TERZ 12.25 – MUSIC
Dieses Mal verschlägt es uns als erstes, mal wieder, nach Neuseeland (TERZ 09.24). Die alten NZ Heroen The Bats haben auf ihrem Stammlabel Flying Nun Records mit Corner Coming Up ihr elftes Studioalbum veröffentlicht. 1982 gegründet, waren und sind The Bats (obwohl aus Christchurch) eine der tragenden Säulen des klassischen NZ-Dunedin-Sounds. Alle vier originalen Gründungsmitglieder, Kaye Woodward & Paul Kean (auch verheiratet), Malcolm Grant und Robert Scott, sind bis heute ohne Wechsel oder Aus- und Wiedereintritte bei The Bats aktiv. Diese Kontinuität in Band und Beziehung ist Corner Coming Up anzuhören. Ruhig und bedächtig mit mehrstimmigen Gesang eingespielt, aber nie langweilig, kann CCU der nötige Ruhepunkt sein, den Menschen ab und zu brauchen, um runterzufahren und mit frischer Energie neu zu starten. Mein (klischeehaftes ;-) Bild dazu: die jungen wilden Jahre sind vorbei und gefestigt sitzen die vier Freunde und Partner abends bei einem Lagerfeuer zusammen, resümieren über das Leben, die Liebe, was war und was kommt. The Bats spielen einfach nur Popmusik, die glücklich macht!
Von NZ geht es rüber nach LA, und es ist vorbei mit der Beschaulichkeit. Deaf Club haben Ihr zweites Album We Demand A Permanent State Of Happiness als Koproduktion auf Southern Lord und Three One G veröffentlicht. Beide Label sind in Kalifornien ansässig und berühmt & berüchtigt dafür, hart verdauliche Musik zu vertreten. Zu Southern Lord kommen wir aber später. Three One G wird von Justin Pearson, ex The Locust oder Swing Kids betrieben. Der Name Three One G bezieht sich auf den Refrain des Joy-Division Stückes Warsaw, den auch Pearsons Band Swing Kids gecovert hat. Ein irrwitziger Mix aus US-HC/Punk, Crust, Trash gepaart mit surrealen Sequenzen und Effekten. Alles in einer Grindcore & Power-Violence-lastigen Geschwindigkeit, mit Justin Pearson am Gesang. Uns bleibt kaum Zeit zum Luftholen. War das erste Album Productive Disruption (2022) schon oopsala, legen die vier Kalifornier hier noch eine Schubkarre drauf und … Ja … Nihilism For Dummies, All Hot Dogs Are In-Bread oder Vinegar, Soap, & Holy Water machen uns wieder einmal klar, dass so beschauliche Abende wie mit den Bats die Ausnahme sind.
Southern Lord Records wird von Greg Anderson and Stephen O‘Malley betrieben. Die beiden bilden zusammen Sunn O))), eines der Aushängeschilder des Labels. Southern Lord ist aber auch das Zuhause von vielen weiteren wegweisenden Experimental-, Drone- und Doom-Metal-Projekten wie Boris, Yob, Goatsnake oder Earth. Sunn O))) wurde 1996 unter dem Namen Mars als Tribute zu Earth gegründet und nannten sich 1998 in Sunn O))) um. Earth wiederum wurde 1989 von Slim Moon, Dylan Carlson und Kurt Cobain gegründet (Ja, der Kurt von Nirvana). Sie veröffentlichten ihre ersten drei Studioalben Earth 2 (Special Low Frequency Version), Phase 3: Thrones And Dominions, Pentastar: In The Style Of Demons sowie die EP Extra-Capsular Extraction auf Sub Pop und landeten um 2005 rum dann bei Southern Lord. Nach dem ganzen Namedropping schließt sich gute 20 Jahre später der Kreis.
Denn im Oktober diesen Jahres haben Sunn O))) ihre erste 12“ auf Sub Pop veröffentlicht. Eternity‘s Pillars b/w Raise The Chalice & Reverential wird offiziell als Maxi-Single vertrieben, wobei die drei Songs mit ca. 30 Minuten Gesamtspielzeit die ca. 29 Minuten bei 11 Tracks der oben besprochenen Deaf-Club-LP in ein spezielles Verhältnis setzen. Sunn (gerne von Fans so abgekürzt) dröhnen und scheppern, wie wir es lieben und auch nicht anders haben wollen. Monotone, fräsende Gitarrenriffs, unterlegt mit Synthesizern, brachial brutal gesampelt und gelooped. Stoisch werden Frequenzen und Töne minutenlang gehalten, wiederholen sich, um dann noch gewaltiger anzusetzen und den Gehörgängen endgültig den Garaus zu machen. Nicht umsonst werden bei Sunn Konzerten Ohrstöpsel verteilt und darauf hingewiesen die Dinger auch zu tragen. Die Lautstärke ist wirklich, im wahrsten Sinne des Wortes, ohrenbetäubend und bringt die Eingeweide zum Vibrieren. Ich selber musste bei einem Sunn-Konzert schon die Halle verlassen, der Magen spielte nicht mehr mit.
