TERZ 09.25 – RECHTER RAND
Schon seit Wochen kündigt der immer weiter nach rechts rückende Düsseldorfer AfD-Kreisverband (KV) für den 15.9.2025 – also für den Tag nach der Kommunalwahl – eine Saalveranstaltung mit dem als „Vordenker“ und „wichtigster Aktivist“ der deutschen „Neuen Rechten“ geltenden Götz Kubitschek im Bürgerhaus Bilk an. Man zeigt sich mit Blick auf die Wahl siegessicher: „Denn wir sind gekommen, um zu bleiben.“ Kubitscheks Thema: „Die ersten 100 Tage – eine Vision“.
„Gestern als einer der Redner auf einer Veranstaltung in Düsseldorf gewesen“, so Claus Cremer, seit 2008 NRW-Landeschef der sich 2023 in „Die Heimat“ umbenannten NPD, am 19.1.2025 via „telegram“: „Nationale/patriotische/freiheitsliebende Menschen aus den unterschiedlichsten Strukturen (Heimat, AfD, Freier Widerstand, [Rocker-Szene, Fußballfan-Szene]“ [Im Original sind hier ein Motorrad und ein Fußball abgebildet.] seien zusammengekommen, „um zu schauen, wie eine organisationsübergreifende Arbeit in der Landeshauptstadt aussehen könnte“.
Auch wenn man Cremers Berichten stets mit Skepsis begegnen sollte, so dürfte das genannte Zusammentreffen tatsächlich stattgefunden haben. Auszuschließen ist wohl, dass die AfD offiziell teilgenommen oder gar eingeladen hat. Dass aber Akteur*innen der AfD vor Ort waren, daran zweifelt wohl niemand ernsthaft. Erst recht nicht angesichts der sichtbaren Rechtsentwicklung des Düsseldorfer KV, der in den letzten Monaten immer wieder für Aufmerksamkeit sorgte, wie zuletzt nach der Abwahl bzw. Abberufung von mehreren, als Vertraute des aktuellen AfD-Landesvorsitzenden Martin Vincentz geltenden Kreisvorstandsmitgliedern, sowohl aus ihren Ämtern als auch von der schon lange zuvor beschlossenen Kandidat*innenliste für die anstehende Kommunalwahl. Oder auch durch das Bekanntwerden von Plänen, Martin Sellner, bis 2023 Sprecher der „Identitären Bewegung Österreich“ und einer der Hauptredner beim „Potsdamer Treffen“ am 25.11.2023, zu einer Veranstaltung nach Düsseldorf einzuladen. Sellners völkischer „Masterplan zur Remigration“ scheint bei der Düsseldorfer AfD jedenfalls auf großes Interesse oder sogar Zustimmung zu stoßen, ebenso wie der offen extrem rechte Kurs des Dortmunder AfD-MdB Matthias Helferich, dem exponiertesten Widersacher des vermeintlich „gemäßigten“ Vincentz-Flügels im Landesverband. Jedenfalls zeigen sich Düsseldorfer AfD-Funktionär*innen gerne mal an Helferichs Seite und besuchen auch seine Veranstaltungen, so beispielsweise am 19.6.2025 einen Vortrag mit dem rheinland-pfälzischen AfD-MdL und „Alten Herrn“ der „Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks“, Joachim Paul. Thema seines Vortrags sei das „Nibelungenlied“ gewesen, so Jeremy Franosch, Mitglied des Düsseldorfer AfD-Kreisvorstands und einer der Hauptaktivisten der extrem rechten „Alten Halleschen Burschenschaft Rhenania-Salingia zu Düsseldorf“, der auf Platz 7 der AfD-Liste zur Stadtratswahl am 14.9. antritt und sich Hoffnung macht, ins Stadtparlament einzuziehen.
