TERZ 03.25 – LAUSIGE ZEITEN
Ende 2023 haben Bundestag und Landtag die Einführung einer Bezahlkarte für die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beschlossen. Im Dezember 2024 regelten Landtag und Landeskabinett im Rahmen einer Verordnung die Umsetzung für NRW. Darin wurde von der schwarz-grünen Landesregierung eine Opt-Out-Regelung festgelegt, was bedeutet, dass eine Stadt oder Gemeinde abweichend beschließen kann, die Bezahlkarte nicht einzuführen.
In Düsseldorf beantragten die Ratsfraktionen von GRÜNEN, SPD, Die LINKE und Die PARTEI-Klima-Fraktion, diese Opt-Out-Regelung zur Bezahlkarte für Geflüchtete in Anspruch zu nehmen.
Der Rat stimmte am 6.2. namentlich darüber ab. Ergebnis: 44 Ja-Stimmen der Antragsteller-Parteien, gegenüber 37 Nein-Stimmen der Bezahlkarten-Befürworterinnen CDU, FDP und AfD. Damit kommt die Bezahlkarte in Düsseldorf nicht.
CDU, FDP und AfD fanden die bundeseinheitliche Lösung gut und drängten auf die Einführung mit der Begründung, Missbrauch müsse unterbunden werden, die Bezahlkarte sei „sozial, solidarisch und verantwortungsvoll”. Die Antragssteller hingegen verwiesen auf die mit der Bezahlkarte verbundene Diskriminierung und Stigmatisierung für geflüchtete Menschen. Die von den Befürworter*innen angepriesenen Vorteile und angeblichen Wirkungen auf zukünftiges Fluchtverhalten seien „unsäglich“. Eine Einführung in Düsseldorf sei keine Vereinfachung oder Verbesserung für die Geflüchteten oder für die Stadtverwaltung, da aktuell nur eine Minderheit der Menschen ihre Bezüge in bar erhielten. Bei fast allen würden die Leistungen auf eigene Basiskonten gehen. So könnten sie frei über ihr Geld verfügen sowie Angebote in allen Geschäften oder online nutzen. Außerdem müssten sie bei der Verlängerung ihrer Bezüge beim Amt ihre Kontoauszüge vorlegen, wodurch eine Kontrolle über Missbrauch gegeben sei.
Außer Düsseldorf führen weitere NRW-Städte die Bezahlkarte nicht ein und machen von der Opt-Out-Regelung Gebrauch. In Köln ist das Bündnis aus CDU, Grünen und Volt noch uneinig, Duisburg entschied schon 2024 contra Karte, ebenso Aachen, Dortmund, Krefeld und Münster. Eine konkrete Zahl, wie viele Kommunen es insgesamt werden, sei noch nicht abschätzbar, hieß es aus dem NRW-Fluchtministerium von Josefine Paul (Grüne) Anfang Februar.
Düsseldorf ist um eine fragwürdige Kuriosität ärmer: Die als Kampfkunstschule deklarierte Zweigstelle des „Königreichs Deutschland” (KRD) hat sich von der Kreuzstraße gen Sachsen verabschiedet. Knapp 13 Jahre wurde Düsseldorf mit der KRD-Filiale, die „Freigeist, Respekt, Charakter“ sowie „Innere Stärke“ und „Selbstführung“ verhieß, beehrt. „Zutritt nur für Staatsangehörige des Königreichs Deutschland“ stand am Eingang der Räumlichkeiten in Düsseldorf-Stadtmitte, die inzwischen verlassen sind. Über die Reichsbürger*innen in Düsseldorf berichteten wir bereits in der TERZ 02.23.
Die KRD-Betreibenden namens „Campus Concept“ warben in ihrem Schaufenster offen damit, ein „Betrieb in einem Fantasiestaat” zu sein. Sie böten ihre Kung-Fu- und Zen-Kurse laut der Website des „Königreichs“ auch weiterhin an, nun allerdings in Halsbrücke, einer 5000-Seelen-Gemeinde in Sachsen, berichtete die RP. Dort befinden sich die Nicht-Staatsbürger*innen in bester Gesellschaft: Sachsen bringt es laut MDR auf 3.100 Reichsbürger*innen.
