TERZ 0708.25 – RECHTER RAND
Nach mehreren Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Antifaschist*innen Ende Mai und Anfang Juni 2025 hat sich in Krefeld eine neue Dynamik rechter Vernetzung gezeigt.
In Krefeld zeigt sich eine neue Dynamik rechter Vernetzung. Am Pfingstmontag, 9. Juni, reisten etwa 25 bis 30 Personen aus Städten wie Dortmund, Düsseldorf, Mönchengladbach und Neuss an, mutmaßlich organisiert über Instagram und Telegram, um sich in der Innenstadt zu versammeln. Zentraler Treffpunkt war das Café Gebrüder, nur wenige Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt.
Bereits im Vorfeld gab es deutliche Hinweise auf eine Eskalation: Am 31. Mai bedrohten drei bekannte rechte Akteure Menschen in einem Zug Richtung Krefeld. Eine Woche später, am Samstag vor Pfingsten, stieg eine größere Gruppe von 8 bis 10 Personen, teils vermummt, in Szene-Kleidung und mit erkennbaren rechtsextremen Symbolen, am Hauptbahnhof aus. Beobachter*innen zufolge wurden schon während der Bahnfahrt zufällig Mitreisende gefragt, ob sie zur „Antifa“ gehörten. Auch von „Junkies klatschen“ war die Rede. Vom Hauptbahnhof aus steuerte die Gruppe dann auf ein Viertel zu, dass migrantisch geprägt ist, in dem ein Drogenhilfezentrum steht und verschiedene Clubs sowie ein ehemaliges alternatives Zentrum und ein Skatepark liegen. Die genauen Abläufe dieser Nacht sind unklar, aber aufbauend auf den Aussagen, Social Media Posts und Beobachtungen lässt sich folgendes deuten: Offenbar suchte die Gruppe die Konfrontation, war gezielt auf der Suche nach Personen, die als queer, migrantisch, drogenabhängig oder links gelesen werden könnten, also alle Menschen, die nicht in ihr rechtsradikales Weltbild passen. In der Nacht kam es scheinbar auch zu verschiedenen Auseinandersetzungen. In den Tagen danach wurden rund um die Fahrradpromenade und dem Skateplatz NS-verherrlichende Schmierereien entdeckt. Teile davon untersucht inzwischen der Staatsschutz. Schon einen Tag nach dem Vorfall kursierte online ein Mobilisierungsaufruf für Pfingstmontag. Absender: Ein in Krefeld aktiver junger Rechter, der sich auf Instagram als „Bundesreichskanzler“ inszeniert. Der Aufruf wurde durch JS.NRW (Jung & Stark NRW) verbreitet, eine Gruppierung mit mutmaßlichen Verbindungen zur DJV (Deutsche Jugend voran!) und zur JN (Junge Nationalisten, Jugendorga von DIE HEIMAT, ex-NPD). In der Folge reisten ab Montagvormittag mehrere Szeneangehörige aus NRW an — laut antifaschistische Beobachtungen gut organisiert, provozierend im Auftreten und teilweise vermummt.
Ab Mittag teilte sich die Gruppe in kleinere Einheiten auf, die sich im Innenstadtbereich verteilten. In ihren eigenen Beiträgen war von „patrouillieren“ die Rede. Rund um das Café Gebrüder hielten sich über Stunden hinweg rechte Akteur*innen auf, die offenbar die Gegend beobachteten. Aussagen wie „Zecken jagen“ oder „nieder mit der roten Pest“ waren mehrfach zu hören. Am Abend wurde eine Spontandemo angemeldet, die genehmigt wurde. Eine kleinere Gruppe — vermutlich der aktivere Kern — lief mit einem Banner und rechten Parolen durch die Innenstadt, während andere weiter am Café verweilten.
Das Café Gebrüder spielte an diesem Tag eine zentrale Rolle: als Rückzugsort und vielleicht auch als logistischer Knotenpunkt, vor allem aber als zentral in der Innenstadt und am Hauptbahnhof gelegener, rechter Treffpunkt.
Trotz zahlreicher Hinweise auf rechtsradikale Inhalte auf Social Media, darunter Bilder mit Rechtsrock und einschlägiger Symbolik, blieb das Café geöffnet. Gäste konnten ungehindert ein- und ausgehen. Beobachter*innen berichten, dass dort regelmäßig auch Personen aus dem Umfeld türkischer Rechter, der lokalen Kampfsport- und Motorradszene verkehren. Diese Mischung aus klassisch neonazistischen, jugendkulturell rechten und migrantisch geprägten Milieus ist in Krefeld bislang so offensiv noch nicht in Erscheinung getreten, zeigt aber eine Anschlussfähigkeit, die auch über Krefeld hinaus relevant ist.
Am 12. Juni tauchte der „Bundesreichskanzler“, erneut mit einer kleinen Gruppe in der Innenstadt auf. In einem Mix aus Selbstviktimisierung und rechten Talking Points sprach er von angeblichen „Ausländerangriffen auf drei unserer Frauen“. Eine unbelegte Behauptung, die nahtlos ins rechte Narrativ passt. Die erneut ausgerufene NRW-weite Mobilisierung blieb weitgehend folgenlos. Auf dem Ostwall wurden nur etwa ein Dutzend Personen gesichtet.
Es ist kein lokaler Ausreißer, was in Krefeld passiert ist, sondern zeigt, wie schnell und effektiv rechte Netzwerke mobilisieren können — vom Online-Aufruf über die Anreise bis hin zur Raumaneignung. Dabei geht es nicht nur um klassische Neonazi-Strukturen. Vielmehr entsteht eine fluide Szene, in der rechte Jugendliche, migrantisch-nationalistische Milieus, Kampfsportler und Männerbünde zusammenkommen. Diese Konstellationen sind schwer zu greifen, aber gerade deshalb politisch anschlussfähig, und das vor allem in urbanen Räumen am Niederrhein und im Ruhrgebiet.
Ein weiterer Punkt ist der Umgang staatlicher Stellen mit dieser Problematik. Während antifaschistische Beobachter*innen am 9. Juni über Stunden hinweg kontrolliert oder gekesselt wurden, konnte die rechte Szene ungestört agieren, trotz offener Drohungen und einschlägiger Symbolik.
Das wirft Fragen auf: Warum bleibt ein Rückzugsort wie das Café Gebrüder unbehelligt? Wie will die Stadt mit solchen Strukturen umgehen, die sich mitten in der Öffentlichkeit festsetzen? Und was bedeutet es, wenn antifaschistisches Engagement regelmäßig kriminalisiert wird, während rechte Akteur*innen sich nahezu frei bewegen können?
Für eine antifaschistische Öffentlichkeit ist die Dokumentation solcher Vorfälle zentral. Gerade, wenn Medien und Behörden oft schweigen oder relativieren, braucht es Orte der Gegenöffentlichkeit. Was in Krefeld passiert ist, bleibt nicht vor Ort. Es ist Teil einer überregionalen Strategie und erfordert städteübergreifende Aufmerksamkeit, Solidarität und Aufklärung.
Jugend gegen Rechtsruck