Neben mehreren Vorstandsmitgliedern und einem aktuellen Ratsmitglied der Düsseldorfer AfD waren am 19.6. mit Sven Gustavsohn und Dennis Busch auch mindestens zwei der Neonazi-Szene nahestehende oder ihr sogar angehörige Personen in der Düsseldorfer AfD-Reisegruppe zu finden. Der in Bilk wohnhafte Gustavsohn gehörte schon um die Jahrtausendwende einer rechten Skinhead-Gruppe an und war 2001 an einem Angriff auf der Brunnenstraße beteiligt, bei dem drei Gäste der Gaststätte „Tigges“ schwer verletzt wurden. Seit 2023 sieht man ihn immer häufiger bei AfD-Infoständen und -Veranstaltungen, oft an der Seite von lokalen AfD-Funktionsträger*innen. Seit 2025 nimmt er auch an Neonazi-Aufmärschen teil, beispielsweise in Münster und Bonn. Gerne lässt er sich auch mit Akteuren der ehemaligen „Bruderschaft Deutschland“ (BSD) und aus der Rocker-Szene sehen, u.a. mit dem ehemaligen BSD-Anführer Ralf Nieland und dessen Zögling Dennis Busch, den die AfD auf einen sicheren dritten Listenplatz bei der Wahl zur Bezirksvertretung (BV) im Stadtbezirk 10 (Garath/Hellerhof) gesetzt hat. Busch gehörte von etwa 2018 bis zu ihrer Auflösung 2022 der BSD an und war dort als 1999 Geborener einer der wenigen jungen Mitglieder. Nach dem Ende der BSD orientierte sich der aktive Kampfsportler auf den rechten MC „Ghost Gang“ (Chapter Wuppertal) und war oft in deren Clubhaus anzutreffen. Offenbar hat er sich dort bewährt, wurde schnell zum Fullmember und soll inzwischen sogar die Funktion des „Sergeant at Arms“ bekleiden. Oft an seiner Seite: der fast 30 Jahre ältere Ralf Nieland aus Eller, der sich 2020 aufgrund von Ermittlungsverfahren, antifaschistischer Gegenwehr sowie beruflichen und privaten Rückschlägen gezwungen sah, sich aus der BSD und (sichtbaren) politischen Arbeit zurückzuziehen und seitdem offenbar im Hintergrund wirkt und hierbei auf ein umfangreiches Netzwerk an Kontakten zurückgreifen kann. Möglicherweise im Zusammenhang mit dem eingangs erwähnten „organisationsübergreifenden“ Treffen am 18.1.2025 könnte stehen, dass Nieland, Busch, mehrere weitere Ex-BSDler sowie Gustavsohn am 20.2.2025 in Gruppenformation eine AfD-Saalveranstaltung in Bilk besuchten. Weitere Besuche folgten, zuletzt am 18. August 2025. Dabei wurden die Akteure stets freundlich, teilweise sogar herzlich von Mitgliedern des AfD-Kreisvorstandes begrüßt.
Der aktuell etwa 280 bis 300 Mitglieder umfassende Düsseldorfer KV der AfD genießt kein besonders hohes Ansehen im Landes- und Bundesverband und galt sogar in der Vergangenheit aufgrund seines geringen Aktivitätsgrades und seines drittklassigen Personals eher als Sorgenkind – weit entfernt von einem repräsentativen, starken Kreisverband in der Landeshauptstadt des einwohnerstärksten Bundeslands. Schaut man sich die Liste der AfD-Abgeordneten im Bundestag und Landtag sowie die der Landesvorstands- und Parteivorstandsmitglieder an, so sucht man vergeblich nach Personen aus Düsseldorf. Bei den Kommunalwahlen 2014 konnte die Partei in Düsseldorf gerade einmal 3,0 Prozent und zwei Ratsmandate erzielen, wovon letztendlich aufgrund eines Abgangs nur ein Mandat übrigblieb. Auf Antritte zu den Bezirksvertretungen wurde verzichtet. 2020 waren es dann 3,6 Prozent und drei Ratsmandate, was die Bildung einer Fraktion ermöglichte. Zudem insgesamt neun Sitze in acht von zehn Bezirksvertretungen, wobei nur bei acht BV-Wahlen Kandidat*innen aufgestellt wurden. Drei der neun Sitze kamen durch Aus- und Übertritte abhanden, der errungene zweite Sitz in der BV 10 konnte mangels Kandidat*innen erst gar nicht angetreten werden. Letztendlich verblieben bis dato also fünf BV-Mandate in den zehn BV. Auf der Straße ist der KV allerdings deutlich sichtbarer. Im Gegensatz zu nahezu allen anderen Parteien werden quasi ganzjährig an Wochenenden Infostände organisiert. Hinzu kommen öffentliche Saalveranstaltungen und auch Kundgebungen, zumeist im Zusammenhang mit geplanten Unterkünften für Geflüchtete oder anstehenden Wahlen. Auch in den sozialen Medien ist die AfD sehr präsent. Im Stadtrat versucht sich die AfD angesichts der Tatsache, dass die dreiköpfige Fraktion von allen anderen Ratsabgeordneten boykottiert wird, auf eine medial aufbereitete Inszenierung als Opfer. Anträge, Anfragen und Auftritte setzen auf Provokation und nutzbare Reaktionen. Aber auch Sachanträge werden gestellt, um sich nach außen als lokalpolitisch kompetent und koalitionsfähig zu zeigen. Dabei werden nicht selten lokale Initiativen instrumentalisiert und vor den eigenen Karren gespannt, wie zum Beispiel bei Themen wie Gaslaternen und Verkehrsplanung. Von den aktuellen drei Ratsabgeordneten der Düsseldorfer AfD – Uta Opelt, Wolf-Rüdiger Jörris und Andrea Kraljic – ist nur noch Kraljic auf der aktuellen Kandidat*innenliste zu finden – und zwar direkt hinter dem Spitzenkandidaten und Kreisvorsitzenden Elmar Salinger auf einem sicheren zweiten Listenplatz. Offenbar verläuft die parteiinnere Konfliktlinie auch mitten durch die Ratsfraktion.
