RWE-Projekt in der Kritik

Neues zur Rheinwasser-Transportleitung RWTL

RWE will die Tagebau-Löcher mittels (nicht ganz sauberen) Rheinwasser zu Seen umgestalten und dazu eine gigantische Leitung bauen.
Dagegen erhebt sich jedoch immer neue Kritik. Und es kommt noch doller:
Über das Ganze soll Gras wachsen. Die Region Garzweiler bekam den Zuschlag für die Ausrichtung der internationalen Gartenausstellung 2037.

Update zur Rheinwassertransportleitung RWTL

Schönreden oder Verschweigen massiver Folgen – gehen begründete Bedenken baden? Aber es winkt ein „Leuchtturmprojekt mit internationaler Ausstrahlung“, die Internationale Gartenausstellung 2037.

In einem Informationszentrum am Rande des Braunkohletagebaus Hambach stellte der Energiekonzern RWE am 18.11.24 im Rahmen eines Bürgerforums den Anwohnenden der Kommunen rund um den Tagebau Hambach, wie Kerpen, Elsdorf, Jülich, Niederzier, Titz und Merzenich, seine Pläne vor: RWE will die bis zu 400 Meter tiefen Tagebau-Löcher ab 2030 mit Wasser aus dem Rhein befüllen und sie zu den größten Seen Deutschlands machen. Hierfür fehlt dem Energiekonzern noch die wasserrechtliche Genehmigung, beantragt ist sie bereits. Damit möglichst nichts mehr baden geht, will RWE die Anwohnenden ins Boot holen und ihnen die wahrscheinlich erst in den 2070er Jahren vollständig gefüllten Riesenseen schmackhaft machen. Der Energiekonzern plant den Beginn der Bauarbeiten im Frühjahr 2025.

Doch die Bürger*innen aus den umliegenden Gemeinden sehen das geplante Mega-Projekt bei weitem nicht nur positiv. Das Rheinwasser enthält jede Menge Schadstoffe wie Rückstände von Arznei- und Pflanzenschutzmitteln und andere Stoffe, auch sogenannte Ewigkeitschemikalien wie PFAS, in wechselnder Konzentration. Trotzdem sind geeignete Filteranlagen in den Planungen von RWE bisher nicht vorgesehen. Nicht nur diese Verunreinigungen, sondern auch die stark schwankenden Pegelstände des Rheins, besonders im Hinblick auf den Klimawandel, sehen viele sehr kritisch. Außerdem besteht die Gefahr, dass Trinkwasserbrunnen unbrauchbar werden, eine in besonderem Maße erschreckende Gefahr. RWE behauptet, das Rheinwasser habe eine gute Qualität, was immer das heißen mag. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens durch die zuständige Bezirksregierung Arnsberg wird das geprüft werden.

Bedenken zum Projekt

Das Wasserbündnis Rheinisches Revier erhob gegen den Genehmigungsantrag am 3.11. massive Einwände, die im Folgenden zusammengefasst sind.

Unklarheiten über die Beantragung des gesamten Projektes und rechtliche Bedenken

Aus dem Antrag ist nicht klar ersichtlich, was die RWE Power AG beantragt. Der Titel des Antrags lässt vermuten, dass es um den Bau der RWTL geht. Die beantragten Genehmigungen beziehen sich sehr häufig auf wasserrechtliche Themen. Die angefügten Dokumente enthalten dann die Bauabschnitte der Pipeline. Sollte ein Genehmigungsverfahren in diesem relevanten Ausmaß nicht konkreter und für Außenstehende klar verständlich sein? Zumal für die Genehmigungen in unterschiedlichen Bereichen sicherlich auch Beantragungen bei unterschiedlichen Behörden nötig sind. Des Weiteren stellt sich die Frage, warum die Bergbaubehörde für wasserrechtliche Genehmigungen zuständig ist? Insbesondere ergeben sich folgende Problemlagen:

Die Teilgenehmigungen zum Bau der RWTL und der Wasserentnahme bei Dormagen werden beantragt, ohne die wasserrechtliche Genehmigung zur Einleitung des Rheinwassers in die Tagebaue und die Feuchtbiotope Schwalm/Nette gleichzeitig mit zu beantragen. Durch diese Vorwegnahme werden wieder Sachzwänge geschaffen, die letztendlich zur Einleitung des Rheinwassers in die Braunkohlegruben und die Schutzgebiete führen.

