TERZ 03.25 – MUSIC
Diesmal bleiben wir erst einmal in Düsseldorf, ist doch das neue Album AS IF von Miki Yui endlich über Hallow Ground (Schweiz) veröffentlich worden. Geplant war AS IF eigentlich für Anfang September letzten Jahres, aber Schwierigkeiten im Presswerk haben die Veröffentlichung leider immer weiter nach hinten geschoben. Umso erfreuter waren wir, als Miki Yui sich bei mir meldete und uns persönlich Ende Januar eine Kopie reinreichte.
The Wire[1] und der Boomkat[2] Mailorder haben schon vor uns reingehört und sind voll des Lobes. Miki Yui hat den Sound selber in ihrem MY Studio in Düsseldorf gemixed. „Unser“ alter Bekannter Detlef Funder hat das Mastering in seinem Paraschall Studio übernommen. Der Vinyl Cut wurde von Loop-O aka Andreas Lubich in seinem Berliner Studio gemacht. So viel zu den Eckdaten. Auch wir möchten uns den internationalen Lobeshymnen nur anschließen. Bei einem Besuch des Amazonas-Regenwaldes 2018 stellte Miki Yui fest, dass die Klänge des Waldes die Musik, die sie zwei Jahrzehnte lang gemacht hatte, widerspiegelten „Finding that the sounds in the rainforest both shadowed and echoed the music she had been making for two decades (…)“. Die klangliche Vielfalt von AS IF erschließt sich besonders mit Kopfhörer ohne ablenkende Geräuscheinflüsse von außen! Wir werden beim Hören in unserem Oberbilker Wohnzimmerpalmengarten wirklich in den Regenwald hineinversetzt: die drückende, schwüle Luft, eine Geräuschkulisse, die das Rufen, Grillen, Fiepen, Klopfen, Zischen und Zirpen der von Leben wimmelnden Umgebung wiedergibt. Wir fühlen förmlich, wie Ameisen, Käfer, Skorpione, Tausendfüßler, Spinnen und Glühwürmchen über uns krabbeln, der Wind durch das üppige Grün rauscht, die Blätter dazu rascheln und der tropische Regen einen unablässigen, beständigen Rhythmus dazu produziert. Ja, das Warten hat sich gelohnt!
The Wire: „Miki Yui knows how to get you listening“
Für Liebhaber*innen sonorer Stimmen wie die von Nick Cave und Leonhard Cohen, empfehlen wir das neue Album von Chris Eckman. Nachdem wir uns in der TERZ 09.21 schon dem Album Where The Spirit Rests gewidmet haben, kommen wir nicht drumherum, euch die 2025er Veröffentlichung The Land We Knew The Best vorzustellen. Die Songs auf TLWKTB widmen sich jedoch nicht mehr den verwahrlosten Landschaften des amerikanischen Westens, sondern sind durch seinen Aufenthalt in Ljubljana, Slowenien geprägt. Chris Eckman hat dort mehrere Jahre gelebt und sich davon in textlich und auch atmosphärisch beeinflussen lassen. Die Musik ist liebevoller, wärmer, einfach versöhnlicher. Alle Aufnahmen sind in und um Ljubljana entstanden. CE wurde von lokalen Musiker*innen unterstützt wie zum Beispiel von Andraž Mazi an der Pedal Steel Gitarre, Ana Kravanja an der Violine oder Jana Beltran, die zum Duett-Singen vorbeikam. Die Rhythmusfraktion, bestehend aus Žiga Golob (Bass) und Blaž Celarec (Schlagzeug), ist seit Jahren mit ihm auf Tour und unterstützt ihn auch regelmäßig im Studio. Wie schon bei Where The Spirit Rests stand Alastair McNeill[3] am Mischpult. Dieser wiederum hat London den Rücken gekehrt und wohnt schon seit Längerem in Ljubljana. Das Leben in Europa scheint auch den umtriebigen Walkabouts-Sänger Eckman inspiriert zu haben. Hört in The Land We Knew The Best auf jeden Fall rein! (Glitterhouse Records)
Eine absolute positive Überraschung war dann das „neue“ Kim-Deal-Album Nobody Loves You More, wie die Pixies oder die Breeders auf 4AD erschienen. So essentiell in unseren Augen der erste „Run“ der Pixies oder die ersten beiden Alben der Breeders waren, haben uns doch die Ergebnisse beider Band-Wiedervereinigungen nie abgeholt! Als dann die Ankündigung durch die Presse ging, dass KD nach knapp 40 Jahren im Music Biz ihr erstes Soloalbum veröffentlichen wird, hielt sich die Begeisterung deswegen erstmal in Grenzen. In diesem Fall lohnt es sich! Ältere Aufnahmen aus dem Jahr 2011 bis zu der letzten Zusammenarbeit mit Steve Albini im November 2022 werden auf Nobody Loves You More versammelt. Die Songs sind sehr persönlich, es werden zum Beispiel die Winterferien mit den Eltern oder die Demenzerkrankung der Mutter behandelt (Are You Mine). Musikalisch ist NLYM schon unverkennbar ein Kim-Deal-Album, aber so dröge die Reunion-Alben der beiden Hauptbands waren, so frisch kommt Kim Deal Solo rüber! Klar sind viele Freud*innen der Vergangenheit und Gegenwart dabei, aber alle „stehen hinter“ Deal und ihrer Performance. Wer braucht noch die Pixies oder die Breeders,wenn es Kim Deal gibt?!
