TERZ 05.25 – AUS DEN BETRIEBEN
Kurz nach Redaktionsschluss für die März-Ausgabe 2025 poppten die nächsten Nachrichten über die boomende Rüstungsindustrie in meinem Postfach auf. So verkündete die Neue Presse am 26.03.25: „Umbau der Industrie: Wie aus Autobauern Panzerbauer werden“ Durch die neuen genehmigten Sonderschulden und die gigantische Ausweitung der Verteidigungsausgaben wird die Rüstungsindustrie noch mehr boomen als zuvor, leider fehlen die Facharbeiter. Jetzt hofft die Rüstungsbranche auf die Beschäftigten der Automobilindustrie, werden dort derzeit doch Tausende von Stellen wegen der notorischen Absatzkrise gestrichen. Der Vorteil der deutschen Automobilhersteller ist doch das qualifizierte Fachpersonal! Die Rüstungskonzerne steuern aktuell noch nicht einmal ein halbes Prozent zur deutschen Wirtschaftsleistung bei. Der Anteil soll nach dem Willen der Politik schnell steigen. Rheinmetall-Konzernchef Armin Papperger rechnet damit, dass die Rheinmetall-Belegschaft noch vor 2030 von rund 30.000 auf 40.000 Beschäftigte wachsen wird. Doch so schnell können die alten Standorte nicht genutzt werden, sind Panzer doch schwerer als PKWs sodass die Hallenböden modifiziert werden müssten[1]. Bei Rheinmetall boomt es so, dass der Konzern drei neue Kompetenzzentren für fortschrittliche Landautonomie in Deutschland, den nordischen Ländern und dem Vereinigten Königreich eröffnet und gleichzeitig sein kanadisches Kompetenzzentrum für Autonomie erweitert. Durch diese strategische Investition sollen die autonomen Systeme gestärkt und die Digitalisierung der modernen Kriegsführung vorangetrieben werden.
„Autonomie bestimmt die Zukunft der Kriegsführung – und Rheinmetall übernimmt eine führende Rolle.“[2] Rheinmetall-Chef Papperger hat übrigens am 28.03.25 den Osnabrücker Volkswagen-Standort besucht. Laut Unternehmenskreisen waren auch MAN-Chef Alexander Vlaskamp sowie VW-Vorstand Gunnar Kilian dabei. Es ging um ein Joint-Venture zwischen MAN und Rheinmetall und die Möglichkeit, militärische Logistikfahrzeuge zu fertigen.[3]
Es gibt aber auch Widerstand, und Gewerkschafter*innen demonstrieren gegen Kriegskredite. Außerdem fürchten auch VW-Arbeiter*innen die Umwandlung ihrer Werke in Rüstungsschmieden. „Wir wollen bei VW nicht den Tod produzieren“, kritisiert eine Gruppe von VW-Arbeiter*innen die Überlegung, den Konzernstandort in Osnabrück zu einer Rüstungsschmiede umzuwandeln.
Unter dem Motto „Nein zu den Kriegskrediten“ demonstrierten Gewerkschafter*innen in München.
Auch in der Pflege gibt es Widerstand: „Die Anforderung gibt es bereits, dass die Krankenhäuser militärisch aufgerüstet, dass wir besser auf Kriegsverwundungen geschult werden müssten“, berichtet Verdi-Vertrauensfrau Ingrid Greif und kritisiert: „Ich habe nicht Krankenpflege gelernt, um Soldaten heilzumachen, damit sie wieder in den Krieg geschickt werden. Das ist nicht meine Motivation“.[4]
Umgekehrt sieht das Management der Automobilindustrie die Möglichkeiten, die sich durch das Kriegsgeschäft bieten und buhlt um Aufträge. Für Volkswagen böte ein Einstieg ins Rüstungsgeschäft die Gelegenheit, bestehende Überkapazitäten in den Werken abzubauen. „Wir schauen uns sehr gezielt an, was dort an Notwendigkeiten ist, wenn es dann beispielsweise auch um Militärfahrzeuge gehen sollte“, sagte VW-Chef Oliver Blume (56) während der Jahresbilanz-Pressekonferenz im März. Sollte VW etwa Militärfahrzeuge bauen, könnte der Konzern sein Überkapazitäten-Problem in den Werken Dresden und Osnabrück lösen: Dort läuft die Autoproduktion 2026 und 2027 aus. Bisher steht noch nicht fest, wie die Werke danach genutzt werden sollen. Aber auch bei Porsche ist man bereit auf den Rüstungszug aufzuspringen. Vorstandschef Hans Dieter Pötsch erklärte: „Wir arbeiten auch an solchen Projekten.“ Interessant seien die Felder Verteidigung und Infrastruktur, so Pötsch. Im Jahr 2024 hatte PSE (Porsche SE) einen Nettoverlust von 20 Milliarden Euro verzeichnet, weil die beiden Kernbeteiligungen VW und Porsche 2024 unter dem schwachen China-Geschäft litten.[5]
Umgekehrt machen sich unsere Kolleg*innen bei Ford in Köln immer noch Sorgen um ihre Arbeitsplätze. In der zweiten Aprilwoche gab es einen dreitägigen Warnstreik in den Werken in Niehl und Merkenich. In der Woche davor haben sich 350 Kolleg*innen in der Nachtschicht versammelt, ihren Unmut kundgetan und auf die derzeitige Situation aufmerksam gemacht. Denn bis jetzt sind die Verhandlungen bezüglich eines Sozialtarifvertrages für diejenigen, die im Unternehmen beschäftigt sind, ergebnislos verlaufen. Es geht um die Absicherung von 11.500 Arbeitsplätzen in Köln, auch im Fall einer Insolvenz[6]. Über die Streichung der Zuschüsse des amerikanischen Mutterkonzerns und dass weitere Verluste im Kölner Werk nicht mehr ausgeglichen werden, haben wir in der TERZ 04.25 berichtet.
