Düsseldorfer Mahnwache bezieht Position gegen Rechts

Samstagvormittag in Düsseldorf-Garath: Ein kleiner Kreis von Menschen hält Schilder hoch, verteilt Flugblätter. Manche Passant*innen gehen achtlos vorbei, andere bleiben stehen, lesen oder suchen das Gespräch.

Was vor gut einem Jahr als spontane Idee begann, ist für die Beteiligten inzwischen zu einem festen Ausdruck ihres Engagements gegen den Rechtsruck geworden: Die Mahnwache für Demokratie und Menschenrechte.

Die Wurzeln liegen in der Großdemonstration gegen Rechts im Januar 2024, als über 100.000 Menschen durch Düsseldorf zogen. Bei einem nachfolgenden Treffen im Zakk wurde klar: Ein einmaliger Protest reicht nicht. „Wir dürfen nicht nur an einem Tag laut sein“, erinnert sich Ruth. „Deshalb haben wir begonnen, uns regelmäßig zu treffen, um ein Zeichen zu setzen und die Menschen zu sensibilisieren.“

Seit der ersten Aktion vor dem Rathaus ist eine feste Gruppe entstanden, die inzwischen auch in anderen Stadtteilen sichtbar ist. Im Vorfeld der Kommunalwahl vom 14. September 2025 traf sich die Mahnwache jeden Samstag an wechselnden Orten: Mal vor dem Rathaus in der Altstadt, mal im Zentrum von Garath. Auf diese Weise wollen die Teilnehmenden möglichst viele Menschen erreichen – mitten in ihrem Alltag. Die Botschaften sind klar: „Nie wieder ist jetzt!“, „Demokratie wählen!“, „AfD? Nee!“. Doch hinter den Plakaten stehen persönliche Erfahrungen. „Für mich ist das hier ein Protest, der im Alltag der Menschen sichtbar ist“, sagt Peter. „Wir stehen, reden, hören zu und zeigen, dass Demokratie von Menschen getragen wird.“

Ablehnung gehört dazu

Die Reaktionen der Passant*innen reichen von Zustimmung bis Ablehnung. Viele zeigen spontane Unterstützung, ein „Daumen hoch“, ein freundliches Nicken oder sie stellen sich sogar dazu. Manche nutzen die Gelegenheit, um von eigenen Sorgen zu erzählen: von Wohnblocks, in denen Müll liegen bleibt und sich niemand zuständig fühlt, oder von Rentner*innen, die sich kein ÖPNV-Ticket leisten können, um einmal in die Innenstadt zu fahren. „Es geht oft gar nicht nur um Politik im engeren Sinn, sondern um die Frage, ob Menschen sich noch gesehen fühlen“, sagt Paul.

Doch es gibt auch Gegenwind. „Ablehnung gehört dazu“, berichtet Claudia. „Manche zeigen den Stinkefinger, rufen, der AfD solltet ihr keine Bühne geben oder warnen, man müsse doch ebenso die Gefahr von Links ernst nehmen. Aber genau deshalb sind wir hier, um zu zeigen, dass Demokratie vom offenen Austausch lebt.“

Der Wille zur Kontinuität eint die Gruppe. Die Mahnwache versteht sich als friedliche Zusammenkunft von unabhängigen Bürger*innen, die ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen will. „Samstagvormittag ist für mich nicht mehr Shopping-Zeit“, sagt Elisabeth: „Es ist Demokratie-Zeit.“ So ist aus einer spontanen Idee ein konstantes Zeichen für eine offene Gesellschaft geworden: sichtbar, hörbar, ansprechbar und getragen von den Erfahrungen derer, die nicht schweigen wollen – ob vor dem Rathaus oder vor der Stadtsparkasse in Garath.

Stimmen und Anekdoten aus der Mahnwache

Ruth: Einige Wochen vor den Europawahlen gab es ein Missverständnis mit der Polizei, als wir unsere Mahnwache wie zuvor anmelden wollten. Sehr kurzfristig vor dem ersten Mal in Garath wurde uns mitgeteilt, dass diesmal das Ordnungsamt zuständig sei. Dort setzte sich ein sehr engagierter Mitarbeiter dafür ein, dass es innerhalb eines Tages vor dem Wochenende noch klappte. Wir bekamen eine Genehmigung zum Verteilen von Flyern bzw. kostenlosen Produktproben und für den Einsatz von Movingboards oder Sign-Spinnern. Nachdem wir recherchiert hatten, was Movingboards und Sign-Spinner sind, überlegten wir kurz, ob unsere artistischen Fähigkeiten ausreichen würden, entschieden uns dann aber dagegen. Glücklicherweise reicht inzwischen die Anmeldung bei der Polizei wieder aus.

