Worringer Platz heißt jetzt KAP 1

Viele werfen der Stadt in der Drogenpolitik das Fehlen von Konzepten vor, dabei hat sie eins: Immer wenn die öffentliche Erregung ein bestimmtes Maß übersteigt, schreitet sie zur Tat. Da das nur ab und an mal vorkommt, kann das die Beigeordnete für Kultur und Integration, Miriam Koch von den Grünen, im Nebenjob erledigen. Der eigentlich für Soziales zuständige Burghard Hintzsche hat so genug Zeit für andere Dinge (für was eigentlich?).
Im Februar war es dann mal wieder so weit. Die Situation am Worringer Platz machte vermehrt Schlagzeilen, und die Stadt erkannte sogleich Handlungsbedarf. Sie stellte einen alternativen Aufenthaltsort für die Drogenszene in Aussicht. Der Leiter der Drogenhilfe, Michael Harbaum, begrüßte das zwar und nannte es eine „große Chance“, warnte aber zugleich davor, ein Vakuum entstehen zu lassen. Das blieb allerdings unerhört. Koch & Co. bauten schon einmal ab, bevor sie anderswo etwas aufbauten und schredderten die Glasbänke.
Mit dem Ausweichplatz wurde es dann irgendwie doch nichts, und die Drogenszene zog vor das KAP 1. Da ging das Ganze nun von vorne los. „Platz vor dem KAP 1 ist jetzt ein Brennpunkt“, vermeldete die Rheinische Post. Wenig später schüttelte die Stadt „Neue Wege und Maßnahmen für mehr Sicherheit im Bahnhofsumfeld“ aus dem Ärmel, um „kurzfristig auftretende Überlastungen (…) spürbar und zeitnah zu entzerren“ sowie „eine dauerhafte Platznutzung zu vermeiden“. Zu diesem Behufe beabsichtigt Miriam Koch, die Drogennutzer*innen auf Trapp zu bringen. „Es geht darum, die Szene in Bewegung zu halten, dass man Angebote an verschiedenen Stellen macht, damit die Szene sich nicht auf einen Ort konzentriert“, erläuterte sie. Aber nur als Manövriermasse will Schwarz-Grün die Drogennutzer*innen auch wieder nicht betrachten, die Suche nach einem festen Ort hält an. „Die Verwaltung befindet sich hier in guten Gesprächen“, verlautet aus dem Rathaus. Damit ist jedoch noch längst nicht Schluss. Die Rathaus-Mehrheit startet ein Pilot-Projekt nach dem „Zürcher Modell“, das mit einem Dreiklang von „Sicherheit, Intervention und Prävention“ operiert. Und für ein paar andere Freilandversuche wäre vor der Wahl ja auch noch Zeit.

Castor-Transporte von Jülich nach Ahaus:

