TERZ 02.25 – NACHRUF
Bernd Füllner hatte 2010/11 die Freiligrath-Ausstellung im Heine-Institut kuratiert, ich für die TERZ eine Rezension geschrieben, die mit Versen aus Freiligraths Gedicht „Die Todten an die Lebenden“ endete: „O, steht gerüstet! seid bereit! o, schaffet, daß die Erde,/ Darin wir liegen strack und starr, ganz eine freie werde!“(TERZ 02.11) Hans vom BiBaBuZe vermittelte einen Kontakt und Bernd erklärte sich sofort zu einer Veranstaltung in der Buchhandlung bereit. Bernd trug Verse von Heine, ich von Freiligrath vor, am Cello: Friederike Lisken. So lernte ich ihn kennen: spontan für Neues aufgeschlossen. Sonntagvormittags kickte Bernd regelmäßig mit Hans und anderen. Zuweilen ließ er sich auch in der Fortuna-Fankurve blicken. Bernd lehrte an der Bergischen Universität Wuppertal, an der Heine-Uni in Düsseldorf und in Paderborn. Zu seinen zahlreichen Veröffentlichungen zählen vor allem Aufsätze und Bücher über Georg Weerth, den Autor und Feuilletonredakteur der Neuen Rheinischen Zeitung. 2011 wurde Bernd zum Vorsitzenden des Forum Vormärzforschung e.V. gewählt, zu dessen Mitbegründern er 1994 zählte. Gemeinsam mit Wolfgang Lukas etablierte er die „Junge Vormärzforschung“ an der Bergischen Universität, eine alljährlich stattfindende Tagung, bei der Doktorand*innen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen – Literatur-, Geschichts- und Politikwissenschaft, Jura, visuelle Erinnerungskultur – referierten. Er zählte auch zu dem Team, das die Kritische Düsseldorfer Heine-Gesamtausgabe – ergänzt durch die in Kooperation von Weimar (DDR) und der Editions du CNRS, Paris, erarbeitete Heine-Säkularausgabe – ins Netz stellte. Dieses „Heine-Portal“ ist für mich ein unentbehrlicher Werkzeugkasten, um immer wieder was über Heine zu finden, das über die Standards „Denk ich an Deutschland in der Nacht“ oder „Wo man Bücher verbrennt …“ hinaus geht.
In der Ausstellung „Im Herzen trag ich Welten“ hatte Bernd vor vierzehn Jahren die ganze Widersprüchlichkeit von Freiligrath herausgearbeitet. Und immer war – wenn auch nur zwischen den Zeilen – ein Bezug zu Aktuellem herauszulesen. Kaum zu glauben: Schon 1843 ging’s um die „Kriegstüchtigkeit“ Deutschlands. In „Flottenträume“ ließ Freiligrath eine deutsche Tanne träumen, Kriegsmast zu werden, um „stolz die junge Flagge“ zu tragen: „Dann wär‘ ich Fähnrich, ha! wo Mann an Manne/Blutrünst‘ge Krieger deutsche Seeschlacht schlagen […].“
Bernd bereitete es eine geradezu diebische Freude, im BiBaBuZe Heines jeweilige bissige Replik aufs Freiligräthsche (National-)Pathos vorzutragen, z.B. in „Unsere Marine“ – Heines 1844er Gegenrede in Versen auf Freiligraths Flottenbau-Phantasterei:
Gar mancher, der früher nur Tee genoß
Als wohlerzogner Ehmann,
Der soff jetzt Rum und kaute Tabak,
Und fluchte wie ein Seemann.
Seekrank ist mancher geworden sogar,
Und auf dem Fallersleben[1],
Dem alten Schiffprügel, hat mancher sich
Gemüthlich übergeben.
Thomas Giese
[1] In Freiligraths „Flottenträume“ sind die Fregatten nach deutschen Geistesgrößen benannt: Humboldt, Goethe, Schiller. Im Gegenzug lässt Heine in „Unsere Marine“ die ins Deutsch-Nationale abdriftenden Politpoet*innen zu Wasser: ein „Kutter Freiligrath“ schaukelt da auf den Wellen und „Birch-Pfeiffer, eine Brigg/ [...] trug am Fockmast das Wappen/ Der deutschen Admiralität/ Auf schwarz-roth-goldnem Lappen.“ Eins der Schiffe hatte Heine auch auf den Namen des Dichters unserer Nationalhymne getauft.