Else Gores und Franz Jürgens:

Zwischen Zivilcourage, Gewalt, Verrat und Grausamkeiten

In einer Zeit, da schon wieder oder immer noch Menschen rechten Hetzer*innen hinterherlaufen und die Demokratie verachten, erinnern wir uns an den April 1945 in Düsseldorf.

Die amerikanischen Truppen kamen der Stadt immer näher, die Tage der Nazi-Herrschaft schienen gezählt. Denunziant*innen, Endsieg-Gläubige und noch verbliebene Nazis verübten weiter grausame Taten. Else Gores, eine 30-jährige Arbeiterin, zauderte daher nicht, als ihr alter Freund Franz Kran vor ihrer Wohnungstür in der Oberbilker Allee 284 stand. Der Kommunist suchte ein Versteck vor den Nazi-Schergen und fand bei Else Unterschlupf. Doch Nachbarn denunzierten die Frau. Sie wurde am 11. April 1945 verhaftet, in den Eller Forst verschleppt und von Männern der Heeresstreife Kaiser vermeintlich exekutiert. Einen Tag später fanden drei Frauen Else Gores mit einem lebensbedrohlichen Halsdurchschuss und brachten sie in eine nahe Gaststätte. Wiederum denunziert, holten dieselben Männer, die Else die Schussverletzung beigebracht hatten, die Schwerverletzte ab, bevor sie medizinisch versorgt werden konnte. Sie wurde nie gefunden. Else Gores war in keiner Widerstandsgruppe, es gab keine Ermittlungen gegen sie. Sie half einem Freund und verlor deshalb ihr Leben, wie unzählige andere.

Am 12.04.25, Elses 80. Todestag, versammelten sich mehr als 60 Menschen am Erinnerungsort im Eller Forst, um dieser besonderen Frau zu gedenken, stellvertretend für alle Menschen, die sich trotz Lebensgefahr dem Naziregime widersetzten. Die im Laufe der Feier enthüllte Tafel zeigt zudem: Der Gedenkstein für Else Gores ist jetzt ein offizieller „FrauenOrt NRW“. 57 Frauenorte gibt es bereits in NRW, sie sind ein Projekt des Frauenrates NRW, das Frauen und ihre Geschichten sichtbar machen will.

Die mutmaßlichen Mörder von Else und vielen weiteren Menschen standen um 1947 in Düsseldorf vor Gericht. Für ihr grausames Verbrechen, das sie Else Gores angetan hatten, bekamen sie niedrige Haftstrafen, sie handelten schließlich im Staatsauftrag. Bereits Mitte der 1950er Jahre wurden sie begnadigt und aus der Haft entlassen, maßgeblich daran beteiligt war Josef Kardinal Frings, der Erzbischof von Köln. Nach ihm benannt ist bekanntlich die Düsseldorfer Südbrücke. Eine Umbenennung des maroden Bauwerks ist nicht geplant.

Unbenannt hingegen wird in Kürze die Franz-Jürgens-Straße in Düsseldorf-Golzheim in Else-Gores-Straße.

Die Geschichte um Else Gores zu Papier gebracht hat die Düsseldorfer Autorin Doris Bender-Diebels, die bekannten Fakten hat sie in einen ebenso bewegenden wie informativen Roman gepackt:

„Die nicht erschossene Frau”.
ISBN 978-3-98595-500-8

Mit Franz Jürgens (1895-1945) hat die Stadt Düsseldorf so ihre Probleme.

Er war NSDAP-Mitglied, Oberstleutnant, Kommandant der Schutzpolizei Darmstadt und ab 1944 in Düsseldorf in dieser Funktion. Jürgens war verantwortlich für den Transport von Menschen in die Vernichtungslager des Holocaust.

Aber auch am Widerstand gegen das NS-Regime war er beteiligt. Nicht belegt ist, wann dieser Sinneswandel erfolgte. Gegenüber vertrauten Kolleg*innen äußerte er sich im Frühjahr ‘45 ablehnend über die Pläne, Düsseldorfs Versorgungsinfrastruktur zu zerstören, um den vorrückenden US-Truppen verbrannte Erde zu hinterlassen, sowie die verbliebene Zivilbevölkerung zu vertreiben, um damit die Stadt zum Kampfgebiet zu machen. Deshalb nahm eine Widerstandsgruppe um Karl August Wiedenhofen Kontakt zu Jürgens auf. Er sollte ins Boot geholt werden, um Düsseldorf kampflos an die amerikanischen Streitkräfte zu übergeben: Aktion Rheinland. Ein so grauenhaftes Blutvergießen auf beiden Seiten wie bei der Schlacht um Aachen im Oktober 1944 sollte verhindert werden. Jürgens beteiligte sich an der Aktion, für die der Polizeichef eingesperrt werden musste. Die Widerständler flogen auf, wurden verhaftet, Jürgens nur wenige Stunden vor der Befreiung Düsseldorfs zum Tod verurteilt und auf der Richtstätte Färberstraße hingerichtet. Das alles geschah innerhalb weniger Stunden im Hauruck-Verfahren. Die Richtstätte, die auch Erinnerungsort für viele weitere Opfer ist, kann ebenso besucht werden wie der für Else Gores im Eller Forst. Versteckt zwischen Hecken, zwischen Wohnhäusern, Anton-Betz-Straße 79, nicht weit von der Färberstraße entfernt, ist die Gedenkstätte für die Aktion Rheinland. Der Name Franz Jürgens wurde inzwischen überdeckt, und auf einer noch neuen Tafel heißt es, von seiner Vorgeschichte distanziere sich die Stadt Düsseldorf deutlich. Er wollte noch größeren Schaden von Düsseldorf und deren Einwohner*innen abwenden, das hat er mit seinem Leben bezahlt. Aber er beteiligte sich als hoher Polizeioffizier an den Gräueltaten des NS-Regimes und hat damit schwere Schuld auf sich geladen.

Seine Henker (und die vieler weiterer Menschen) wurden freigesprochen, sie handelten ja nach dem geltenden Recht der NS-Zeit.

„Düsseldorf 1945. ÜberLeben in der Stadt“

In Düsseldorf fanden und finden 2025 rund 70 Veranstaltungen zum Thema „80 Jahre Kriegsende“ statt. In der Mahn- und Gedenkstätte auf der Mühlenstraße ist noch bis zum 28. September „Düsseldorf 1945. ÜberLeben in der Stadt“ zu sehen. Zu den Veranstaltungen hat die Landeshauptstadt ein 52-seitiges Programmheft aufgelegt, das kostenfrei ausgegeben wird, es kann auch als PDF runtergeladen werden. gedenkstättedüsseldorf.de

Christine