„Komplettes Versagen der grünen Landtagsfraktion – und von Ministerin Neubaur“, so formuliert SPD-Mann André Stinka, der im Düsseldorfer Landtag im Umwelt- und Wirtschaftsausschuss ist, seine Kritik und regt an, dass, um die Atommülltransporte wie versprochen zu verhindern, die Koalition aus CDU und Grünen „Eigenkapital“ für den Zwischenlager-Neubau in Jülich bereitstellen müsse. Oder die Landesregierung solle endlich ehrlich sein und den Bürger*innen sagen, dass trotz eines 107 Milliarden schweren Landeshaushaltes das Geld dafür nicht übrig sei.
Die nordrhein-westfälische Vizeministerpräsidentin Mona Neubaur von den Grünen, die für die Atomaufsicht zuständig ist, hat die Atommüll-Transporte bisher nicht verhindert. Sie erklärt seit Jahren gebetsmühlenartig, ihr fehlten hierzu die politischen Mittel. Diese Entscheidung liege allein bei der von Bund und Land finanzierten Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN). Die TERZ hat hierüber mehrfach ausführlich berichtet.
Die NRW-Landesregierung könnte jedoch die drohenden 152 Castor-Transporte von Jülich ins Zwischenlager Ahaus durchaus stoppen, was aus einer Antwort des Bundesforschungsministeriums auf eine Frage des Bundestagsabgeordneten Fabian Fahl (Die Linke) hervorgeht, berichtet die TAZ. Am 17. April schreibe die durch den Regierungswechsel in Berlin mittlerweile ersetzte grüne Staatssekretärin Claudia Müller darin, der Haushaltsausschuss des Bundestags habe schon 2022 erklärt, er fordere „die kostengünstigere Verbringung der Brennelemente nach Ahaus“ für den Fall, dass das Land NRW „die Mehrkosten eines Neubaus in Jülich nicht tragen möchte“. Allerdings: „Eine solche Absichtserklärung seitens des Landes NRW ist der Bundesregierung nicht bekannt“, so Müller. Die Grüne aus der Bundestagsfraktion wendet sich damit gegen die Taktik Mona Neubaurs. So wird das hochgefährliche Problem in unverantwortlicher Weise hin und her geschoben, obwohl CDU und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag von 2022 festlegten, sich für eine „Minimierung von Atomtransporten“ einzusetzen, besonders für die Transporte aus Jülich ins rund 180 Kilometer entfernte Ahaus.
Dort soll schon am 19.05. der Umbau eines Kreisverkehrs, der für die 130 Tonnen schweren Castor-LKWs nötig ist, fortgesetzt werden. NRWs grüner Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer hatte ihn im Januar wohl auch mit Blick auf die Bundestagswahl gestoppt. Mit einem „Castor-Aktionstag“ am 19.05. protestierten Anti-Atom-Initiativen in Jülich und Ahaus dagegen, wie die grünen Minister*innen Atompolitik umsetzen und die Vorbereitungen für die größte Transportserie von hochradioaktivem Müll in der Geschichte der Bundesrepublik vorantreiben. Dieser soll per LKW in bis zu 152 Einzelfahrten über Autobahnen durch die Landeshauptstadt Düsseldorf und das dicht besiedelte Ruhrgebiet ins Lager in Ahaus rollen – das erhebliche Mängel aufweist, nicht ausreichend gegen Terroranschläge und Flugzeugabstürze gesichert ist und nur eine Betriebsgenehmigung bis 2034 hat.
Am Abend des 19.05. sollten im Rathaus in Ahaus aktuelle Infos zu den geplanten Atommüll-Transporten verkündet werden, Politiker*innen und Bürger*innen hofften auf Neuigkeiten. Geladen war unter anderem die JEN, die sagte, sie erwarte im Sommer die Genehmigung für den Transport der 152 Behälter mit hochradioaktivem Müll nach Ahaus. Parallel plane sie weiterhin den Bau eines Zwischenlagers für den Fall, dass die Transporte doch nicht stattfinden dürfen, wie die Stadt Ahaus sowie diverse Anti-Atom-Initiativen fordern. Alles in allem nichts Neues, der Wahnsinn geht weiter.
Quellen: TAZ 15.05.25, WDR 19.05.25

Die Samen des Wahnwitzes – der böse Geist ist nicht zertreten

Aus dem letzten der 10 Echolot-Bücher Walter Kempowskis, Abgesang '45, das sich schwerpunktmäßig mit dem Ende des 2. Weltkrieges am 8. Mai 1945 befasst, wurde am 06.05. in der Zentralbibliothek Düsseldorf vorgelesen. Aus Briefen, Erinnerungen, Zeitzeug*innenberichten und Tagebucheintragungen, die Walter Kempowski in seinen Echolot-Chroniken gesammelt hat, waren drei Daten ausgewählt worden: der 20. April 45, der letzte Geburtstag Hitlers vor seinem Selbstmord, der 30. April, der Tag seines Selbstmords und der 8. Mai, der Tag der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands. Das Grauen der Nazi-Herrschaft, der Gräueltaten, die unfassbaren Leiden der Menschen kamen durch die ausgewählten Beiträge zum Ausdruck, ebenso wie das Unvermögen an Einsicht, das Beharren auf Regimetreue und der Glaube an den „Endsieg” der Nazis, bis zuletzt – und darüber hinaus, wie wir heute wissen.
Ebenfalls von Kempowski bewahrt, und bis in die heutige Zeit aktuell ist, was der damalige US-Präsident Harry S. Truman anlässlich der Kapitulation Deutschlands und seiner faschistischen Verbündeten sagte:
„Nicht aller Faschismus ist mit Mussolini gestorben. Hitler existiert nicht mehr – aber die Samen seines Wahnwitzes haben in vielen fanatischen Köpfen Wurzeln gefasst. Es ist leichter, die Tyrannen zu beseitigen und die Konzentrationslager aufzuheben, als die Ideen auszurotten, aus denen sie geboren sind und ihre Kraft gezogen haben. Der Sieg auf dem Schlachtfeld war unerlässlich, aber er ist nicht alles. Um eines guten, eines dauerhaften Friedens willen müssen die gut gesinnten Völker in aller Welt ihre Entschlossenheit wahren, den bösen Geist zu zertreten, der die Welt im letzten Jahrzehnt überschattet hat. Die Kräfte der Tyrannei und Reaktionen in aller Welt werden versuchen, die Einigkeit der Vereinten Nationen zu untergraben. Bis in die letzten Tage hinein, als die Militärmacht der Achse in Europa bereits zerbrach, haben sie versucht, uns zu trennen. Es gelang ihnen nicht – sie werden es aber wieder versuchen. Sie versuchen es sogar jetzt.”
Die Samen des Wahnwitzes treiben weiter kräftig aus, viele fanatische Köpfe in Deutschland, Europa und weltweit gieren nach der Macht. Grausame Taten wurden und werden weiterhin verübt. Truman würde sich im Grabe herumdrehen – wundern jedoch nicht. Das Gespenst Faschismus hat sich nie aus der Welt verabschiedet.

