Ökozid – für Kohle, Kies und Abraum

Das Sündenwäldchen bei Kerpen-Manheim war bis Ende Januar 2025 ein sechs Hektar großer Wald aus Stieleichen und Hainbuchen und die Heimat streng geschützter Arten wie der Haselmaus und der Bechstein-Fledermaus.

Ebenso wie die Ortschaft Manheim fiel mit dem Sündenwäldchen ein wichtiges Biotop dem Beharren von RWE auf den Abbau von Kohle, Kies und Abraum zum Opfer – bis auf einen kaum einen Hektar großen, isoliert stehenden Waldrest. Dieser blieb das Sommerhalbjahr 2025 über in Baumhäusern bewohnt, Aktivisti halten ihn seit September 2024 besetzt. Seit dem 06. Oktober gilt nun ein von der Stadt Kerpen erlassenes Betretungsverbot des Waldes. Ausgenommen sind natürlich RWE-Mitarbeitende. Weiter heißt es, ab dem 20. Oktober sei mit der „Ausübung von unmittelbarem Zwang“ zu rechnen, sollte den Anordnungen keine Folge geleistet werden: raus mit den Waldschützenden, und dann weg mit dem Wald! Mit Zwangsausübung haben RWE und ihre Securities schon reichlich Erfahrung.

Der Energiekonzern ist mittlerweile Eigentümer fast der gesamten Wüstenei um Manheim und giert nach Kies und Abraum, mit dem die Böschungen der bis zu 400 Meter tiefen Tagebaulöcher für die geplanten Seen abgeflacht werden sollen. Deshalb könnten in den kommenden Tagen wieder die Kettensägen im Sündenwäldchen heulen. Denn die Nutzung genau dieser 250 Millionen Kubikmeter Kies und Erde ist angeblich alternativlos.

Zerstörung, Schikanen und Gewalt

Die erste Rodungsaktion erfolgte Anfang Februar, unmittelbar nachdem das Oberverwaltungsgericht Münster am 28. Januar eine per Eilantrag eigebrachte Klage des BUND NRW mit gegen RWE abgewiesen hatte. Mit dieser sollte die Zerstörung aufgehalten werden. RWE ließ nichts anbrennen und rückte am nächsten Morgen mit hunderten Securities sowie Rodungsmaschinen zum Sündenwäldchen aus, gefolgt von der Polizei. Unter dröhnendem Lärm fielen die Bäume, die direkt vor Ort geschreddert wurden. Die Baumstümpfe blieben im Erdreich, inzwischen hat die Natur sich einiges zurückgeholt, kleine Bäumchen treiben bereits wieder aus. Die Zerstörung dauerte bis zum 31. Januar, begleitet von brutalen Schikanen der Securities gegenüber den Aktivisti. RWEs „Schlägertrupp“ wütete am letzten Tag komplett ohne Begleitung der Polizei. Aktivisti berichteten, dass sie von den Securities mit Gewalt daran gehindert wurden, den Wald zu betreten. Die Übergriffe begannen mit Schubsen und endeten mit Tritten gegen Kopf und Rücken sowie einem Faustschlag ins Gesicht. Die Gewaltexzesse des RWE-„Schlägertrupps“ wurden an diesem Tag weder von der Polizei noch von der Presse beachtet. Also sauber unter den Teppich gekehrt.

Aktivisti hielten den isoliert stehenden Restwald besetzt und schützten ihn. Sie errichteten Zelte, Hütten, geschützte Plattformen sowie mehrere ausgebaute Baumhäuser. Warum hat RWE sie nicht vertrieben und die angeblich so dringliche Rodung komplettiert? Die Rodungssaison ging bis Ende Februar. RWE begründete dies mit der Besetzung genau dieses Waldabschnitts, die Dringlichkeit und wirtschaftliche Nachteile seien dahingestellt. Wahrscheinlich waren jedoch Bilder von brutalen Einsätzen so kurz vor der Bundestagswahl am 23. Februar nicht gewünscht, beispielsweise vom für die Polizei zuständigen NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). In der Vergangenheit hatte es mehrere Tage gedauert, die besetzten Bäume mit einem größeren Polizeieinsatz gewaltsam freizuräumen. Dies hatte für Proteste und Kritik gesorgt, die weit über NRW hinausreichten: Lützerath wurde im Januar 2023 und der Hambacher Forst bereits 2018 geräumt. Beide Orte waren ebenfalls von Aktivisti besetzt worden, die sich gegen die Zerstörung der Natur richteten. Die Räumung des Hambacher Forsts wurde später vom Verwaltungsgericht Köln als rechtswidrig eingestuft. Aber wen interessiert das schon noch?

Jetzt ist erneut mit Gewalt und Zerstörung durch RWE zu rechnen, die Rodungssaison hat am 01. Oktober wieder begonnen. Ab dem 6. Oktober dürfen sich laut einer Allgemeinverfügung der Stadt Kerpen keine Aktivisti oder andere „Unbefugte“ mehr im Sündenwäldchen aufhalten. Kerpen befürchtet, dass „per sofort“ zahlreiche weitere Personen die „Freimachung der Flurstücke“ verhindern wollen. Dadurch drohten „schwere wirtschaftliche Folgen für die RWE“. Dieses Argument ist mittlerweile mehr als unglaubwürdig. Der BUND sah darin bereits im Frühjahr eine bewusste Täuschung. Dem Konzern kommt es vermutlich auf die Durchsetzung seiner gerichtlich legitimierten Vorhaben an, auch wenn es anders ginge. Da RWE und die Stadt Kerpen als eng verbandelt gelten, ziehen sie an einem Strang. Bereits 2023 war die bis dahin geheim gehaltene „Rahmenvereinbarung für eine nachhaltige Zusammenarbeit“ mit Verpflichtung zu einer gedeihlichen Partnerschaft aufgetaucht.
Quellen: WDR aktuell, nd Journalismus von links 03.10., taz 02.10.

Die Mahnwache in Sichtweite des Rest-Sündenwäldchens ist nach wie vor genehmigt und jederzeit zugänglich. Unterstützung ist willkommen. Die Widerstandsszene besteht aus engagierten Menschen, die die Aktivisti unterstützen und versorgen. Am 06.Oktober fand dort eine Pressekonferenz statt. Teilgenommen haben unter anderem Menschen der Mahnwache, Waldschützer*innen sowie Mitglieder der Gruppen „Kirchen im Dorf lassen“, „Unser-Wasser-Rheinland“, „Waldspaziergang“, „HambiSupportAachen“.

Am 19. Oktober trafen rund 100 Menschen am Protestkamp zusammen, um ihren Unmut zum Vorhaben von RWE kundzutun, sie pflanzten junge Bäumchen, musizierten und wären auch zu den Aktivisti im besetzten Wald gezogen, was ihnen jedoch verwehrt blieb. Der BUND fordert nach wie vor den Erhalt des Restwäldchens, die Aktivisti werden bleiben und versuchen, bis zuletzt ihre Bäume zu schützen.

Ich war nach dem Betretungsverbot mehrfach vor Ort und konnte den Wald unbehelligt besuchen, obwohl am 15. Oktober eine Hundertschaft der Polizei zum Auskundschaften dort war. Securities von RWE, die zu unterschiedlichen Zeiten aufkreuzen, erstatten gegen jede Person Anzeige wegen Hausfriedensbruchs, die sie in der Nähe des kleinen Waldrestes antreffen. Den Frieden gebrochen hat RWE selbst und wird es weiterhin tun.

Christine