Zum Schluss wenden wir uns noch einmal den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM) in Duisburg zu. Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) hat beschlossen, den Liefervertrag mit (HKM) zu kündigen. Diese Entscheidung wird bis 2032 wirksam, 3.000 Arbeitsplätze sind davon betroffen. Die IGM stellt sich auf eine Kündigungswelle ein und plant Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag. Auch hier werden Warnstreiks nicht ausgeschlossen[7].
Euer Henry Ford
Die erste lautete so: ntv verkündete, dass Rheinmetall seine Produktionsstätten massiv ausbauen will. Die Nachfrage nach Rüstungsgütern steigt in Deutschland und Europa, und „das Budget in Europa kann bis zum Jahr 2030 auf eine Billion Euro wachsen“, sagte Unternehmenschef Armin Papperger dem „Handelsblatt“ sowie „wir haben in Europa zehn Werke, die wir derzeit verdoppeln oder komplett neu bauen“. Als Beispiel wird unter anderem das Munitionswerk in Unterlüß genannt, dort soll die Produktion von 200.000 auf 350.000 Artilleriegeschosse steigen. Damit ist das niedersächsische Werk dann der zweitgrößte Munitionshersteller Europas. In einem Werk in Spanien soll die Produktion auf 450.000 Granaten ansteigen. In der in Bau befindlichen Artilleriefabrik in der Ukraine war ursprünglich eine Produktionsmenge von jährlich 150.000 Schuss geplant, auch hier soll die Menge erhöht werden. 2026 soll das Werk in Produktion gehen. 2024 hatte Rheinmetall einen Rekordgewinn von fast 1,5 Milliarden Euro gemacht und der Umsatz lag bei rund 9,75 Milliarden Euro[8].
Als zweites kam die Nachricht, dass Mercedes Benz laut Insidern bis zu 20.000 Jobs abbauen will. Die ersten Manager*innen sind schon zu „Abfindungsgesprächen eingeladen worden“ und die Freiwilligkeit, zu gehen, wird mit Druck verstärkt. Betroffen sind bis jetzt Mitarbeiter*innen im indirekten Bereich, und ab 28.04.24 sollen bis zu 40.000 über die Abfindungsangebote per Mail informiert werden. Um die geplanten Einsparziele zu erreichen, soll zusätzlicher Druck auf die Angestellten ausgeübt werden, damit die Angebote angenommen werden. Konkret heißt es, dass bis zu 500.000 Euro Abfindung gezahlt werden, wenn das Unternehmen freiwillig verlassen wird. Kolleg*innen der Produktion sind laut meinen Kontakten in Düsseldorf momentan nicht betroffen, da Scheiße aber bekanntlich nach unten fällt, stelle ich mir die Frage, ob wirklich nur im indirekten Bereich gekürzt werden soll[9].
[1] neuepresse.de 26.03.25 https://neuepresse.de/wirtschaft/umbau-der-industrie-von-autobauern-zu-panzerbauern-ruestungsboom-und-fachkraeftemangel-2DELOSUJSREIFCVDPMOFTXO3VE.html
[2] rheinmetall.com 27.03.25 https://rheinmetall.com/de/media/news-watch/news/2025/03/2025-03-27-rheinmetall-gruendet-kompetenzzentren-fuer-autonome-mobilitaet
[3] Handelsblatt 28.03.25 https://handelsblatt.com/unternehmen/industrie/volkswagen-rheinmetall-chef-besucht-vw-werk-in-osnabrueck/100117252.html
[4] Telepolis 28.03.25 https://telepolis.de/features/Gewerkschafter-kritisieren-Lockerung-der-Schuldenbremse-fuer-Militaer-10329685.html
[5] Manager Magazin 28.03.25 https://manager-magazin.de/unternehmen/industrie/ruestung-in-europa-diese-unternehmen-draengen-in-den-ruestungsmarkt-a-97f3c2d3-cb75-4d3e-81a7-bd79fc334ead
[6] WDR 1 07.04.25 https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/ig-metall-warnstreik-ford-100.html
[7] Spiegel 11.04.25 https://spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/thyssenkrupp-stahlsparte-treibt-trennung-von-duisburger-zulieferer-hkm-voran-a-6b20be1e-1ac1-4cce-98cb-cc23b6edb8b0
[8] ntv 17.04.25 https://n-tv.de/wirtschaft/Rheinmetall-erwartet-Milliarden-Auftraege-Produktionskapazitaeten-werden-massiv-erhoeht-article25711131.html
[9] Merkur 23.04.25 https://merkur.de/wirtschaft/abfindungen-bei-mercedes-benz-sind-offenbar-keine-blossen-angebote-93695708.html & Wirtschaftswoche 23.04.25 https://wiwo.de/unternehmen/auto/mercedes-benz-abfindungen-bei-mercedes-so-wird-druck-auf-mitarbeiter-ausgeuebt/100122088.html