3. Mai: Internationaler Tag der Pressefreiheit

Diese Freiheit ist auch uns von der TERZ heilig, und wir haben ihre Beschneidung während der letzten 34 Jahre verschiedentlich zu spüren bekommen und auch mal teuer dafür bezahlt.

Aktuell erreichte uns das ellenlange Schreiben einer Berliner Anwaltskanzlei, es ging um einen Artikel von Ende 2019. Wir berichteten über eine Hausbesitzer-Familie, die ihre Immobilie am Zoopark mit offensichtlich vorgeschobener Eigenbedarfskündigung entmieten und luxussanieren wollte. Darüber hatte auch der Spiegel berichtet. Der hat eine Unterlassungsklage gegen die Angeprangerten verloren, die der Meinung sind, durch die Berichterstattung identifizierbar zu sein. Wir haben uns dafür entschieden, den Artikel aus der Online-TERZ zu entfernen und an der Stelle ein paar Sätze zur Info plaziert, bis zur Klärung der Rechtslage. Gerade kleine und spendenfinanzierte Medien sind gefährdet, daran kaputt zu gehen, wenn finanzstarke Widersacher*innen auf den Plan treten, weil z. B. ihr unsoziales Vorgehen gegen schwächere Menschen geschildert wird. Gewinnmaximierung, ja bitte, und dabei nett rüberkommen, oder es gibt Zoff. Einschüchtern und Bedrohen ist ein probates Mittel.

Angriffe auf die Pressefreiheit spitzen sich in den letzten Jahren zu, nicht nur in bekanntermaßen totalitären Staaten. Deutschland ist auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 11 abgerutscht. Die Ampelkoalition hat zukunftsweisende Verbesserungen im medienpolitischen Bereich nicht auf den Weg gebracht, wie etwa das Recht auf Verschlüsselung zum Schutz journalistischer Quellen, ein Gesetz gegen digitale Gewalt sowie Anerkennung des gemeinnützigen Journalismus, wie auch wir von der TERZ ihn betreiben. Die neue Bundesregierung unter Kanzler Merz und mit fancy Dobrindt als Innenminister macht wenig Hoffnung, dies nachzuholen.

Journalismus: ein zunehmend lebensgefährlicher Beruf

Weltweit werden weiterhin Menschen dafür ermordet, dass sie über Missstände berichten, die einem Regime nicht passen. Kürzlich erst wurde bekannt, dass die ukrainische Journalistin Wiktorija Roschtschyna (siehe Kasten) in einem der russisch besetzten Gebiete verschleppt, gefoltert und getötet wurde, sie starb mit nur 29 Jahren einen grausamen Tod. In den USA werden Medienschaffende zunehmend „kritisch“ beäugt und stehen verstärkt unter Druck, unliebsame Recherchen sollen verhindert werden. Ein TV-Sender wurde von Donald Trump auf eine Milliardensumme verklagt, der Chef der Sendung „60 Minutes“ warf das Handtuch, weil sein Sender wegen der Klage und aus Angst vor Repressionen in die redaktionelle Unabhängigkeit eingriff. Hierzu empfohlen, auch wenn einem die Galle bei der Lektüre hochkommt: Trump gegen die Wirklichkeit, MDR, 03.05.25.
(Über den wachsenden Druck auf unabhängige Medien, der in vielen Ländern den Journalismus immer mehr zu einem lebensgefährlichen Beruf macht, berichten Reporter ohne Grenzen zum 3. Mai in der TAZ.)

Mit Hassnachrichten bombardiert und lahmgelegt

Die Wissenschaftsjournalistin Sanaz Saleh-Ebrahimi berichtet in Correctiv zum Tag der Pressefreiheit, wie es Journalist*innen selbst bei vergleichsweise alltäglichen Themen ergehen kann. Ende 2024 veröffentlichte sie einen kritischen Artikel über den Süßstoff Sucralose, der, wenn er erhitzt wird, als potentiell krebserregend gilt. Eine bekannte Fitnessmarke wirbt trotzdem seit Jahren dafür, mit ihren sucralosehaltigen Produkten zu backen. Saleh-Ebrahimi berichtete für Zeit Online und auf ihrem Instagram-Kanal darüber. Daraufhin griff der Mitgründer der Firma More Nutrition, Christian Wolf, in mehreren Videos die Journalistin an, verdrehte ihre Argumente, machte sie lächerlich, suggerierte, sie sei von der Zuckerlobby finanziert worden.

Diese Taktik stellt ein großes Problem dar, weil die Videos millionenfach gesehen und tausendfach kommentiert werden. Zahlreiche Hassnachrichten bombardieren die Betroffenen über Wochen und legen ihre Arbeit lahm. Gerüchte werden gestreut, und immer bleibt irgendwas hängen. Saleh-Ebrahimi entschied sich, gegen Wolfs falsche Darstellungen vorzugehen, nahm sich anwaltliche Unterstützung und ließ ihm Abmahnungen schicken. Inzwischen gibt es mehrere gerichtliche Beschlüsse gegen Wolf, die meisten Videos hat er wieder gelöscht. Die Journalistin hat Strafanzeige wegen Verleumdung gegen ihn gestellt und will ihn auf Entschädigung verklagen. Sie findet es wichtig, genau das zu tun: Für die eigene Berichterstattung einzustehen. Denn solche Art von Angriffen bedrohen die Pressefreiheit. Sie führen in zunehmendem Maße dazu, dass sich Journalist*innen zu eigentlich wichtigen Themen nicht mehr kritisch äußern. Die unausweichliche Folge: Menschen werden wichtige Informationen vorenthalten, informierte Entscheidungen unmöglich gemacht. „Das müssen wir verhindern“, so Saleh-Ebrahimi. Dem schließen wir uns voll und ganz an.

Christine

https://wahrheitskaempfer.de
Seit 2015 sammeln Susanne Köhler und Gerhard Keller auf Wahrheitskaempfer.de Portraits ermordeter und inhaftierter Journalist*innen aus aller Welt. Über 800 Fälle sind hier dokumentiert.
Auch der von Wiktorija Roschtschyna, 1996-2024: Die ukrainische Journalistin berichtete aus Mariupol und Saporischschja. Als sie aus der russisch besetzten Ostukraine berichten wollte, wurde sie dort im August 2023 vom FSB (Inlandsgeheimdienst und Geheimpolizei der Russischen Föderation) verhaftet. Russland erklärte, sie sei im September 2024 gestorben. Die Leiche wurde im Februar 2025 von Russland übergeben, wies Spuren von Folter auf, Organe waren entnommen worden.