Castor-Transporte

Der Wahnsinn geht quer durch NRW

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) hat am 25. August die Transport-Genehmigung für die 152 Castoren mit hochradioaktivem Müll aus dem Forschungsreaktor Jülich ins Zwischenlager Ahaus erteilt.

Die ersten Transporte per Spezial-LKW sollen nach Willen des BASE in den nächsten Wochen starten. Vorbei auch an Düsseldorf und durch das dicht besiedelte Ruhrgebiet, über die maroden NRW-Autobahnen, rund 180 km. Widerstand regt sich eher zaghaft, obwohl das strahlende Mega-Problem dieser Castor-Transporte und der damit verbundenen erheblichen Risiken für Mensch und Umwelt seit fast zwei Jahren thematisiert wird: Im November 2023 fanden die ersten Leertransporte zur Erprobung der Strecke, die unter anderem durch den Düsseldorfer Flughafentunnel über die A44 führen soll, statt. Bereits bei diesen sogenannten Kalthandhabungen gab es Pannen, die zunächst vertuscht werden konnten.

BUND klagt, Stadt Ahaus nicht

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) reichte am 11.09. per Eilantrag Klage gegen die Atommüll-Transporte durch NRW beim Berliner Verwaltungsgericht (Sitz des BASE) ein. Damit soll erreicht werden, dass die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die vom BASE erteilte Transportgenehmigung wiederhergestellt wird. Das BASE hatte den Antrag des BUND gegen den sofortigen Vollzug der Transportgenehmigung für die Castoren zuvor abgelehnt. Der BUND hält die vom BASE für den Sofortvollzug der Transporte vorgebrachten Gründe für wenig stichhaltig. Allein der Umstand, dass der jetzt vermeintlich so dringlich zu beseitigende Rechtszustand – seit zwölf Jahren ist die Einlagerungsgenehmigung für hoch radioaktiven Müll in Jülich abgelaufen – untätig hingenommen worden sei, dokumentiere das Fehlen jeglicher Dringlichkeit, berichtet der WDR.

Sehr enttäuschend: Die Stadt Ahaus gab am 19.09. bekannt, sich nicht rechtlich gegen die Jülicher Castoren wehren zu wollen. Vorausgegangen sei eine „intensive und anwaltlich begleitete Prüfung“ mit dem Ergebnis, dass durch den Transport, der durch das BASE genehmigt ist, wohl keine Rechte der Stadt beschnitten würden.

Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte bereits im Dezember 2024 eine Klage der Stadt Ahaus gegen die Einlagerung der 300.000 strahlenden Kugeln im dortigen Zwischenlager abgewiesen, was den jetzt ebenfalls genehmigten Transport ermöglicht.

Bezüglich weiterer Castoren aus Garching bei München und deren Einlagerung habe die Stadt Ahaus aber Widerspruch beim zuständigen Bundesamt eingelegt.

Große Demo am 4. Oktober in Ahaus

Erste Proteste wurden bereits von den lokalen Bürger*innen-Initiativen organisiert, ein Sonntagsspaziergang am Zwischenlager fand am 31. August rege Beteiligung. Für den 04. Oktober ist in Ahaus eine Demo geplant, an der sich hoffentlich viele Menschen, nicht nur aus Ahaus, beteiligen. Die Bürgerinitiative Ahaus und das Aktionsbündnis „Stop Westcastor“ sowie 30 weitere Gruppen rufen zu dieser Demo auf. Auftaktkundgebung ist um 11 Uhr vor dem Ahauser Rathaus. Weitere Infos: bi-ahaus.de, westcastor.org, sofa-ms.de, bund-nrw.de