Das Verlegen einer Rohrfernleitung unterliegt normalerweise der Rohrfernleitungsverordnung. Warum darf RWE hier eine Genehmigung nach Bergrecht beantragen? Bislang ist nur eine Entnahme und Einleitung nach Bergrecht möglich, die Leitungen selbst sind durch kommunale Entscheidungen zu genehmigen. Nach unserer Auffassung darf es erst ein gemeinsames Genehmigungsverfahren zur Entnahme und Einleitung geben, wenn alle Probleme und Gefahren, die im Kontext stehen, zusammen gesehen werden.

Ausstehende wissenschaftliche Gesamtbetrachtung des Landschaftswasserhaushalts

Das Land NRW ist sehr stark betroffen von großen wasserwirtschaftlichen und technischen Herausforderungen, die sich sowohl auf die Bausubstanz, die Landwirtschaft und die Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser auswirken. Linksrheinisch gibt es riesige Sümpfungsgebiete durch den Braun- und Steinkohleabbau, Salzbergwerke sowie Veränderungen des Grundwasserspiegels durch den großflächigen Kiesabbau. Zwischen diesen Standorten zeigen sich unerklärliche Grundwasseranstiege. Ohne eine Gesamtbetrachtung darf nicht weiter in den Wasserhaushalt der Region eingegriffen werden. Schließlich hat das Rheinische Revier durch die Sümpfungsmaßnahmen ein Grundwasser-Defizit von 20 Milliarden Kubikmetern Wasser. Laut einer Untersuchung verliert Deutschland im globalen Ranking das meiste Wasser (Grace Mission des Global Institute for Water Security 2020).

Verzug bei der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die schon in 2015 umgesetzt sein sollte und es immer noch nicht ist

Da das Rheintal sehr eng verbunden ist mit den Wassersystemen der Niederlande, muss diese Europäische Richtlinie unbedingt und unverzüglich umgesetzt werden.

Gefährdung der Natur durch den Bau der RWTL

Zum Bau der RWTL wird ein ca. 70 Meter breiter und 43 km langer Streifen als Bauplatz für die Trasse benötigt, Biotope müssen durchschnitten, Bäume gefällt und grundwasserführende Schichten durchtrennt werden. Zu errichtende Gebäude, vor allem das Entnahmebauwerk, dringen tief in den Grundwasserkörper ein. Die Folgen sind nicht ausreichend untersucht.

Qualität des Rheinwassers

Das Rheinwasser enthält gesundheitsgefährdende Stoffe und Gifte, diese haben auch in geringen Konzentrationen nichts in den zukünftigen Seen und Naturschutzgebieten zu suchen. Es ist keine entsprechende Reinigungsstufe vorgesehen, um den Schadstoffeintrag ins Ökosystem zu vermeiden, dies muss umgehend vor einer Genehmigung eingeplant werden.

Durch das fließende Wasser entsteht ein Abrieb der Kunststoffbeschichtung der wasserführenden Leitungen, wodurch Mikroplastikpartikel in den See gespült werden. Auch das darf nicht geschehen. Des Weiteren kann durch die geringe

Verlegetiefe bzw. Überdeckung der RWTL in landwirtschaftlich genutzten Flächen durch das Überfahren mit landwirtschaftlichen Großgeräten, die bis zu 50 Tonnen wiegen, eine Beschädigung eintreten.

