Protest gegen Etat-Kürzungen

Hochschulen sind besser Uncut

Berlin, Hessen, NRW – Hochschulkürzungen werden entweder schon umgesetzt oder kündigen sich an. Das lassen die Universitäten und Studierenden aber nicht einfach mit sich machen, sondern setzen sich dagegen mit der Kampagne #GenugGekürzt zur Wehr.

Am 05.11. rief das Landes-Asten-Treffen NRW, LATNRW, zur Demo auf. Um die 3.500 Studierende versammelten sich, deutlich mehr als die vorher angemeldeten 1.500. Es war eine der größten Demonstrationen dieser Art seit Jahren. Dabei setzten einige Hochschulen, wie die Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, die Anwesenheitspflicht aus, um die Teilnahme an der Demo zu unterstützen. Zu Fuß zog der Protest vom DGB-Haus auf der Friedrich-Ebert-Straße bis vor den Landtag, wo er mit einer Kundgebung endete. Auf dem Weg hallten Sprechchöre mit „Hoch die Hände, Bildungswende“, „Auf die Barrikaden, rettet Seminare“ und „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Bildung klaut“.

Vor dem Landtag traute sich die Wissenschaftsministerin von NRW, Ina Brandes, hinaus und sprach zu den Anwesenden, während unter den Studierenden bereits ein Phrasenbingo verteilt wurde. Hier verteidigte sie die Kürzungen von 120 Millionen Euro – eine Reduktion der zuvor in Rede stehenden (TERZ 09.25) und im September besprochenen Summe von etwa 150 Millionen. Vom zuvor geplanten Eingriff auf Rücklagen der Hochschulen in Höhe von 240 Millionen Euro wird auch abgesehen. Der LATNRW setzt sich in seinem Positionspapier aber nicht grundlos für eine komplette Rücknahme der Kürzungen ein, selbst ein Nullsummenspiel würde ein Einsparen für die Universitäten bedeuten.

Wo setzen die Kürzungen an?

Universitäten und Hochschulen haben diverse laufende Kosten, die nicht kurzfristig eingespart werden können. Dazu zählen beispielsweise Mieten und Heizkosten. Ein Bereich, der betroffen sein kann, ist der Personalaufwand. Dabei steht auch hier nur eine begrenzte Einsparungsmöglichkeit offen. Entlassungen aus laufenden Verträgen wären teuer. Betroffen sind also wahrscheinlich befristete Verträge mit kurzer Vertragslaufzeit, die oft bei wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeiter*innen vorliegen.

Das bedeuten Kürzungen für die Studierenden

Dabei besteht die Möglichkeit, die meist halbjährlichen oder jährlich geschlossenen Verträge einfach auslaufen zu lassen, die normalerweise verlängert worden wären. Das zieht verschiedene Probleme nach sich. Bereits jetzt ist die Betreuungsrate mit 1:61 Studierenden die schlechteste in ganz Deutschland. Das dürfte sich weiter ins Negative entwickeln. Hier kommen die Studierendenzahlen auch zum Tragen. Zwar sind diese Zahlen seit dem Allzeithoch 2019 gesunken, sollen aber bis 2028 wieder steigen. So wären die sinkenden Studierendenzahlen eine Möglichkeit, die Betreuungsraten zu verbessern und für die Zukunft vorzusorgen. Dadurch sind bereits bestehende Lehrangebote wie Planspiele in der BWL oder Tutorien, Hochschulangebote, insbesondere der Hochschulsport, oder Anlaufstellen wie Arbeitsräume gefährdet. Strukturell benachteiligte Studierende wären davon am meisten getroffen.

Für Studierende bieten die befristeten SHK-Stellen (Studentische Hilfskraft) eine gute Gelegenheit, Arbeit und Studium miteinander zu vereinen. Nirgendwo sonst ist die Arbeit so nah am Studium orientiert, meist liegt diese direkt auf dem Campus. Ein Wegfall von SHK-Stellen kann bedeuten, dass Studierende Schwierigkeiten haben könnten, Arbeit und Studium zu vereinen. Generell sind die Stellen wichtig für den wissenschaftlichen Nachwuchs, Über 70 Prozent der Promovierenden haben in ihrer Karriere zuvor SHK-Stellen ausgeübt.

Als gäbe es kein Siegen mehr

Um die Höhe der geplanten Kürzungen ins Verhältnis zu setzen: Mit etwa 120 Millionen bezuschusst das Land jährlich die Universität Siegen, eine Hochschule mit rund 13.000 Studierenden, 247 Professor*innen, 1.172 wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen und 876 Beschäftigten in Technik und Verwaltung. Es ist also, als würde eine der 14 Universitäten in NRW wegfallen. Fehlende Finanzierung vom Land bietet aber auch die Möglichkeit für mehr private Einflussnahme, sollten diese Lücken von Spender*innen gefüllt werden. Da stellt sich auch die Frage, ob die HHU einen weiteren Lehrstuhl der Sorte DICE von der Schwarz-Schütte-Stiftung braucht (TERZ 06.25).

Kürzungen gab es schon einmal, von 1999 bis 2009 wurden 2000 Stellen im Umfang von 150 Millionen abgebaut. Ein großer Unterschied war hier zumindest eine mittelfristige Planung, damals hatten die Hochschulen 10 Jahre Zeit für die Einsparung, jetzt ist es ein Jahr. Kritisch ist über den Zeitraum hinaus auch die Kommunikation solcher Pläne. Zwar geisterten Andeutungen zu Kürzungen bereits seit dem Frühjahr herum, die Zahlen kamen aber erst im September. Wieso erfahren Universitäten und Studierende bei solchen radikalen Einschnitten erst so spät davon?

So geht es weiter

Der LATNRW wird sich jedenfalls weiterhin gegen die geplanten Kürzungen stellen. Nach einem Kampagnen-Call in Anschluss an die Demo scheint aber erst einmal keine weitere NRW-weite Veranstaltung geplant zu sein. Stattdessen sollen dezentrale Aktionen auf das Thema aufmerksam machen. Ende Oktober besetzten Studierende der TH Köln beispielsweise einen Hörsaal. Alle Augen sind jetzt gespannt auf den 17.12. gerichtet. Dann wird der Haushalt in NRW endgültig beschlossen. Sollten die Kürzungen trotz des Widerstands der Studierenden kommen, wird die Kampagne #GenugGekürzt nicht enden. Um mit den Worten aus einem Positionspapier des LATNRW zu enden: „Gute Studienbedingungen sind keine Selbstverständlichkeit – sie müssen verteidigt werden.“

Lennart