Endspiel um die Adler Group?

Im Juni dieses Jahres hat der Wirtschaftsmediendienst Bloomberg berichtet, das Immobilienunternehmen Adler Group wolle knapp 18.000 Wohnungen in Berlin abstoßen. Das klingt zunächst nach einem wenig aufregenden Immobiliendeal. Allerdings handelt es sich bei dem geplanten Verkauf um die letzten verbliebenen Wohnungen des Konzerns. Noch im Januar 2025 hatte die Adler Group mitgeteilt, sich künftig nur noch auf genau diesen Berliner Wohnungsbestand konzentrieren zu wollen.

Wenn sich Adler tatsächlich von seinem letzten großen Vermögenswert trennt, bliebe von dem europaweit tätigen Wohnungskonzern und Immobilienentwickler, der noch vor wenigen Jahren zu den ganz Großen der Branche mit 70.000 Wohnungen in Deutschland gezählt wurde, nur noch der Name, eine leere Hülle, ein Unternehmen ohne operative Geschäftstätigkeit. Damit wäre die Abwicklung in Eigenregie, auf die sich der Konzern mit seinen Anleihegläubiger*innen geeinigt hatte, an ihr logisches Ende gekommen. Von dem Verkauf des stets als Kronjuwel bezeichneten Berliner Wohnungsportfolios erhofft sich Adler Einnahmen in Höhe von 3,5 Mrd. Euro. Diese Summe könnte in die Finanzierung der verbliebenen 3,8 Mrd. Euro Restschulden des Konzerns fließen und damit den Weg für die endgültige Abwicklung ebnen.

Rückblende

Auslöser der Adler-Krise waren im Oktober 2021 die öffentlich erhobenen Beschuldigungen des britischen Börsenspekulanten Fraser Perring, ein Spezialist für Wetten auf fallende Kurse (sog. Leerverkäufe). Er lastete dem Adler-Management Betrug auf Kosten der Aktionär*innen, Bilanzmanipulation und Täuschung der Geldgeber*innen an. Adler gelang es nicht, diese Vorwürfe vollständig zu entkräften, das mit der Prüfung beauftragte Unternehmen KPMG verweigerte das Prüf-Testat und stellte schließlich die Zusammenarbeit mit Adler ganz ein. Damit war dem Konzern zur Refinanzierung seiner Schulden der Zugang zum Finanzmarkt weitgehend versperrt. Nach einem nur zum Schein zu einem horrenden Preis erfolgten Verkauf des Glasmacherviertel-Projekts in Düsseldorf-Gerresheim wurden Vorwürfe der Bilanzmanipulation laut. Die Finanzaufsicht Bafin schaltete sich ein und die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen gegen Adler auf. Ein massiver Vertrauensverlust bei Anleihegläubiger*innen und Aktionär*innen war die Folge. Der Aktienkurs des Adler-Konzerns stürzte von 46 Euro im Jahr 2019 auf zeitweise weniger als 20 Cent ab. Der drohenden Zahlungsunfähigkeit angesichts fälliger Anleihe-Rückzahlungstermine konnte Adler nur durch zweimalige Umschuldungsvereinbarungen mit den wichtigsten Gläubiger*innen entgehen. Am Ende musste der Konzern einem Restrukturierungsplan zustimmen, der faktisch auf die Abwicklung des Konzerns in Eigenregie hinauslief. Dem Handeln der Anleihegläubiger*innen, darunter Pimco, Taconic Capital Partners und Sculptor Capital Management, lagen natürlich keine altruistischen Motive zugrunde. Es ging um die kühle Abwägung, dass im Fall einer Insolvenz noch höhere Verluste gedroht hätten.

Abwicklungsstrategie der Adler-Gläubiger*innen

Seit 2024 hat die Gruppe der größten Anleihegläubiger*innen 75% der Aktienstimmrechte und damit die Kontrolle über den Adler-Konzern übernommen. Diese Gruppe institutioneller Anleger kann nun den Immobilienabverkauf direkt steuern, bei dem es darum geht, so viel wie möglich von dem Kapital zu retten, das sie in die Adler Group investiert haben. Das geschieht zum einen durch den Verkauf noch vorhandener Wohnungsbestände, zuletzt im Januar 2025 als in NRW 6.700 Wohnungen – hauptsächlich in Duisburg, Düsseldorf, Essen, Oberhausen und Dortmund – von zwei Investmentfonds übernommen wurden (der Nettoerlös wird auf 215 Mio. Euro geschätzt). Zum andern geht es um Immobilienprojekte, die nie fertiggestellt wurden (Bsp. Steglitzer Kreisel in Berlin) oder gar nicht erst in Angriff genommen wurden, weil man aus spekulativen Gründen auf den stetigen Wertzuwachs der Grundstücke durch bloßes Abwarten gesetzt hatte. In Düsseldorf geht es um die Adlerprojekte Glasmacherviertel (Gerresheim), Grand Central (Oberbilk), Benrather Gärten (Benrath) sowie Upper Nord Tower und Upper Nord Quartier (Düsseltal, Nähe Mörsenbroicher Ei).

