Highway to hell

1. September – Antikriegstag

Anfang September fanden in Düsseldorf zwei bemerkenswerte Veranstaltungen statt. Die erste am 1. (Antikriegstag – Jahrestag des Angriffs Hitler-Deutschlands auf Polen) und 2. September hinter verschlossenen Türen im Maritim-Hotel am Düsseldorfer Flughafen, die zweite am 4. September in aller Öffentlichkeit vor dem Gebäude des Landtages NRW.

Im Hotel Maritim trafen sich führende Vertreter­*innen der Rüstungsindustrie mit Bundespolitikern und Gewerkschaftern auf Einladung des Handelsblattes. Laut Einladungstext ist die derzeit labile politische Situation ein Aufbruchsignal für die Rüstungsindustrie: „Die aktuellen sicherheitspolitischen Umbrüche und geopolitischen Spannungen führen zu milliardenschweren Investitionen in den Verteidigungssektor.“ Aber Geld ist nicht alles, so behauptet das Handelsblatt: „Für ein mögliches ‚olivgrünes Wirtschaftswunder‘ braucht es mehr als Geld: Entscheidend sind klare politische Leitlinien …“ Und damit die Leitlinien auch in die richtige Richtung zeigen, bedarf es der Handelsblatt-Konferenz: „Auf der neuen Handelsblatt Konferenz Wirtschaftsfaktor Rüstung analysieren wir erstmals die volkswirtschaftliche Dimension der Zeitenwende.“

Der Aufgabenstellung der Konferenz entsprach auch die Liste der geladenen Persönlichkeiten. Aus der Politik waren angekündigt: Dr. Tobias Lindner, Staatsminister im Auswärtigen Amt a. D., Sara Nanni MdB, Sicherheitspolitische Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen, Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie (digital zugeschaltet), Mario Voigt, Ministerpräsident Thüringen, Dr. Nils Schmid, Parlamentarischer Staatssekretär – Bundesministerium der Verteidigung.

Hinzu kamen – laut Einladungstext – Führungskräfte und Geschäftsfüh­rer­*innen der Verteidigungsindustrie, von Startups und klassischer Industriebranchen, Investor*innen und Entschei­dungs­träger*innen aus der Finanzwirtschaft, Geschäftsführer*innen aus Strategie- und Transformationsberatungen, sowie Anwaltskanzleien, Führende Wissenschaftler*innen und Vertreter *innen aus Think Tanks, Entschei­dungsträger*innen aus Gewerkschaften und Arbeit­nehmer*innenvertretungen, Interessierte Vertreter­*in­nen des Militärs.

Frau Reiche mahnte ein Umdenken in der Rüstungspolitik an. Weniger die traditionellen, dafür die fortschrittlichen Systeme verdienen mehr Beachtung bei der Verteilung der reichlich vorhandenen Gelder: „Künstliche Intelligenz (KI), autonome Systeme, Hyperschallwaffen, Weltraumtechnologie – Technologiefähigkeit werde zum entscheidenden Faktor, wenn es um geopolitische Macht und Verteidigung gehe. Es gebe momentan den ‚größten Wandel in der Kriegsführung seit einem Jahrhundert‘“, betonte Frau Reiche lt. Handelsblatt vom 02. September 2025.

Armin Pappberger, der Chef von Rheinmetall, prophezeite der Rüstungsindustrie goldene Zeiten: „Beim Hochfahren der Kapazitäten sieht Papperger … sein Unternehmen auf einem guten Weg. ‚Bei Rheinmetall werden wir in einigen Bereichen die Kapazitäten nicht nur verdoppeln, sondern verzehnfachen‘.“ (Handelsblatt)

Ausschlaggebend hierfür sei die beschleunigte Beschaffung. „Wenn man sich anschaut, wie viele 25-Millionen-Vorlagen die vergangene und die jetzige Regierung durch den Bundestag geschleust haben, kann man durchaus von einer Zeitenwende in der Beschaffung sprechen“, sagt der Rheinmetall-Chef. ‚In spätestens 24 Monaten werden wir eine Schlagzahl erreichen, mit der wir die Rüstungsindustrie vernünftig aufstellen können.‘“, (Handelsblatt vom 04.09.2025)

Von Jürgen Kerner, dem stellvertretenden Boss der IG Metall, liegen uns leider keine Beiträge, die er auf der Konferenz gehalten hat, vor. Aber vor wenigen Monaten kennzeichnete er seine Position in Sachen Krieg und Frieden so eindeutig, dass seine Teilnahme an der Konferenz den Erfolg der Verhandlungen der Reichen und Mächtigen bestimmt nicht gefährdet hat. Gegenüber den Stuttgarter Nachrichten äußerte sich Kerner am 10. März in einem Interview: „Natürlich ist die IG Metall nach wie vor eine Organisation, die sich für Frieden einsetzt und eine klare Position hat: Wir wollen keine Aufrüstung auf der Welt. Wir merken momentan nur, dass wir für Abrüstungsdebatten keinen Ansatzpunkt finden, weil wir jetzt damit konfrontiert werden, dass wir uns erst einmal selber verteidigen müssen und feststellen, dass wir dazu nicht in der Lage sind, wenn die Amerikaner nicht mehr mitspielen. Deswegen sprechen wir uns zwar weiterhin gegen eine Aufrüstung von Europa aus, sehen aber die Notwendigkeit für eine vernünftige Ausrüstung der Armeen zum Zweck der Landesverteidigung – wohl wissend, dass das ein fließender Übergang ist.“

Die schwarz-rot-goldenen Gewerkschaften wissen, was sich für deutsche Arbeitnehm*innen in selbst geschaffenen nationalen Krisenzeiten gehört!

