidung zur Verfügung, sondern reinigen diese auch. Eine gewaltige Kostenersparnis für den Privathaushalt, da auch die Waschmaschine geschont wird. Arbeitskleidung kann wirklich dreckig und mit Schmiermitteln, aggressiven Hydraulikölen, Metallstäuben und -spänen verunreinigt sein! Die persönliche Schutzausrüstung (PSA) haben alle Arbeitgeber*innen zur Verfügung zu stellen, aber es macht schon einen gewaltigen Unterschied, ob die Arbeitsschuhe von einem namhaften Hersteller, gut passend oder einem Billigheimer sind und einfach nur drücken. Das tägliche Duschen in der Firma und die damit einhergehende Kostenersparnis sollte auch nicht unterschätzt werden, gerade bei unseren gestiegenen Energiekosten. Da kommen schnell über 20 Euro im Monat zusammen.

Ganz zu schweigen von dem Lohnniveau. An den Stundenlohn, die Entgeltgruppe bei Ford etc. kommt mensch bei einem Arbeitsplatzwechsel nicht mehr ran. Dazu Urlaubs – und Weihnachtsgeld sowie eventuelle Sonderzahlungen, die wegbrechen. Der reale Lohnverlust kann in der freien Wirtschaft bis zu 10.000 – 15.000 Euro brutto im Jahr ausmachen. Da kann eine eventuelle Abfindung sehr schnell wegschmelzen.

Auf das subventionierte Kantinenessen, Kita-Plätze und weitere Vergünstigungen wollen wir nicht weiter eingehen.

Kein Ende abzusehen

Der Mittelstand in Deutschland wird gerade mit dem stumpfen Löffel rasiert, und es ist kein Ende abzusehen. Das beste Beispiel ist Bosch. Vor zwei Ausgaben war noch von Gehaltskürzungen die Rede. In der letzten Ausgabe waren es dann schon 5.500 Arbeitsplätze, die zur Disposition standen, jetzt befürchtet der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und Gesamtbetriebsratschef Frank Sell einen Stellenabbau von bis zu 10.000 Arbeitsplätzen [6]. Im Handelsblatt ist sogar von einem geplanten konzernweiten Abbau von mehr als 12.000 Stellen die Rede [7]. Parallel dazu hat Bosch gerade einen Teil seiner Produktsparte Gebäudetechnik an den Finanzinvestor Triton Partners verkauft. Betroffen sind 4.300 Arbeitsplätze an weltweit 90 Standorten [8]. Ich selber habe 2008 den Betriebsübergang an einen Finanzinvestor mitgemacht, ein halbes Jahr später war das Werk in Wülfrath insolvent.

Da wir gerade von Insolvenz reden, der Haushaltswarendiscounter KODI mit Hauptsitz in Oberhausen hat diese beantragt, da wissen wir noch nicht, wie es weitergeht [9].

Insgesamt steigen die Regelinsolvenzen kontinuierlich an. Ich zitiere das Statistische Bundesamt: „WIESBADEN – Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Oktober 2024 um 22,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Mit Ausnahme des Juni 2024 (+6,3 Prozent) liegt die Zuwachsrate damit seit Juni 2023 im zweistelligen Bereich.“ [10]

Aber nicht nur in der Automobil- und Stahlindustrie fallen Arbeitsplätze weg. Der angeschlagene Agrar- und Baustoffkonzern BayWa will 1.300 von insgesamt 8.000 Vollzeitarbeitsplätzen abbauen [11].

Wir haben also nicht nur eine Inflation, sondern auch eine gewaltige Rezession, die immer weiter um sich greift. Die Wirtschaftsleistung Deutschlands sinkt kontinuierlich um ca. 0,2 Prozent, erhofft wurde eine Steigerung um 0,3 Prozent [12]. Die Inflationsrate liegt gerade bei 2,2 Prozent [13].

Solange aber die Aufsichtsräte von Thyssen Krupp oder von Volkswagen keine Probleme damit haben, trotz Krise Dividenden an Aktionär*innen auszuschütten, kann die Lage nicht so schlimm sein [14].

Wenn mensch dann im Kino Werbung von Rheinmetall sieht und der Rüstungskonzern sichere Arbeitsplätze in Deutschland verspricht, dann kommt das Eiskonfekt wieder hoch!

Das war denn der vorläufige Jahresabschluss 2024, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Betriebsversammlung ist hiermit nur unterbrochen und wird 2025 weitergeführt.

Henry Ford

[1]  RP Online 08.12.24
[2]  WDR 1 26.11.24
[3]  WDR 1 25.11.24
[4]  Wikipedia
[5]  Wikipedia
[6]  FACTORY 11.12.24
[7]  Handelsblatt 11.12.24
[8]  Handelsblatt 12.12.24
[9]  Waltroper Zeitung 09.12.24
[10]  Destatis, Statistisches Bundesamt
[11]  Manager Magazin 04.12.24
[12]  tageschau.de 09.10.24
[13]  Destatis, Statistisches Bundesamt
[14]  Kommentar Anja Krüger, taz Printausgabe 28.11.24 Seite 12