„RAF – PKK – Autonome Antifa“...

... „und der Mönch von Lützerath...“.
Kurzberichte zur aktuellen Repression

Auf den Anklagebänken dieser Republik saßen schon allerhand Leute, Mönche dürften eher selten dabei gewesen sein. Der Mönch von Lützerath war durch viral gegangene Internet-Videos berühmt geworden. Im Januar 2023 standen sich Demonstrant*innen und Polizeiketten vor den letzten verbliebenen Häusern Lützeraths gegenüber, die unter Billigung der Grünen zerstört werden sollten, um noch mehr Braunkohle zu fördern. Beide Seiten versanken im regendurchweichten Feld, nur ein Aktivist in Mönchskutte tänzelte leichtfüßig zwischen allen umher und stieß mehrmals die unbeweglichen Prügelbullen in den Schlamm. Ein Jahr später enttarnte die BILD-Zeitung unter Berufung auf Polizeiinformationen die wahre Identität des verhüllten Mönchs als Loïc S.. Der enttarnte Mönch ging daraufhin selbst in die Offensive und erzählte im Stern seine Geschichte, die ihn schließlich in ein Gerichtsgebäude in Mönchengladbach führen sollte. Angeklagt wegen „tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte“ sah er sich mit der Forderung der Staatsanwaltschaft nach 8 Monaten Haft ohne Bewährung konfrontiert. Dennoch bewahrte er sich bis zu seinem Abschlussplädoyer immer seine konsequente politische Haltung und seinen Humor. In einer auch im Internet verbreiteten neunseitigen Prozesserklärung setzte er sich mit der kapitalistischen Zerstörung der Welt und der Gewalt, die sie ermöglicht, auseinander. Noch im Gericht machte er Vorschläge für nicht-gewalttätige Aktionen, die die Polizei konfrontieren können. Dies, ohne sich in irgendeiner Form von anderen Widerstandsformen zu distanzieren, die auch Teil seiner eigenen Geschichte sind. Nach dem G20-Gipfel in Hamburg 2017 saß Loïc 16 Monate in U-Haft, weil er zwei Flaschen in Richtung der Bullen geworfen hat. In der juristischen Aufarbeitung von G20 schien das Verdikt des damaligen Hamburger Oberbürgermeisters Olaf Scholz zum Gesetz geworden zu sein, Polizeigewalt habe es schlicht nicht gegeben. Absurde Strafen und Prozessorgien gab es nur gegen eine Seite, während die unzähligen dokumentierten Fälle von teils schweren Körperverletzungen der Bullen folgenlos blieben. Der Richter im Mönchengladbacher Amtsgericht würdigte neben dem Geständnis von Loïc auch die Polizeigewalt als strafmildernd und wandelte die Haftstrafe von unter sechs Monaten in eine Geldstrafe um. Beigetragen hat dazu vermutlich auch die Aussage eines Aktivisten von „Kirche(n) im Dorf lassen“, der die Polizeigewalt schilderte, die auch seine christliche Gruppe traf. Am Ende seiner Aussage erzählte er, wie er am Tag nach den Massenprotesten in die Camps um Lützerath ging. In den Gesichtern der jungen Aktivist*innen sah er überall die Enttäuschung nach dem gescheiterten Versuch, die Räumung zu verhindern und das Ohnmachtsgefühl, der Polizeigewalt nichts entgegensetzen zu können. Als die ersten Videos des Mönchs von Lützerath auf Handybildschirmen herumgereicht wurden, änderte sich die Stimmung in eine aufgelöste Freude. Und weil die Gewalt seitdem nicht weniger geworden ist, schadet es bestimmt nicht, sich die alten Videos nochmal anzuschauen.

Von Ostdeutschland nach Budapest

Wer sich an die Repression nach dem G20-Gipfel erinnert, dem wird vieles bekannt vorkommen, womit eine Reihe von Antifas in den letzten Jahren in den sogenannten Komplexen „Antifa-Ost“ und „Budapest-Verfahren“ konfrontiert sind. Mediale Hasskampagnen auf Grundlage von internen Polizei-Ermittlungsakten (im Fall von Antifa Ost mit Leaks samt Nachnamen und Fotos in der extrem rechten Zeitschrift Compact), ein grenzenloser Verfolgungswillen der Justiz und die Entpolitisierung von Widerstand. Vorgeworfen werden den Antifas Angriffe und Körperverletzungen zum Nachteil von Neonazis, die sich in Ostdeutschland zu Kampfsportgruppen wie „Knockout 51“ zusammengeschlossen und über Jahre hinweg Andersdenkende terrorisiert haben. Gegen letzteres helfen bekanntlich weder Lichterketten noch zivilgesellschaftliche Appelle. Während Lina und einige andere 2023 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, verfolgte der Staat eine weitere Gruppe, die Faschisten am Rand des sogenannten „Heldentags“ in Budapest, der mittlerweile größten Demonstration der extremen Rechten in Europa, attackiert haben sollen. Sieben zwischenzeitlich untergetauchte Beschuldigte stellten sich im Januar auf Polizeidienststellen, von wo aus sie direkt in U-Haft verlegt wurden. Wie grotesk es ist, bei Menschen eine Fluchtgefahr anzunehmen, die gerade eben erst ihre Flucht von sich aus beendet haben, scheint kaum jemandem aufzufallen. Insbesondere dem 21-jährigen Antifaschisten Zaid aus Nürnberg droht die Auslieferung nach Ungarn. Offensichtlich ist er besonders gefährdet, weil er keine deutsche Staatsbürgerschaft hat. In einem ungarischen Knast sitzt bereits die rechtswidrig überstellte non-binäre Maja unter widrigsten Bedingungen und ist mit Gefängnisstrafen von bis zu 24 Jahren konfrontiert. Unterdessen ist im Februar der Prozess gegen die Nürnberger Antifaschistin Hanna gestartet. Obwohl sie an ihrer Meldeadresse lebte und ihrem Beruf weiter nachging, wurde auch bei ihr Fluchtgefahr diagnostiziert und U-Haft angeordnet. Auch der Prozess findet in der JVA Stadelheim unter verschärften Sicherheitsbedingungen statt.