Eine kleine, aber lautstarke Gruppe der Gewerkschaftsinitiative „Sagt NEIN!“ begrüßte am Montag, 1. September, die Besucher*innen der Konferenz Wirtschaftsfaktor Rüstung. Sie wollte „die Kriegstreiber und -profiteure bei ihrem Festbankett … in Düsseldorf nicht alleine“ lassen (Flugblatt). Per Megafon wurde den Konferenzteilnehmer*innen mitgeteilt, dass so „der Militärisch-Industrielle-Digitale-Komplex auf seine ganz eigene und perverse Art den Antikriegstag“ feiert und die Teilnehmer*innen sich „bei Champagner und Canapés zur weiteren Planung ihrer Kriege treffen“. Naja, Kriege werden in den Chefetagen der Politik geplant, aber das Material hierzu liefert die Industrie und macht dabei schwindelerregende Gewinne. Wie sagt man so schön: Eine Hand wäscht die andere!

4. September – Das Gelöbnis

Drei Tage später wurde ein Großereignis vor dem Düsseldorfer Landtag gefeiert. 420 Rekrut*innen durften das Gelöbnis „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe.“ ablegen. Das Gelöbnis war der Höhepunkt einer fast zweistündigen Feier mit geladenem Publikum, wohlwollenden Zuschauer*innen und einer kleinen Horde von lauten Kriegsgegner*innen, die über 100 Meter entfernt von der Festwiese ihrem Protest Ausdruck geben konnte. Im Rahmenprogramm durften die geneigte Besucher*innen der Veranstaltung zahlreiches Kriegsgerät inspizieren, so auch einen blankgeputzten Leopard-2-Panzer mit riesiger Kanone.

Der Oberkommandierende der NRW-Regierung Hendrik Wüst hielt eine Rede, in der er den Soldat*innen dafür dankte, dass sie für Volk und Vaterland ihr Leben riskieren wollen – und auch das des Feindes. Ins gleiche Horn blies auch sein Adjutant Innenminister Herbert Reul. Die Überleitung zum eigentlichen Gelöbnis machte dann Brigadegeneral Hans-Dieter Müller. Darauf zogen drei Soldaten, der mittlere mit einer bunten Fahne bewaffnet, in Schlangenlinien über den Platz. Dann wurde das Gelöbnis abgenommen. Nach Kenntnis des Schreibers dieser Zeilen waren unter den Rekrut*innen alle Waffengattungen zu Luft, Land und Wasser anwesend. Sie hatten in ihrem Grundwehrdienst schon viel gelernt. Ohne einen Mucks zu machen, standen sie jeweils in rechteckigen Blocks, konnten auf Kommando ihres Chefs die Richtung ändern oder eine bequemere Stellung einnehmen. Stolz und Ehrfurcht blitzten aus ihren Augen.

Nun sprach der Vorsprecher die Eidesformel in kurzen Teilsätzen vor, und die Soldaten wiederholten, was von ihnen gefordert war. Was für den gläubigen Menschen die Heilige Kommunion, die Konfirmation oder die Jugendweihe ist, das Bekenntnis, sich mit Haut und Haaren einem Gemeinwesen, das man in der Regel nicht selbst ausgewählt hat, zu unterwerfen, ist das Gelöbnis für die Soldat*innen.

Natürlich durfte bei dieser Veranstaltung das emotionale Element, die Musik, nicht fehlen. Das Luftwaffenmusikkorps aus Münster unter der Leitung von Major Alexander Kalweit brachte die notwendige Stimmung mit viel Tschingderassabum auf den Platz. Selbst die härtesten Knochen unter den alternden Berufssoldaten wippten mit Fuß und Kopf beim Abspielen der Melodie der Hymne „Deutsch ist die Saar“.

Eine Randbemerkung. Tatsächlich trauten sich ein paar Kriegsgegner*innen in die Nähe des löblichen Geschehens. Mit Trillerpfeifen waren sie tatsächlich in der Lage, für einige Sekunden die Feier zu stören und gaben so ihren Protest gegen die Kriegsvorbereitungen des Staates kund. Allerdings war die Polizei sofort zur Stelle und nahm die Störer*innen fest.

Augenscheinlich war die Protestversammlung von der Partei „Die Linke“ dominiert. Deren Stellung zu Krieg und Frieden allerdings ist ambivalent. In ihren „FAQ zum Ukraine-Krieg“ bemerken sie: „… die Ukraine hat das Recht sich selbst zu verteidigen. Die UN-Vollversammlung hat die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine ab 24. Februar 2022 als Verstoß gegen das Gewaltverbot der UN-Charta missbilligt und damit das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine gem. Art. 51 UN-Charta bestätigt.“ Nun ja, „Die Linke“ ist eine Partei des Friedens, bis der Krieg unumgänglich ist.

Henrici