Solidarität mit Palästina? Der 15. Mai in Düsseldorf

Am 17. Mai startet eine Demonstration der palästinensischen Gemeinde in Düsseldorf vom DGB-Haus zum Düsseldorfer Rathaus. Seit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel und dem Beginn der Gaza Offensive Israels ist es ihre 35. Demonstration in Düsseldorf. Die Beteiligung „biodeutscher“ Aktivist*innen, insgesamt der linken Kräfte in Düsseldorf, ist vorsichtig formuliert sehr „übersichtlich“.
Der Veranstalter spult zu Beginn der Demonstration über seine Lautsprecher routiniert wie bei jeder Demonstration eine minutenlange Durchsage der Düsseldorfer Polizei ab. Eine lange Litanei von Organisationen, die nicht erwähnt, und Parolen, die nicht gerufen werden dürfen. Schon sehr interessant, welche Parolen für ein freies Palästina hier nicht in Wort und Schrift geäußert werden dürfen. Es wird von der Polizei deutlich gemacht: diese Veranstaltung steht unter generellem Antisemitismusverdacht.
Offensichtlich sollen alle Vorwürfe des Genozids und der ethnischen Säuberung in den Giftschrank, während der Krieg, den Israel mit Bomben, Hunger und Vertreibung führt, mit Berufung auf die deutsche Staatsräson, diplomatisch wie militärtechnisch von Deutschland unterstützt wird. Diese Sonderrolle, die Deutschland auch gegenüber Verbündeten für sich in Anspruch nimmt, die harte Sanktionen gegen Israel fordern, macht Transparente der Demonstrierenden erklärlich, auf denen steht: „Befreit Palästina von deutscher Schuld“.
Sicherlich kann man der deutschen Linken, die für ein unabhängiges und selbstbestimmtes Palästina eintritt, nicht vorwerfen, dass sie sich der deutschen Staatsräson unterordnet. Der Druck der Antisemitismusvorwürfe hinterlässt bei linken Organisationen, Redaktionen und Aktivist*innen aber durchaus seine Spuren. Die aktive Solidarität mit Palästina wird zunehmend von der Agenda auch der Friedensbewegung genommen – man übt sich in Selbstbeschränkung.
Im Windschatten dieser „Blindspots“ werden die recht spärlichen Lebensmittellieferungen Israels von CDU-Politiker*innen als entscheidender Durchbruch gefeiert. Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses Laschet versichert, Krieg und Vertreibung der Bevölkerung aus Gaza würden sofort aufhören, würde die Hamas die verbliebenen Geiseln freilassen.
Dem Narrativ der israelischen Regierung, in Gaza gäbe es keine humanitären Versorgungsprobleme, wird nichts bis nur sehr wenig entgegengesetzt. Derweil kokettiert Bundeskanzler Merz weiter damit, Netanjahu nach Berlin einzuladen und den Festnahmebefehl des internationalen Strafgerichtshofes gegen Netanjahu zu ignorieren.
„Auch das muss sich die deutsche Politik eingestehen. Sie trägt ein entmenschlichendes Narrativ mit, das Apartheid mit dem ‚Existenzrecht Israels‘ legitimiert und als ‚Sicherheitspolitik‘ verkauft und Völkerrechtsverbrechen als ‚Selbstverteidigung‘ umdeutet ... Der 15. Mai – der Tag palästinensischen Gedenkens an die Nakba (1947-1949), an Flucht, Vertreibung und Kolonialisierung ist auch eine Mahnung an Deutschland, sich endlich der historischen Realität zu stellen und die Nakba als einen bis heute fortlaufenden Prozess – als andauernde Nakba – zu verstehen und sich konsequent für Gerechtigkeit einzusetzen“, heißt es in einem Gastkommentar im FREITAG vom 15. Mai, unter anderem auch von Michael Barenboim, Konzertmeister des West-Eastern Divan Orchestre in Berlin unterzeichnet.
Text und Foto(siehe Druckausgabe): Michael Flascha