Wahlkampfschlager Wohnen

In dem noch nicht lange zurückliegenden Bundestagswahlkampf hatte selbst die FAZ mit einem gewissen Erstaunen ein „fatales Schweigen zur Wohnungsfrage“ registriert. Hatten doch viele Politiker*innen zuvor den gravierenden Mangel an bezahlbaren Wohnungen immer wieder als die zentrale soziale Frage bezeichnet. In Düsseldorf scheint das vor den Kommunal- und OB-Wahlen am 14. September aber völlig anders zu sein. Jedenfalls gehört Wohnen im Wahlkampf, der jetzt in seine heiße Phase getreten ist, unübersehbar zu den Top-Themen. Auf Wahlplakaten und Flyern oder in den Gesprächen, die die Kandat*innen der Parteien derzeit verstärkt mit den Bewohner*innen der Stadt suchen, ist Wohnen stets prominent vertreten.

Ist schon allein dieser Umstand bemerkenswert, fällt aber auch inhaltlich eine veränderte Tonlage auf. Jahrelang ist das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum mit seiner Forderung nach einer grundlegenden Wende in der kommunalen Wohnungspolitik auf taube Ohren gestoßen. Außer einem „weiter so wie bisher“ war von den verantwortlichen Politiker*innen der Stadt lange nicht viel mehr zu hören. Das Vertrauen in die segensreiche Wirkung der Marktkräfte schien ungebrochen. Inzwischen scheint es daran aber doch einige Zweifel zu geben – nicht bei allen Parteien (bei FDP und AfD eher nicht) und nicht bei allen in demselben Ausmaß.

Hintergrund ist das Ende des langjährigen Immobilienbooms im Jahr 2022, mit dem zugleich eine Krise des Wohnungsbaus einherging. Der Neubau von Wohnungen war und ist bis heute für renditeorientierte Investor*innen angesichts hoher Zinsen, hoher Baukosten und eines nur begrenzt aufnahmefähigen Marktes kein lukratives Geschäft. Das Mantra „bauen, bauen, bauen“ als Antwort auf das wachsende Wohnungsdefizit hat ganz erheblich an Glaubwürdigkeit verloren. Wirklich überzeugend war diese Parole ohnehin nie, denn auch im Laufe des zurückliegenden, fast zwölfjährigen Booms ist das Defizit vor allem, was bezahlbare Wohnungen betrifft, trotz reger Bautätigkeit stetig gewachsen. Hochpreisig zu bauen ist für Investor*innen halt immer die lukrativere Variante.

Diese Entwicklung stellt die Politik, namentlich die lokale Politik, vor zwei große Herausforderungen, für die Antworten gefunden werden müssen:

  1. Zum einen geht es angesichts des Ausfalls der privaten Wohnungswirtschaft darum, die Rolle der Kommunen beim Bau von Wohnungen, vor allem bezahlbaren Wohnungen, neu zu definieren.
  2. Mangels rentierlicher Anlageoptionen im Neubau sind nun die Bestandswohnungen verstärkt in den Fokus von Investor*innen geraten. Ihr Geschäftsmodell besteht darin, Mietshäuser aufzukaufen, die Bestandsmieter*innen zu verdrängen und dann nach Sanierung oder auch Abriss und Neubau Wohnungen wesentlich teurer neu zu vermieten oder als Eigentumswohnungen zu vermarkten.

Die Fälle, bei denen Eigentümer*innen mit Methoden im Graubereich von Mobbing bis zu strafbarer Nötigung versuchen, langjährige Bewohner*innen zu verdrängen, haben zugenommen, und damit ist auch der Druck auf die lokale Politik gewachsen, dem Einhalt zu gebieten.

Wohnungsneubau

Offensichtlich ist die Einsicht gewachsen, die Stadt müsse nun angesichts des nicht zu leugnenden Marktversagens selber stärkeren Einfluss auf den Wohnungsbau nehmen. Planungsdezernentin Cornelia Zuschke möchte die Stadt befähigen, auch selbst Bauherrschaft zu übernehmen (zit. nach RP 25.7.25). Solche Töne von der Spitze des Planungsamtes sind neu. Ein Ergebnis dieser veränderten Haltung war bereits die 2023 von OB Keller lancierte „Wohnbauoffensive“, nach der bis 2030 8.000 Wohnungen, davon zur Hälfte auf städtischen Flächen, „aktiviert“ werden sollen. Unter dem Motto „Kurs halten“ hat die CDU das auch so in ihr Wahlprogramm übernommen. Bis heute wurde allerdings noch keine einzige Wohnung im Rahmen der „Offensive“ fertiggestellt. Auch das ein Jahr später auf den Weg gebrachte Impulsprogramm, das den Bau von max. 800 Mietwohnungen für mittlere Einkommensgruppen (Startmiete 12 Euro) und den Erwerb von Eigentum durch die Vergabe zinsloser Darlehen stimulieren soll (die Zinskosten von ca. 60 Mio. Euro übernimmt die Stadt), gehört zu den städtischen Eingriffen in den Wohnungsmarkt, den man früher gern sich selbst überlassen hat. Die bereitgestellten Mittel werden offensichtlich genutzt – ob sie auch wirklich die erhoffte stimulierende Wirkung haben oder nur für ohnehin geplante Vorhaben „mitgenommen“ werden, bleibt dabei unklar.