Der Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ zufolge bestehe das „Deutsche Reich” in seinen Grenzen der 1930er Jahre fort. Die Bundesrepublik Deutschland sei kein souveräner Staat, sondern wird häufig als GmbH bezeichnet. Somit erkennen die Reichsbürger*innen weder das geltende Recht noch das staatliche Gewaltmonopol an. Sie bilden fiktive „Regierungen” und begehen immer wieder Widerstandshandlungen gegen Beamt*innen. Der Kern der Reichsbürger*innen-Ideologie mit dem Bezug auf das Deutsche Reich in den Grenzen der 1930er Jahre sei eindeutig rechtsextremistisch, so definiert die Polizei NRW in einem Artikel von 2018 die gefährlichen Sonderlinge.
Die Geschichte der KRD ist todernst und brandgefährlich. Zahlreiche Verbrechen gehen laut Polizei und NRW-Landesregierung auf das Konto von Anhänger*innen dieser Szene. Eine Erleichterung also für Düsseldorf, die Reichsbürger*innen los zu sein. Zumindest ihre Dependance auf der Kreuzstraße.
Eine Teillegalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen wird es in Deutschland auf absehbare Zeit nicht geben. Der Rechtsausschuss des Bundestages debattierte dazu am 10.2. – ohne Ergebnis. In der TERZ 05.24 haben wir uns ausführlich mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch befasst, erst ein paar Monate her, da gab es noch begründete Hoffnung auf eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts. Die öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses dazu endete am 10.2., ohne dass eine weitere Sitzung angesetzt wurde, die nötig gewesen wäre, um das Gesetz noch am 11.2., an dem die letzte Bundestagssitzung vor der Wahl stattfand, im Plenum zur Abstimmung zu bringen. Zur Diskussion stand ein Gesetzentwurf von SPD, Grünen und Linken, der Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren und den Paragrafen 218 weitgehend abschaffen wollte. CDU und FDP, bei der im Vorfeld unklar gewesen war, wie sie sich positionieren würde, lehnten den Entwurf ab. Die Initiatorinnen Ulle Schauws (Grüne) und Carmen Wegge (SPD) zeigten sich enttäuscht, bot doch der von 328 Abgeordneten unterzeichnete Gruppenantrag in ihren Augen eine ausgewogene, moderate und konsensfähige Lösung. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Abbrüche in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft rechtmäßig sind, Krankenkassen die Kosten übernehmen und die derzeit geltende Wartepflicht von drei Tagen zwischen Beratung und Abtreibung wegfällt. Die Beratungspflicht bliebe bestehen. Regelungen für Abbrüche nach drei Monaten sollen aus dem Strafgesetzbuch ins Schwangerschaftskonfliktgesetz verlagert werden. Paragraf 218 würde nur noch den Schutz vor nicht selbstbestimmten Abbrüchen regeln. Nun bleibt erstmal, vor allem in Hinblick auf das zu erwartende Ergebnis der Bundestagswahlen, alles beim Alten. CDU und AfD sind sich darüber einig. Quelle: TAZ 11.2. Wer sich genau informieren möchte, dem sei der Artikel empfohlen: Keine Reform von Paragraf 218
Die Stadt will die Drogenszene am Worringer Platz zum Umzug bewegen und hat als neues Quartier ein Teilstück des Bertha-von-Suttner-Platzes hinter dem Hauptbahnhof auserkoren. Damit erkennt sie zum ersten Mal wirklich an, dass die Abhängigen irgendwohin müssen und einen Aufenthaltsort brauchen. Vorher hat der Ordnungs- und Service-Dienst (OSD) sie zumeist nur von A nach B verschoben. Der Leiter der Drogenhilfe, Michael Harbaum, begrüßt den Schritt dann auch: „Ich sehe das als große Chance.“ Allerdings mahnt er Schnelligkeit an. Während das vom Rathaus ins Leben gerufene Projekt „Sicherheit im Bahnhofsumfeld“ (Sibu) nämlich schon mal Hand an den Worringer Platz anlegt, ist das Neue noch nicht in Sicht. Es dürfe kein Vakuum entstehen, warnt Harbaum deshalb. Zudem mahnt er eine attraktive Gestaltung an. „Wenn es gelingt, eine echte Alternative zu entwickeln, könnte das den Worringer Platz entlasten“, so der Sozialpädagoge. Das dürfte allerdings nicht konfliktfrei verlaufen. Diskussionen darüber, ob eine allzu ansprechende Möblierung, vielleicht sogar mit einer Toilettenanlage, nicht Anreize darstellen können, die Drogennutzer*innen in großer Zahl anlocken, stehen zu erwarten.