Die Verkaufsstrategie von Adler zeichnet sich bisher nicht durch große Eile aus. Das hat offensichtlich auch die Stadt Düsseldorf irritiert, die immer wieder in „guten Gesprächen“ (so Planungsdezernentin Cornelia Zuschke), am Ende aber erfolglos auf rasche Lösungen gedrängt hat, damit angekündigte Wohnungsbauvorhaben endlich in Gang kommen. Den Gläubiger*innen, die nun selbst das Steuer bei Adler übernommen haben, geht es aber nicht um schnelle, sondern um möglichst hohe Abschlüsse. Während der noch immer nicht ganz überwundenen Immobilienkrise ist das kein leichtes Unterfangen. Auf Zeit zu spielen kann sich dabei preislich als Vorteil erweisen. An einem Überleben der Adler Group als Unternehmen haben die Gläubiger*innen kein Interesse, das haben jetzt die Verkaufspläne für die letzten verbliebenen Wohnungsbestände in Berlin deutlich gemacht. Die dortigen Verkaufsverhandlungen könnten sich gleichwohl noch länger hinziehen. Adler hat in den letzten Jahren wenig bis nichts in die Berliner Wohnimmobilien investiert, die baulichen Mängel haben inzwischen erhebliche Ausmaße angenommen. Die Wut und Empörung der Bewohner*innen, die sich in Mieter*innen-Initiativen organisiert haben, sind entsprechend groß. Potenzielle Käufer*innen werden den riesigen Instandsetzungsstau einpreisen müssen. Der anvisierte Verkaufserlös von 3,5 Mrd. Euro könnte sich dann rasch als Illusion entpuppen.

Ende der Spekulationsbrachen in Düsseldorf?

Aus Sicht der Gläubiger*innen war der bisherige Abverkauf von Adler-Immobilien durchaus erfolgreich. Der Schuldenberg der Adler Group, der sich auf 7,4 Mrd. aufsummiert hatte, konnte mit den Verkaufserlösen auf fast die Hälfte reduziert werden. Auch in Düsseldorf hat es – mit Ausnahme des ehemaligen Nirosta-Geländes (Benrather Gärten) – bei einigen Adler-Projekten inzwischen Verkäufe gegeben oder sie sind angekündigt. Ob auf den Spekulationsbrachen dann auch in absehbarer Zeit die von der Stadt erhofften mehrere tausend Wohnungen entstehen werden, steht aber auf einem ganz anderen Blatt.

Im April dieses Jahres hat die Nexus Investment GmbH das Adler-Projektgelände Upper Nord Tower in der Nähe des Mörsenbroicher Eis gekauft. An der Planung eines 120 Meter hohen Turms, der bis 2028 fertiggestellt sein soll, hält der Investor fest. Zur Hälfte sollen darin 400 Wohneinheiten entstehen. Ob darunter auch bezahlbare Wohnungen sein werden, bleibt offen. Schon im Oktober 2024 war das benachbarte Adler-Immobilienprojekt Upper Nord Quartier von Art-Invest Real Estate übernommen worden. Nach dem Bebauungsplan aus dem Jahr 2016 war hier nur Gewerbenutzung geplant. Der neue Eigentümer prüft noch, ob dort auch Wohnen möglich sein könnte.

Auch für den Adler-Anteil des Grand Central-Projekts in Oberbilk – das Gelände liegt seit über 10 Jahren brach – soll nach Medienberichten mit dem Immobilienunternehmen GBI jetzt ein Käufer gefunden worden sein. Mehrheitseigner von GBI ist seit 2022 der international tätige Immobilienfonds Henderson Park. Der Verkaufspreis soll bei 75 Mio. liegen. Frühere Pläne, die Immobilie durch ein Konsortium unter Führung des Immobilienunternehmens Catella zu erwerben, eine Lösung, die auch die Stadt Düsseldorf begrüßt hätte, waren nicht zuletzt an den Preisvorstellungen von Adler gescheitert. Da die Stadt für das Areal kein Vorkaufsrecht hat, war auch das keine Option. Catella hatte den größeren Teil der Projektgesellschaft 2019 für 110 Mio. Euro an Adler verkauft. Demnach hätte Adler bei dem jetzigen Verkauf einen Preisabschlag von ca. 32 % hinnehmen müssen. Ob und wann GBI/Henderson Park mit der Bebauung des Geländes beginnt, bleibt offen. Öffentlich geförderter preiswerter Wohnraum wird aber kaum dabei sein. Denn die nach dem gültigen Bebauungsplan vorgesehenen 147 Sozialwohnungen hat Catella auf seinem verbliebenen Projektteil längst realisiert.