Besonders ist mir eine alte Frau im Gedächtnis geblieben, die mit ihrem Rollator stehen blieb und zu weinen begann. Sie erzählte, in der Bahn habe ein Junge zu ihr gesagt, es sei an der Zeit, dass die Alten sterben, sein Vater wolle schließlich auch noch Rente bekommen. Das zeigt sehr drastisch, wie weit die gesellschaftliche Spaltung, vorangetrieben von rechten und marktliberalen Kräften, inzwischen geht.

Echte Highlights sind Menschen, die uns ansprechen und im Sinne der AfD argumentieren, aber in einer Weise, die ein Gespräch noch ermöglicht. Und die nach einem längeren Gedankenaustausch tatsächlich signalisieren, „noch einmal darüber nachdenken“ zu wollen.

Elisabeth: Ein Lächeln, ein Nicken oder ein: „Danke, dass Ihr das macht“ – „Danke, dass Ihr hier steht“ – Ein Becher Kaffee, der uns zum Dank gebracht wird. – Alle möglichen Formen von „Ihr seid ja bekloppt“ und Ähnliches. – „Das ist ja gerade gut, wenn es keine Demokratie gibt.“ – „Ich habe diesmal AfD gewählt. Die Parteien brauchen mal einen Denkzettel.“ – „Frauenrechte? Ich finde es gut, wenn die Familien wieder gestärkt werden und die Mütter sich um ihre Kinder kümmern können. Frauen sollen auch mitarbeiten, ja, aber hauptsächlich sollen sie die Möglichkeit haben, für die Familie da zu sein.“ – „Der ganze Genderkram und das Propagieren von Homosexualität! Ich finde das nicht richtig.“ – „Ich gehe nicht wählen. Die Politiker machen ja doch, was sie wollen. Sie versprechen alles Mögliche, und wenn sie dann gewählt sind, wissen sie nichts mehr von ihren Versprechungen.“ – „Vielen Dank für dieses Gespräch, ich fand es gut, dass ich mal über diese Dinge sprechen und mich austauschen konnte.“

„Die AfD ist das einzig Richtige. So viele Menschen wählen die AfD und es werden noch mehr werden.“
„Die AfD ist demokratisch gewählt. Das ist undemokratisch, was ihr hier macht.“ – „Die Politiker alle, die haben doch keine Ahnung von uns.“ – „AfD, das ist genau gut. Die tun wenigstens etwas für uns.“ – „Wir haben viel zu viel Ausländer hier. Gut, dass da mal jemand aufräumt.” – „Die nehmen uns die Wohnungen weg.“ – „Die kommen nur, um von unserem Bürgergeld zu leben.“ – „Ich wähle die. Die einzig Richtigen.“

Paul: Anfänglich hat es für die Ex-Couch-Potatoes in der Gruppe etwas Mut gebraucht, um mit der Mahnwache an die Öffentlichkeit zu gehen. Aber es bleibt für mich schwer nachvollziehbar, dass auch zahlreiche Mitbürger*innen mit Migrationshintergrund die AfD unterstützen.

Peter: Nach der großen Demo im Januar war es mir wichtig, vom Sofa runterzukommen und aktiv gegen den Rechtsruck durch die AfD vorzugehen. In der Mahnwache kommen wir mit Menschen ins Gespräch, stärken sie, aktiv zu werden und Stellung für die Demokratie zu beziehen. Natürlich erreichen wir so nicht überzeugte AfD-Wähler*innen, doch mit uns wird sichtbar: In der Zivilbevölkerung gibt es viele, die für die Demokratie und ihre Werte eintreten. Besonders in Erinnerung blieb mir das Gespräch mit einer Mieterin, die sich über die Vermüllung ihres Wohnblocks in Garath durch andere Mieter sorgte. Die Hausverwaltung blieb trotz ihrer Beschwerden untätig, und sie war ratlos. Es blieb der Eindruck, dass die Alltagsprobleme der Menschen auf lokaler Ebene stärker gehört werden müssen.

Mahnwache für Demokratie und Menschenrechte Düsseldorf