Nach den drei Erstplazierten auf der AfD-Liste zur Stadtratswahl – dem ehemaligen Mitglied der „Grünen“ Elmar Salinger, Andrea Kraljic und dem Ex-SPD-Mitglied Marco Vogt – folgen auf den Plätzen vier bis sechs der AfD-OB-Kandidat Claus Henning Gahr sowie mit Jan Datskovskiy und Andreas Winter zwei Personen, die in der Vergangenheit nicht öffentlich wahrnehmbar in Erscheinung getreten sind. Und auch von Gahr war vor der Verkündung seiner OB-Kandidatur im Frühling 2025 nichts bzw. kaum etwas zu vernehmen. Wenig Hoffnung auf ein Stadtratsmandat dürfte sich auf Platz 10 der ehemalige Landesvorsitzende und Ratsherr der Partei „Die Republikaner“ (REP), Andre Maniera, machen. Dafür aber ist ihm wohl als Spitzenkandidat im Stadtbezirk 2 ein Platz in der BV 2 (Flingern, Düsseltal) sicher. Mit Karl-Heinz Fischer aus Garath ist auch noch ein zweiter Ex-REP-Funktionär unter den Kandidat*innen zu finden – auf Platz 5 der BV-10-Wahl. Legt man das letzte Bundestagswahlergebnis zugrunde, hätte der ehemalige REP-Kreisvorsitzende durchaus eine Chance, ebenfalls in die BV 10 einzuziehen. Auch für Maniera und Fischer gilt, dass beide keinerlei Berührungsängste zur Neonazi-Szene haben dürften: Schon im Vorfeld der Landtagswahlen 2017 gehörten Mitglieder der BSD zu ihren lokalen REP-Kundgebungs- und Demoteilnehmer*innen, einige sogar als Ordner.
Erwartungsgemäß setzt die AfD Düsseldorf in ihrem Wahlprogramm stark auf das Thema „Asyl und Integration“. Die Stadt Düsseldorf würde sich Menschen mit Migrationsgeschichte gegenüber unterwürfig zeigen. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum sei durch mehr Abschiebungen zu beheben, Geldleistungen und Gesundheitskarten für Geflüchtete zu streichen. Auch ansonsten bietet das Wahlprogramm keinerlei Überraschungen: die Streichung städtischer Mittel für islamische Kultur, ein Moscheebauverbot, die Einrichtung von „Neutralitätsbeauftragten“ an Schulen, gegen „Gender Gaga“ und „Frühsexualisierung“, für die Streichung von Fördermitteln für das ZAKK und so weiter. Medial sorgte die AfD im Wahlkampf durch ihre Vorschläge zur Nutzung der leerstehenden Bergischen Kaserne u.a. für die Unterbringung von Drogenkranken – und damit deren Vertreibung aus der Innenstadt und öffentlichen Wahrnehmung.
Bei der Bundestagswahl im Februar kam die AfD in Düsseldorf auf 11,3 Prozent, im Stadtbezirk 10 sogar auf 28,9 Prozent. Eine von den „Grünen“ bei der Meinungsforschungsagentur „Pollytix“ in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage ergab ein Ergebnis von 7 Prozent für die AfD in Düsseldorf, was nahezu eine Verdoppelung des Ergebnisses von 2020 bedeuten, aber deutlich unter dem Bundestagsergebnis liegen würde. „Ein Ergebnis zwischen 9-11,5 % erzielen oder noch stärker abschneiden“, lautet das vom stellvertretenden Kreisvorsitzenden Marco Vogt angestrebte Ergebnis. Wie auch immer das Wahlergebnis letztendlich aussehen wird: Auch in Düsseldorf wird die AfD von Jahr zu Jahr stärker, wahrnehmbarer und selbstbewusster. Es bleibt zu hoffen und dafür zu sorgen, dass der Boykott gegen die Partei in den kommunalen Parlamenten konsequent aufrechterhalten und ihr auch auf der Straße bei jedem Auftritt weiterhin Protest und Widerstand entgegengesetzt wird.
ABR