Am Worringer Platz lässt die Stadt derweil keinen Stein auf dem anderen. So hat sie den Pizzeria-Pavillon abgerissen. Auch die aus Glasbausteinen gefertigten Bänke mussten dran glauben, um eine „bessere Einsehbarkeit“ zu schaffen und „weniger Rückzugsmöglichkeiten“ zu bieten. Dazu dient auch eine hellere Beleuchtung des Platzes. Das Glashaus, in dem früher Ausstellungen stattfanden, verschwand schon vor einem halben Jahr. Aber auf Kunst setzen Oberbürgermeister Stephan Keller & Co. nach wie vor. Nun soll sie die vielen leeren Ladenlokale bespielen und „die Entstehung kreativer Räume“ befördern.
Parallel dazu erhöht die Polizei mit Betretungsverboten den Druck. Zudem identifizierte sie eine besondere Problemgruppe: die „Störer“. „Wir wollen die Gewalttäter rausbekommen“, erklärt der leitende Polizeidirektor Thorsten Fleiß. Das greift allerdings arg kurz, denn das eigentliche Problem stellen die neuen Drogen dar, die schneller und kürzer wirken und aggressiv machen. Dafür hat allerdings noch niemand eine Lösung.
Zum Start der Rodungssaison im Oktober 2024 wurde das Sündenwäldchen, ehemals Teil des Hambacher Waldes, von Aktivistis besetzt. Das noch zum Jahreswechsel circa sechs Hektar große Sündenwäldchen steht RWEs Plänen, im Bereich der Manheimer Bucht Sand und Kies zu fördern, im Weg und wird zurzeit dem Erdboden gleichgemacht. Am 3. Januar 2025 reichte der BUND NRW beim Oberverwaltungsgericht in Münster eine Klage mit Eilantrag gegen den Braunkohletagebau Hambach ein mit dem Ziel, die Rodung aufzuhalten. Die Hoffnung war, zentrale Biotopverbundstrukturen für den umliegenden Hambacher Wald und der Steinheide zu erhalten, auch um den dort lebenden gefährdeten Tieren ihren Lebensraum zu sichern.
Am 28. Januar wurde die Klage abgelehnt, und bereits am 29. Januar, gegen 8 Uhr morgens, rückte RWE mit hunderten Securities, dicht gefolgt von Rodungsmaschinen, zum Sündenwäldchen aus. Circa zweieinhalb Stunden später trafen die ersten Polizeifahrzeuge ein, und keine 30 Minuten später fielen unter dem dröhnenden Lärm der Kettensägen die ersten Bäume. Bis zum Sonnenuntergang dauerte der Kahlschlag. Begleitet wurde die Zerstörung der Natur von Schikanen der Securities gegenüber den Aktivistis.
Am nächsten Morgen begann dasselbe Szenario von vorn, wobei die Polizei nur noch vereinzelt vor Ort war, bis zum Mittag rückte sie fast vollständig ab. Die Provokationen der Securities sowie die Rodungsarbeiten gingen ununterbrochen bis zum Abend weiter und starteten am nächsten Tag, dem 31. Januar, erneut. RWEs „Schlägertrupp“ wütete an diesem Tag komplett ohne Begleitung der Polizei. Zwei Aktivistis berichten, dass sie am Morgen zeitgleich mit den Securities am Wald eintrafen und mit Gewalt daran gehindert wurden, den Wald zu betreten. Die Übergriffe begannen mit Schubsen und endeten mit Tritten gegen Kopf und Rücken sowie einem Faustschlag ins Gesicht. Im Krankenhaus wurden später eine Gehirnerschütterung, Zerrungen, Prellungen und Kratzwunden festgestellt. Die Gewaltexzesse des „Schlägertrupps“ wurden an diesem Tag weder von der Polizei noch von der Presse beachtet.
Die Bilanz nach drei Tagen Rodungsarbeiten: Nur noch eine lichte Fläche von rund 3000 Quadratmetern des Waldes steht. Diese wird von Aktivistis in ihren Baumhäusern besetzt und geschützt. Um die verbliebenen Bäume herum liegen unzählige gefällte Bäume, die aktuell täglich zu immer größer werdenden Haufen Holzkonfetti geschreddert werden.
Die Manheimer Bucht steht im Zusammenhang mit RWEs Plänen, die Tagebaue nach der Braunkohlegewinnung mit Rheinwasser zu fluten. Wieso das sehr kritisch zu sehen ist, haben wir bereits in den Ausgaben TERZ 11.2024 und TERZ 01.2025 berichtet.