Befüllungsdauer und Quantität des Rheinwassers

Der Klimawandel wird uns stark schwankende Niederschlagsmengen bringen. Dadurch wird die Entnahmemenge aus dem Rhein erheblich von den Planungen abweichen. Das Abschmelzen der Gletscher wird sehr stark dazu beitragen, dass weniger Rheinwasser zur Verfügung steht, nach ­Schätzungen des Glaziologen Andreas Wagner ist die Quelle des Rheins, der vom Gletscherwasser lebt, in 30 bis 40 Jahren versiegt. Auch die Bedürfnisse der Schifffahrt sowie die Trinkwasserge­winnung in den Niederlanden müssen berücksichtigt werden. Bei geringerem Rheinwasserstand strömt viel mehr Meerwasser in den Mündungstrichter der großen Flüsse und versalzt dadurch die Trinkwasserbrunnen, die dort hauptsächlich Uferfiltrat ziehen. Expert*innen gehen davon aus, dass wesentlich weniger als die geplanten 18 Kubikmeter Wasser pro Sekunde entnommen werden können. Das Thema der Verdunstung wird nur an einer Stelle in einer Matrix erwähnt, aber nicht weiter untersucht oder quantifiziert. All das gibt Grund zur Sorge, dass diese Löcher eher nie als in optimistisch prognostizierten Jahrzehnten voll Wasser sein werden, nachgebesserte Zeitangaben sprechen von 70 Jahren. Aber auch das wird zu kurz sein.

Zu erwartende Qualität des ­Seewassers

In den Gruben lagern große Mengen an Schadstoffen, vor allem auch das Säure bildende Pyrit. Geplant ist zwar eine Überdecken dieser Schicht mit einer immens großen Kalkmenge, aber es ist unbestritten, dass sich am Grund des Sees eine so genannte Todeszone vor allem aus giftigen Bestandteilen im Erdreich und entstandener Schwefelsäure bildet. Aufgrund der größeren Dichte der Säure und der anderen Schadstoffe besteht zwar die berechtigte Hoffnung, dass mit den oberen Schichten des Sees kein Austausch stattfinden wird, aber das Wasser wird in die umgebenden Böschungen hinein diffundieren und seine giftige Fracht ins austretende Grundwasser hineintragen. Ob die Seewasserqualität in absehbarer Zukunft eine Freizeitnutzung mit Wasserkontakt zulässt, ist sehr zu hinterfragen. Auch das aufsteigende Grundwasser reagiert mit dem oxidierten Pyrit zu Schwefelsäure und trägt diese mit nach oben.

Wie gerade beschrieben, versauert teilweise auch das Grundwasser, und damit werden im Laufe der Zeit fast alle Trinkwasserbrunnen rund um die Tagebaue unbrauchbar. Außerdem wird sich als zweites Verwitterungsprodukt des Pyrits in großen Mengen Ocker bilden, dessen Entfernung aus dem Wasser und Entsorgung an keiner Stelle mitgeplant wurde. Eine zusätzliche Gefährdung entsteht durch die Mobilisierung von Altlasten aus den Böschungsbreichen bei steigendem Grundwasser und dessen Verschmutzung. Die Verfüllung der Naturgebiete mit ungeeignetem Wasser wirkt sich auch auf die Trinkwasserqualität aus. Das nach einem Urteil des EuGH (Rs. C.535/18) geltende Verschlechterungsverbot für Grundwasser wird missachtet. Wasser ist das elementar lebenswichtigste Gut und wird hier in unverantwortlicher Weise gefährdet.

Untersuchung der Möglichkeiten anderweitiger Verfüllung

Der ursprüngliche Konsens bezüglich der Planung ging anfänglich von EINEM Restsee aus, der nach der fortdauernden Verfüllung des Abraums bleiben würde, nicht von DREI gigantischen Seen. Daher muss eine unabhängige Prüfung erfolgen, die mindestens das Verfüllen der Innenkippe der Sophienhöhe und außerdem die Möglichkeit der Verfüllung der Außenkippe der Sophienhöhe im Hambacher Tagebau zum Inhalt hat. Bis zu deren Ergebnis müssen die Planung und der Bau der RWTL gestoppt werden. Leider ist zu befürchten, dass die Außen- und Innenkippe der Sophienhöhe mit kontaminierten Materialien belastet sind, die erst recht nicht in den See gelangen dürfen.

Gefährdung der Feuchtgebiete

Ein Teil der Rheinwassers soll, bis die Füllhöhe des Garzweiler Tagebaus erreicht wird, direkt in die Feuchtgebiete Schwalm/Nette geleitet werden, um diese zu erhalten. Danach soll die Niers aus dem Überlauf des Garzweiler-Sees durch den sogenannten Nierscanyon gespeist werden. Durch beide Einspeisungen werden oben schon beschriebene Schadstoffe in diese Biotope gelangen und schlimmstenfalls das Grundwasser kontaminieren.