Sinnlose Mammutaufgabe

Scharfe Kritik an der drohenden Castor-Lawine übte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei NRW, Patrick Schlüter. Er sieht eine Riesen-Belastung auf die Polizei zukommen, denn der Transport der strahlenden Fracht muss unter massivem Polizeischutz stehen. Eine Aufgabe, deren Sinn sich nicht erschließe, so Schlüter gegenüber der RP. Die Behälter stünden seit über zehn Jahren ohne Betriebsgenehmigung für die Lagerstätte in Jülich, die Betriebserlaubnis in Ahaus laufe 2036 aus. „Und jetzt fahren wir monatlich über eine alles andere als intakte Infrastruktur schwere Transporte quer durchs Land. Wahnsinn!” In Gutachten, die von Umweltorganisationen wie .ausgestrahlt in Auftrag gegeben wurden, wird die erhebliche Gefährdung der 152 Transporte durch Terroranschläge und Drohnenangriffe beschrieben. Fast täglich finden weltweit Angriffe mit Drohnen, Cyberangriffe (aktuell auf die Infrastruktur von europäischen Flughäfen) sowie Terroranschläge statt. Der hochradioaktive Inhalt der Jülicher Castoren ist für bestimmte Kreise attraktiv, da Atomwaffen-tauglich. Ebenso wie der aus Garching, gegen dessen Einlagerung die Stadt Ahaus, wie oben erwähnt, klagen will.

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Möglichst viel Tamtam!

Gegen die Transporte protestieren nicht nur Anti-Atomkraft- und Umwelt-Initiativen, auch die Linke spricht sich klar dagegen aus. „Stoppt den Irrsinn” überschreiben die NRW-Linken ihren Protest im Web und gehen dort auch ausführlich auf die Problematik ein.

Verhindert werden konnte der Wahnsinn bisher nicht, auch wenn die Grünen in Regierungsverantwortung sind und Atommüll-Transporte laut ihrem NRW-Koalitionsvertrag mit der CDU minimieren wollten. Sie haben es verpasst, die bessere Lösung durchzusetzen, nämlich ein Zwischenlager nach den neuesten Standards in Jülich zu errichten. Ein solcher Neubau wird mit 50 Millionen Euro kalkuliert. Das Grundstück hierfür hat die Entsorgungsgesellschaft JEN nie gekauft, obwohl das Land NRW das Geld dafür bereitgestellt hatte. Eine Genehmigung für den Neubau hat die JEN bis heute nicht beantragt, sie wollte die hoch radioaktiven Abfälle baldigst loswerden. Ab nach Ahaus damit, auch wenn das dortige Zwischenlager besorgniserregende bauliche Mängel aufweisen soll.

Die Kosten der nun konkret werdenden Transporte werden auf etwa 40 Millionen Euro geschätzt, ohne das Salär für die Polizei. Dabei wurden sie stets als die kostengünstigere Lösung propagiert.

Ob die Grünen ihre Möglichkeiten, die jetzt ernsthaft drohende Castor-Lawine zu verhindern, in Gänze ausgeschöpft haben, sei dahingestellt. Immerhin ist auf der Homepage der Grünen NRW eine aktuelle Historie der gruseligen Story um die Jülich-Castoren zu lesen. Die grüne NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur ließ verlauten, die Lösung des Zwischenlager-Neubaus in Jülich sei auf Bundesebene nicht unterstützt worden, und anscheinend hat die NRW-Landesregierung es aufgegeben, weiter für diese von ihr angeblich bevorzugte Lösung zu kämpfen. Neubaur zufolge gelte es nun, die Entscheidung des Bundes umzusetzen – mit größtmöglicher Sicherheit für die Menschen in NRW. Wie auch immer die gewährleistet werden kann.

Ministerpräsident Wüst (CDU) wünscht sich ernsthaft, dass die Transporte ohne „Tam-Tam” über die Bühne gehen, wie er gegenüber der Rheinischen Post äußerte, und: Er könne auf jeden Castor-Transport gut verzichten.

Es fällt schwer, dieses Geschwafel ernstzunehmen.

Die letzte Hoffnung, diesen Wahnsinn noch zu verhindern, liegt in erster Linie auf Bürger*innen-Protesten und weiteren möglichen Klagen, seitens der Politik ist wenig bis nichts zu erwarten. Die befürwortenden Parteien haben sich durchgesetzt.

Christine

Leseempfehlung: taz 10.8.25 Atommüll-Tourismus in NRW