Die Rote Hilfe informiert im März auf Veranstaltungen in Köln und Duisburg über die Situation des in der JVA Köln-Ossendorf gefangenen Zaid, über Hanna und die anderen verfolgten Antifas.

Von Kurdistan nach Düsseldorf

Weitab von der medialen Aufmerksamkeit der geschilderten Fälle geht die Repression gegen Gefangene der kurdischen und türkischen Linken in der BRD immer weiter. Während in Ländern wie Belgien der Staatsterrorismus der Türkei gegen Minderheiten und die politische Opposition auch vor Gerichten anerkannt und berücksichtigt wird, verfolgt die deutsche Justiz Aktivist*innen unter Verweis auf §129 b, Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Als solche sieht sie u.a. die PKK. Verurteilt werden auf diese Weise im Übrigen legale Tätigkeiten, die Organisation von Veranstaltungen und Räumlichkeiten, Spendensammlungen oder Kulturarbeit, die erst durch den vorgeworfenen Bezug zur PKK zu einem Terrorismusdelikt konstruiert werden. Ausgerechnet am 18. März, Tag der politischen Gefangenen, beginnt ein weiterer Prozess gegen einen kurdischen Genossen am OLG Düsseldorf, der auf Grundlage eines deutschen Haftbefehls in Italien festgenommen und ausgeliefert wurde, weil ihm u.a. die Organisation von „Propagandaveranstaltungen“ im Zeitraum 2014/2015 vorgeworfen wird. Mögen bundesdeutsche Politiker*innen bisweilen die Nase über den autoritären Regierungsstil rümpfen, so sind sie bei gemeinsamen militär- und geopolitischen Interessen und bei der Abwehr von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen auf ihn angewiesen. So werden Leben und Freiheit von Kurd*innen zur politischen Verhandlungsmasse, wie bereits mehrmals deutlich wurde, als Verhaftungen, Razzien und Verbote von kurdischen Strukturen parallel zu den neuesten Deals mit Erdogan stattfanden. Der kurdische Rechtshilfefonds AZADI unterstützt Betroffene und informiert über die staatliche Repression in Deutschland.

Nichts ist vorbei

Wer eine noch längere Kontinuität von Repression finden will, muss lange suchen und wird irgendwann bei der RAF landen. Den Versuch, die internationalen Kämpfe und die Erfahrungen von (Stadt-)Guerilla um und nach 1968 auch in das Herz der imperialistischen Metropole zu tragen, wird die BRD weder vergessen noch verzeihen. Daniela Klette wurde letztes Jahr nach über 30 Jahren im Untergrund festgenommen. Zurück auf die Bühne kam damit auch der bürgerliche Diskurs über die RAF als Projektionsfläche. Mal dient sie der Diffamierung des gesamten linken Aufbruchs von 68, mal wird sie entpolitisiert und ihre Mitglieder psychologisiert. Gegen die Diffamierung als Ex-RAF-Rentner, die aus persönlicher Habgier Geldtransporte überfallen haben, wehrt sich auch Burkhard Garweg, der weiterhin auf der Flucht ist. Seine lesenswerte Erklärung aus dem Untergrund wurde im Dezember in der taz und auf indymedia veröffentlicht und spannt einen Bogen von dem bewaffneten Kampf bis zur heutigen Zeit und ihren vielfältigen Kämpfen.

Wer die politischen Gefangenen vergisst, der verleugnet auch seine eigene Geschichte. Und diejenigen, die trotz der Konfrontation mit jahrelangen Haftstrafen aufrecht bleiben, verteidigen mehr als nur ihre eigenen Würde. Gegen die Entsolidarisierung und das Schweigen braucht es dringend mehr Debatten über die Gefangenen und ihre – also auch unsere – Geschichte. Wir bleiben dran, achtet auf Ankündigungen!

Freiheit für alle politischen Gefangenen! Glück und Kraft den Untergetauchten!

Rote Hilfe Düsseldorf/Neuss

Infoveranstaltungen

„Solidarität mit den inhaftierten
Antifas im Budapest-Komplex“
Duisburg: 21.03. 18 Uhr Linkes
Zentrum Maria Mester
Köln: 22.03. 19 Uhr Alte Feuerwache