Weitere Gefährdungen durch die angedachte Trinkwasserleitung aus dem Biensheimer Feld nach Mönchengladbach und andere Orte

Wie bei der RWTL werden auch beim Bau dieser Trinkwasserleitung Biotope und Grundwasserschichten durchschnitten. Die Auswirkungen auf die Grundwasserzone in Rhein-Maas-Niers-Gebiet werden nicht untersucht. Geplant ist außerdem die Entnahme von Rheinuferfiltrat. Fraglich ist, ob das Rheinuferfiltrat wegen der Folgen des Klimawandels in ausreichender Menge zur Verfügung stehen wird und ob seine Qualität bei sinkenden Rheinwasserständen und den damit zu erwartenden höheren Schadstoffkonzentrationen zu Trinkwasser verarbeitet werden kann.

Soweit die stattliche Menge an Bedenken, es gibt noch mehr, die auch in ähnlicher Form auf der Homepage des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz) zu finden sind. Diese müssen nach Ansicht des Wasserbündnisses und vieler Menschen aus dem Umfeld des Tagebaugebietes erstmal ausgeräumt werden. Wie wir in der TERZ 11.24 berichtet haben, hat RWE bereits Fakten geschaffen und schon im Oktober mit Rodungsarbeiten für die Trasse begonnen.

„Leuchtturmprojekt mit internationaler Ausstrahlung“

Seit ein paar Tagen steht fest, dass die Region um Garzweiler den Zuschlag zur Ausrichtung der Internationalen Gartenausstellung (IGA) 2037 erhalten hat. Im Laufe des Jahrs 2024 stimmten die Verbandsversammlung des Zweckverbandes LANDFOLGE Garzweiler sowie die Räte der Mitgliedskommunen der Bewerbung zu. Auch das Land NRW, die Region Köln-Bonn e. V. sowie die RWE Power AG unterstützten das Großprojekt.

Von großem Potenzial, mindestens 1,8 Millionen zu erwartenden Besucher*innen, einem Wachstumsschub für den Strukturwandel sowie die Wiederbelebung der Tagebaulandschaft wird geschwärmt, in einem Raum, der nach Jahrzehnten der Nutzung für den Kohlebergbau eine neu geschaffene, einzigartige Geländebeschaffenheit besitze, so wird die Mondlandschaft ­angepriesen. Eine blumige Umschreibung für das massiv zerstörte Gebiet, die Hinterlassenschaften der Ausbeutung der Natur. Harald Zillikens, Verbandsvorsteher des interkommunalen Zweckverbands und Bürgermeister von Jüchen, freut sich „außerordentlich” über den Zuschlag für die IGA, die positive Impulse in eine Region bringe, die sich nach vielen Jahrzehnten des Braunkohle-Tagebaus wieder neu erfinden müsse. Auch die nötige ­Infrastruktur an den Ufern der entstehenden Seen soll durch die IGA realisiert werden. Befüllung ab 2036, IGA 2037. Mehr als ein Papierschiffchen wird aller Voraussicht nach 2037 nicht auf dem See schwimmen. Dafür soll das „spektakulärste Projekt” eine Seilbahn darstellen, die direkt ins Tagebauloch fährt und die Besucher*innen hautnah dessen Befüllung mit Wasser aus dem Rhein erleben lassen soll. Was für ein grandioses Spektakel!

Rund 300 Millionen Euro stehen in den kommenden Jahren für verschiedene Projekte im Rahmen der IGA bereit. Die umliegenden Kommunen werden jedoch auch zur Kasse gebeten werden, denn was sind schon 300 Millionen? Die Eintrittsgelder sowie die Förderung der Landesregierung zu rund 90 Prozent werden bei weitem nicht zur Finanzierung ausreichen. An den Kommunen bleibt ein stattlicher Rest hängen, möglicherweise sogar ein Millionen-Geldgrab.

TEXT: Christine
GRAFIK & Bild: Sven