Über Parteigrenzen hinweg ist ein breiter Konsens erkennbar, die Rolle der städtischen Wohnungsgesellschaft (SWD) zu stärken. Sie soll finanziell und personell gestärkt werden, mehr Flächen erwerben und mehr (bezahlbare) Wohnungen bauen. Grundsätzlich wird das von CDU, SPD, Grünen und der Linken befürwortet. Die SPD hat das in ihrem Programm konkretisiert: Pro Jahr soll die SWD 500 Wohnungen bauen und 150 Mio. für Grundstücksankäufe erhalten. SPD, Volt, Grüne und Linke streben an – teilweise mit explizitem Bezug auf das Beispiel Wien – dass Stadt und SWD längerfristig mit einem gemeinwohlorientierten, bezahlbaren Wohnungsangebot den Wohnungsmarkt aktiv und maßgeblich mitgestalten.

Mit Ausnahme der AfD spricht sich keine Partei gegen den öffentlich geförderten Wohnungsbau aus. Feste Quoten, die im städtischen Baulandmodell festgelegt sind, will die CDU aber nicht ausweiten, die FDP lehnt sie generell ab und will lieber im Einzelfall entscheiden. Als einzige Partei erhebt die CDU ausdrücklich die Forderung nach Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe im sozialen Wohnungsbau. Sie begibt sich damit in gefährliche Nähe zu dem populistischen Ressentiment, das auch von FDP und AfD geteilt wird: Danach wird der Sozialstaat von Menschen ausgenutzt, die keine Unterstützung (mehr) benötigen, was Einsparpotenziale blockiere und einer Konzentration von Hilfen für wirklich Bedürftige im Wege stehe. Der Systemfehler des öffentlich geförderten Wohnungsbaus – die Befristung der Preisbindung – wird allerdings von keiner Partei angesprochen. Trotz steigender Fördersummen nimmt der Bestand an Sozialwohnungen auch in Düsseldorf stetig ab, weil mehr Wohnungen aus der Preisbindung fallen, als neue gebaut werden. Die ausdrückliche Forderung nach Wiedereinführung der 1990 abgeschafften Wohnungsgemeinnützigkeit sucht man in den Parteiprogrammen vergebens. Diese Forderung müsste sich allerdings vor allem an die Bundespolitik richten.

Mieterschutz vor Entmietung und Verdrängung

In Düsseldorf gibt es mehr als 368.000 Wohnungen, die weitaus meisten (81 Prozent) sind Mietwohnungen. Lange wurde dem Bestand wohnungspolitisch jedoch wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dass sich Wohnungsamt und Wohnungsaufsicht um die Belange von Bestandsmieter*innen kümmern, hielt man lange für ausreichend. Der Fokus lag auf dem Neubau, der für renditeorientierte Investor*innen in der Immobilienkrise aber stark an Bedeutung verloren hat. Die setzen nun verstärkt auf Renditesteigerungen durch Aufwertung im Bestand. Dabei werden Bestandsmieter*innen aus ihren Wohnungen verdrängt und noch vorhandener bezahlbarer Wohnraum vernichtet. Die Protestdemonstration von mehreren hundert Mieter*innen in Golzheim am 3. November 2024 hat aber schlagartig deutlich gemacht, welcher soziale Sprengstoff sich hier angesammelt hat. Diese Botschaft hat auch die Stadtspitze erreicht, und die Auswirkungen sind lokalpolitisch bis heute spürbar. OB Stephan Keller hat Mieter*innen zum Gespräch eingeladen und sich vor Ort die Situation schildern lassen. Er musste einräumen, dass zwischen Aktenlage und Wirklichkeit eine erhebliche Diskrepanz besteht und hat zugesagt, zumindest gegen solche Entmietungspraktiken vorgehen zu wollen, die nicht Recht und Gesetz entsprechen. Als konkretes Ergebnis gibt es nun eine neue städtische „Beratungsstelle Wohnraumschutz“, die Mieter*innen schnell und unbürokratisch Unterstützung anbieten soll. Die Bewährungsprobe in der Praxis steht noch aus. Die Idee haben SPD, Grüne und Linke in ihren Wahlprogrammen aufgegriffen. Sie fordern aber darüber hinaus, das Serviceangebot nach Wiener Vorbild deutlich zu erweitern und mit einem proaktiven Mandat auszustatten.