Im Fall der größten Spekulationsbrache in Düsseldorf, dem seit Schließung der Glashütte vor 20 Jahren brachliegenden Glasmacherareal in Gerresheim, hat Adler alle Anteile an seinem Tochterunternehmen Brack Capital Properties an das ehemals landeseigene Immobilienunternehmen LEG veräußert. Nach der Übernahme auch der restlichen, nicht von Adler gehaltenen Anteile ist die LEG nun alleinige Eigentümerin von Brack Capital und damit auch der Glasmacherviertel GmbH inklusive des Glashüttenareals. Allerdings hat die LEG bereits verlauten lassen, derzeit gar nicht zu bauen wollen, und wenn, dann nur mit Partner*innen (die es bisher nicht gibt). Als Alternative steht auch ein Weiterverkauf im Raum. Der Konzern vollzog die Transaktion an der Stadt vorbei, die erst im Nachgang informiert wurde. Für das Glashüttenareal hatte sich die Stadt zwar vorausschauend per Satzungsbeschluss das Vorkaufsrecht gesichert, zum Zuge kam sie damit aber nicht. Aus Sicht der LEG hat nämlich gar kein Kauf bzw. Verkauf stattgefunden, den man hätte anzeigen müssen. Es habe sich lediglich um einen „mittelbaren Eigentumswechsel“ innerhalb des Unternehmens Brack Capital gehandelt, an dem die LEG ja bereits Minderheitsaktionär war. Die LEG hat das kommunale Vorkaufsrecht auf diese Weise erfolgreich ausgetrickst und die Stadt damit düpiert. Dagegen juristisch vorzugehen, wie von den Grünen gefordert, hält Planungsdezernentin Zuschke nicht für aussichtsreich. Stattdessen wolle mensch nun mit den vorbereitenden Untersuchungen für ein Städtebauliches Entwicklungsvorhaben (SEM) beginnen. Der Rat hatte die Nutzung dieses Instruments schon vor drei Jahren beschlossen. Warum erst jetzt eine konkrete Anwendung ins Auge gefasst wird, lässt sich nur damit erklären, dass die Stadt jeden Eingriff ins Eigentum scheut und möglichst vermeiden will. Die Umsetzung einer SEM ist juristisch anspruchsvoll und langwierig, könnte aber am Ende die Stadt in die Lage versetzen, einen Verkauf zum Verkehrswert zu erzwingen. Das aber kann dauern. Zunächst wäre es nur die Drohung mit einer Möglichkeit. Ob sich die LEG davon beeindrucken lässt, bleibt abzuwarten.

Aus Erfahrung klug werden

Die Immobilienpleiten von Adler und auch von Benko haben in Düsseldorf immer noch Spätfolgen, die die Stadtentwicklung und, vor allem im Fall von Adler, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum erheblich beeinträchtigen. In beiden Fällen waren es Geschäftsmodelle, die auf dem Ankauf von Immobilien mit sehr viel Fremdkapital basierten. Damit wurden ohne wirkliche Substanz die Bilanzen aufgeblasen und Anleger*innen getäuscht. In der Immobilienkrise sind diese Blasen geplatzt. Adler und Benko mögen hinsichtlich des Umfangs der Geschäftstätigkeit sowie ihrer Skrupellosigkeit und kriminellen Energie Sonderfälle sein, Ausnahmen sind sie aber nicht. Der Immobilienmarkt selber ist der Sumpf, auf dem solche Sumpfblüten immer wieder gedeihen. Solange die Politik das private Eigentum an Grund und Boden wie eine heilige Kuh behandelt, wird es Immobilienspekulation auf künftige Gewinne und Investor*innen geben, die bereit sind, für die Aussicht auf hohe Renditen auch hohe Risiken in Kauf zu nehmen. Negative Folgen sind dann vorprogrammiert, die wie in den geschilderten Fällen nicht zuletzt die lokale Gesellschaft tragen muss. Diese Folgen lassen sich nur eindämmen, wenn die Kommunen sich möglichst aus der Abhängigkeit von den Immobilienmärkten befreien, den städtischen Grund und Boden unter ihre Kontrolle bringen und den Wohnungsbau nicht länger dem Markt überlassen, sondern als Bauherren selber in die Hand nehmen. Die Suche nach den guten Investor*innen ist vergebliche Liebesmüh, nicht weil alle Investor*innen schlechte Menschen sind, sondern weil der Markt so ist wie er ist.

Helmut
Bündnis für bezahlbaren Wohnraum