TERZ 04.25 – MOVIES
Der Tod als unausweichliches Ende des Lebens ist in einer modernen Welt, in der das Sterben zunehmend aus dem alltäglichen Bewusstsein verschwunden ist, zu einem Thema der Unterhaltungskultur geworden. In Krimis, Horrorfilmen und Actionthrillern suchen wir den Nervenkitzel, die „kontrollierte Angst“.
Der Dokumentarfilm „Sterben ohne Gott“ vom Moritz Terwesten stellt die Frage, wie wir, ohne auf religiöse Trostversprechen zurückzugreifen, mit der Unausweichlichkeit des Todes umgehen können. Ist es möglich, mit der Angst vor dem Tod zu leben, ohne an ihr zu zerbrechen? Der Film ist eine ergreifende, wenn auch unversöhnliche Betrachtung dessen, was es bedeutet, wirklich „zu leben“ im Angesicht eines nicht vermeidbaren Endes.
Zur NRW-Premiere des Films am 15.März hat sich ein nicht gerade kleiner Kinosaal des UFA-Palasts gut gefüllt. Nach dem Film gab es eine sehr angeregte Diskussion der Filmemacher*innen und einige ihrer Protagonist*innen mit dem Publikum. Und da wurden viele Fragen gestellt. Sind Ideen der „Transhumanität“ (ohne Gott), etwa die, in irgendeiner Form von Künstlicher Intelligenz weiterzuleben, eher eine männliche Perspektive? Vorbei ist vorbei – aber es stirbt sich deswegen doch oft nicht einfacher? Auch der ganz persönliche „Nachruhm“ ist schließlich vergänglich – wie letztendlich die gesamte Menschheit? Welche Rolle könnten Hospizvereine haben? Welche Rolle können Organisationen für assistierten Suizid spielen, wie etwa die Gesellschaft für Humanes Sterben?
Der Filmemacher Terwesten (Regie und Schnitt) betont, dass er all diese Fragen bewusst in seinem Film ausgeklammert hat. Er wollte einen „unpolitischen“ Film drehen, einen sachlichen Film, der möglichst viele Menschen erreicht. Deswegen habe er den Film auch in Schwarz-Weiß gedreht und die Statements seiner Protagonist*innen mit mehreren Kameras gleichzeitig aufgenommen, um durch Schnitte schnelle Perspektivwechsel zu ermöglichen. Moritz Terwesten lässt Expert*innen wie den Forensiker Mark Benecke, den theoretischen Physiker Lawrence Krauss, den Philosophen Franz Josef Wetz und viele andere zu Wort kommen.
In der Tat besticht der Film durch seine Schnitttechnik, sein raffiniertes Soundmanagement und die Einfügung farbiger grafischer Animationen. Während des Sehens kommt keine Langeweile auf, der Film ist auch ästhetisch ein Genuss.
Auf die Frage, warum für die Premiere ausgerechnet Düsseldorf gewählt wurde, sagt Ricarda Hinz (Düsseldorfer Aufklärungsdienst - DA!) der TERZ: „Düsseldorf ist wohl die säkulärste Stadt in NRW. Weniger als die Hälfte der Einwohner*innen gehört einer der beiden Kirchen an. Wir setzen uns für eine gleichberechtigte Förderung der Arbeit der humanistischen – das heißt atheistischen – Bürgergesellschaft Düsseldorfs ein.“
In der Tat machen schon seit 2014 die Konfessionellen in Düsseldorf weniger als die Hälfte der Einwohner*innen der Stadt aus, aktuell mit Protestant*innen (12 Prozent) und Katholik*innen (22 Prozent) nur noch ein gutes Drittel. Das lokale Team des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes (DA!), Teil der humanistischen Giordano-Bruno-Stiftung, hatte nach dem Film die Moderation des Publikumsgesprächs übernommen. Diese Rollenverteilung war mit ausschlaggebend für die Dynamik, die sich in der Diskussion entfalten sollte.
DA! versteht sein Einwirken auf die Düsseldorfer Stadtgesellschaft durchaus politisch, beispielsweise mit dem (vergeblichen) Versuch, die millionenschwere Subvention des anstehenden Evangelischen Kirchentages aus dem Stadtsäckel durch einen Bürger*innenentscheid zu verhindern.
Diese „Aufklärer*innen“ mögen manchem als, wenn nicht „gläubige“, so doch militante Atheist*innen erscheinen, jenseits allen „läve un läve lassens“. Aber satirische Aktionen wie die mit dem von Jacques Tilly gestalteten Moses, der auf steinerner Tafel das Elfte Gebot hochhält, zeigen, dass diese Aktivisten Rheinländer und Freunde des Karnevals sind. (Das Elfte Gebot lautet: „Du sollst Deinen Kirchentag selber bezahlen“.) Der vorläufig letzte Coup der laizistischen Aktionsgemeinschaft in Düsseldorf war, die Kirchentags-Millionen durch die Gründung eines gleichnamigen Vereines für sich zu beanspruchen.
Text und Foto (Druckausgabe): Michael Flascha