Als wichtiges wohnungspolitisches Instrument gegen Verdrängung und Mietsteigerungen im Bestand gilt die städtebauliche Erhaltungs- oder Milieuschutzsatzung. Nach mehrjähriger Vorbereitung trat am 13. Mai 2025 die erste Satzung für Bilk-Mitte in Kraft. Weitere Gebiete wurden identifiziert, die ebenfalls dafür in Frage kämen. Die Satzung erlaubt Eingriffe in die Rechte von Eigentümer*innen bei Rückbau, baulichen Änderungen und Nutzungsänderungen. Die Stadt hat dabei einen Genehmigungsvorbehalt, um Luxussanierungen und Mietsteigerungen entgegenzuwirken. Wegen fehlender Rechtsgrundlagen können derzeit aber weder Wohnungsumwandlungen verhindert noch das kommunale Vorkaufsrecht präventiv genutzt werden. Das schränkt die mögliche Wirkung der Satzung erheblich ein.

Nur widerstrebend hat die CDU im Rat der Einrichtung der ersten Milieuschutzsatzung zugestimmt. Die Aussagen im Wahlprogramm der CDU lassen erkennen, wie sehr man sich von der nach einem halben Jahr vorgesehenen Evaluierung erhofft, damit die weitere Anwendung der Satzung verhindern zu können, ganz zu schweigen von einer Ausdehnung auf weitere Stadtteile. Die CDU bezeichnet in ihrem Wahlprogramm die Milieuschutzsatzung als „bürokratische Fessel für Stadtverwaltung, Eigentümer und Mieter“ – und bewegt sich damit wie FDP und AfD auf einer Linie mit den Immobilienlobbyist*innen von Haus & Grund.

Demgegenüber besteht unter den Parteien links von der CDU Übereinstimmung, Milieuschutzsatzungen auch in anderen von hohen Mieten und Verdrängungsdruck betroffenen Stadtteilen einzuführen. Diese Parteien räumen generell dem Mieter*innenschutz, dem Kampf gegen Verdrängung, der Eindämmung von Wohnungszweckentfremdung und von spekulativem Wohnungsleerstand einen hohen Stellenwert ein. Dazu bedarf es freilich auch rechtlicher Voraussetzungen, die derzeit nicht oder nur unzureichend gegeben sind, wie etwa ein erweitertes Vorkaufsrecht und die – von NRW-Bauministerin Scharrenbach (CDU) blockierte – kommunale Genehmigungspflicht bei Wohnungsumwandlungen.

Wählen gehen!

Mieter*innen stellen die große Mehrheit der Stadtbevölkerung. Für die Vertretung ihrer Interessen haben sie von CDU und FDP, folgt man ihren programmatischen Aussagen zum Thema „Wohnen“, wenig bis nichts zu erwarten. Der Glaube an die segensreichen Wirkungen des Marktes ist bei beiden Parteien von Zweifeln nur wenig angekränkelt. Noch mehr gilt das für die AfD, die wohnungspolitisch außer einer völkisch aufgeladenen Zusammenstellung neoliberaler Ideen inhaltlich zwar absolut nichts zu bieten hat, das Wohnungsthema aber dennoch hemmungslos für ihre fremdenfeindliche Hetze instrumentalisiert. Bei den Parteien links von der CDU zeigt sich dagegen, abgesehen von Differenzen im Detail, bei ihren wohnungspolitischen Forderungen eine recht große inhaltliche Schnittmenge.

Von Wahlen, Kommunalwahlen zumal, grundlegende Veränderungen zu erwarten, führt gewöhnlich zu Enttäuschungen. Bei den Kommunalwahlen am 14. September besteht aber die Chance, dass die Parteien links von der CDU rechnerisch eine Mehrheit erreichen. Rechnerische Mehrheiten sind noch keine politischen Mehrheiten. Kämen die aber, auch nur fallweise, zustande, würde das die Chancen verbessern, dass sich der gesellschaftliche Druck von unten durch die Mieter*innenbewegung, die sich inzwischen in Düsseldorf formiert hat, auch in spürbare politische Veränderungen übersetzt. Schon dafür lohnt sich die Stimmabgabe am 14. September.

Helmut
Bündnis für bezahlbaren Wohnraum