Jetzt wird es anarchistisch, laut, queer und „gay“. Die feministische UK-FLINTA Antwort auf Amyl And The Sniffers sind die Lambrini Girls mit ihrem ersten Longplayer Who Let The Dogs Out. In 11 rotzigen Songs werden alle Themen angeschnitten, die den Konservativen auf die Eierstöcke oder den Sack gehen könnten.
Really english schreien uns Basserin Lilly Macieira-Boşgelmez und Gitarristen Phoebe Lunny zum Schlagzeugspiel von Jack Lookker (der auch bei DITZ Drummer ist), abwechselnd an. Ein Debüt, das sich absolut ungewaschen hat und die gute Amyl dagegen doch ein wenig blass aussehen lässt. Um die Attitüde des Albums zu vermitteln, ein paar Songtitel: Big Dick Energy; No Homo; Cuntology 101. Dazu ein Zitat vom Hype Sticker: „Party Music For Gay Angry Sluts“ Unsere Vinyl-Farbe, ein Swimmingpooltürkis nennt sich „Gay Smurf Dick“. Der nächste große Wurf aus Brighton, UK, das Album für den kommenden Sommer! (Erschienen bei City Slang)!
Eine Piano-Perle aus dem Jahr 2017 ist nun von der Deutschen Grammophon wiederveröffentlicht worden. Der Isländische Pianist Víkingur Ólafsson hatte zum 80. Geburtstag des amerikanischen Musikers und Komponisten Phillip Glass eine persönliche Auswahl von dessen Pianostücken getroffen. Begleitet vom Siggi String Quartet (Zwei Violinen, eine Viola und ein Cello) sind hier Kompositionen aus Glasworks (1981) und Études (1991 -2012) eingespielt worden und werden uns in „atemberauschender“ Qualität präsentiert. Aufgenommen in der Harpa Concert Hall, Reykjavík, gemastert in den Eastside Mastering Studios, Berlin und hervorragend gepresst von der Deutschen Grammophon – es rauscht und knackt nichts – erwarteten uns ca. 90 Minuten Neo-Klassik auf dieser Doppel-LP. Das nächste Mal werden Mrs. Cave und ich in der Tonhalle bei Víkingur Ólafsson dabei sein!
Ein Tape, welches wir im Dezember 2024 beim Sounds in Venlo entdeckten, möchten wir euch auch nicht vorenthalten. Das Solo- und Experimental-Projekt Uboa aka Xandra Metcalfe aus Australien gibt es seit 2010 und hat seitdem verschiedene Tapes, 12“, LPs sowie File-Formate veröffentlicht. Das jüngste Album Impossible Light erschien Mitte letzten Jahres in verschiedenen Formaten bei The Flenser // Flenser Records, San Francisco. Destruktion, Harsh-Noise, Doom, Experimental, Ambient und Death-Indus-trial lauten die Kategorien bei Bandcamp. Death-Industrial trifft es am besten unserer Meinung nach, hatten wir den Begriff doch bis dahin noch nicht gehört. Wirklich harte, alptraumhafte Soundcollagen, gepaart mit Zither! und Akustikgitarren, verfeinert mit Field-Recordings, geschüttelt und nicht gerührt, präsentiert in einem harten Abgang. Im Nachhinein eines der Tapes des Jahres 2024 für den Oberbilker.
Der letzte Act dieser Ausgabe sind The Howlers aus London. Aufmerksam geworden sind wir auf die Engländer durch eine Konzertanzeige, der ein Live-Clip angehangen war. Der Clip begeisterte spontan, erinnerte er doch an The Charlatans oder andere 90er UK-Ravebands. Schmissiger Indie-Pop mit einer gehörigen Portion Manchester Rave, der sofort zum Mitwippen einlädt, dabei von der ersten bis zur letzten Minute gute Laune verbreitet und die trüben Februartage ein wenig freundlicher erscheinen lässt. What You‘ve Got To Lose To Win It All ist zwar auch vom letzten Jahr. Aber da die Tour und der Gig in Köln noch anstehen, warum nicht mal eine aktuelle Live-Empfehlung: unterstützt die 3 Lads am 13.03.25 im Blue Shell! Und wer weiß, wieviel gute Laune wir alle nach dem 23.02.25 zusätzlich gebrauchen können! Ein Konzert wird da wahrscheinlich nicht reichen. Erschienen auf Wipeout Music Publishing. Sehen wir es doch ehrlich und realistisch: Gute Musik bringt uns besser durch beschissene Zeiten, als uns schlechte Musik durch gute Zeiten bringt!
Einen Nachruf an dieser Stelle noch. Richard Paul Buckler, Gründungsmitglied und Schlagzeuger von The Jam ist am 17.02.25 im Alter von 69 Jahren nach kurzer Krankheit verstorben. Der unverkennbare Sound von The Jam wurde maßgeblich von Richard Buckler am Schlagzeug und Brian Foxton am Bass getragen. Ok, Paul Weller konnte und kann immer noch singen. Der musikalische und popkulturelle Einfluss von The Jam macht sich bis heute noch bemerkbar, und wer weiß, wie Oasis ohne den Einfluss von The Jam überhaupt geklungen hätten!
Mach es gut Richard, ….. Going Underground ….. to A Town Called Malice!
Mrs. Cave und der Oberbilker
[1] The Wire ist ein Print und Online Magazin aus London, das es seit 1982 gibt und sich selbst so darstellt: „The Wire is an independent print and online music magazine covering a wide range of global alternative, underground and experimental musics.“
[2] Boomkat, Independent Mailorder aus Manchester, der irgendwie immer wieder auftaucht, obwohl wir dort noch nie bestellt haben
[3] Hat auch schon mit Róisín Murphy zusammengearbeitet.