Sunn O))) Konzerte sind die Hölle auf Erden und das ist absolut nicht negativ gemeint. Das Duo Earth ist, wie auch die guten alten Nirvana, in Seattle beheimatet. Sie haben Mitte diesen Jahres WEM Dominator, eine 2016er Live-Show, aufgenommen im KOKO, London*, auf Fire Records veröffentlicht. Das damalige Line-Up bestand aus Adrienne Davies (Schlagzeug, bis heute dabei), Jodie Cox (Baritone-Gitarre) und Dylan Carlson (Gitarre). Die Show wurde damals mit einem der Klassiker der Band, Bees Made Honey In The Lion‘s Skull eröffnet. Dieser Song macht klar, warum Earth immer noch eine der wichtigsten Bands des Gitarrendrone/Post-Rock sind und waren! Langsame wuchtige Gitarrenriffs, druckvolles Schlagzeug, ohne Gesang. Diesmal weniger Drone, dafür mehr Country. Unser Tipp: im Januar 2026 kommen Earth auf Europa-Tour, so dass eine weitere Lücke in unserem Konzerttagebuch endlich geschlossen werden kann. Fun-Fact am Rande, für den 2013er Western Gold des deutsch-türkischen Regisseurs Thomas Arslan mit Nina Hoss in der Hauptrolle hat Dylan Carlson den Soundtrack eingespielt.
Finnland ist nicht nur für Tango und Kalsarikännit** bekannt. NYOS aus Jyväskylä gibt es seit 2014. Sie haben ihr siebtes Album Growl, wie auch die beiden Vorgängeralben, Celebration (2022) & Waterfall Cave Fantasy, Forever (2023), auf dem Berliner Label Pelagic Records veröffentlicht. Den englischstämmigen Gitarristen und Soundtechniker Tom Brooke verschlug es 2012 nach Finnland, wo er den finnischen Musiker Tuomas Kainulainen (Schlagzeug und Gitarre) traf. Frickeliger, heller Gitarrensound trifft auf rollendes Schlagzeugspiel. Alles verwebt sich zu einem Klangteppich, der sich hypnotisch ausbreitet, immer mehr gefangen nimmt und Raum & Zeit vergessen lässt. Um uns von der schon so oft erwähnten Livequalität des Duos zu überzeugen, machten sich Mrs. Cave und der Oberbilker am Freitag, 14.11.25 nach Köln in den Tsunami-Club auf. Dies trotz widriger Umstände. Die Sperrung des Kölner Hauptbahnhofes grätschte uns voll in den Rückweg. Die Mühen wurden aber belohnt, die überaus sympathischen NYOS konnten die Dynamik der Studioalben live sogar noch toppen und gaben ca. eine Stunde lang alles. Gitarrist Tom Brooke zauberte mit zwei Soundboards unglaubliche Effekte in den Club, wozu Schlagzeuger Tuomas Kainulainen die Arme in einer atemberaubenden Geschwindigkeit fliegen ließ. Die von beiden erzeugten Soundskills waren so intensiv, dass Mrs. Cave zusätzlich zu ihrem angepassten Gehörschutz Micky-Mäuse tragen musste, und auch mir fiepten die Ohren trotz Tannenbäumchen. Style des Abends: spitze knallrote Lackfakeschlangenlederhalbschuhe zur Adidas Joggingpeitsche an Tom Brooke!
Support waren New.Topia aus Köln, schon alleine für dieses Duo hätte sich die Anfahrt gelohnt. Andy Sonntag (Schlagzeug) und Gregor Polzin (Gitarre) eröffneten den Abend mit einem ebenso grandiosen Post-Rock/Post Metal Set. Die Debut EP Enkonduko können wir allen Liebhaber*innen des Genres nur wärmstens ans Herz legen und ist bei Bandcamp auch noch als Tape erhältlich. Die mitreißende Live-Performance im Tsunami wird auf dem sehr gut produzierten Tape bestätigt und die Songs Brutus, Paris & Tennessee machen Lust auf mehr. New.Topia brauchen sich keinesfalls hinter internationalen Acts wie Mogwai, Pelican oder anderen Bands zu verstecken. An dem Abend war der kleine Club in der Kölner Südstadt das Eingangstor zur großen weiten Konzertwelt. Ein weiterer Pluspunkt, das immer wieder leckere Mühlenkölsch im Ausschank.
Nach über 12 Jahren veröffentlichen Modern Life Is War (MLIW), aus Marshalltown, Iowa, mit Life On The Moon ihr fünftes Album. (Die Seven-Inch-Serie Tribulation Worksongs Vol. 1 bis Vol.3 aus den Jahren 2018 bis 2021 lassen wir mal außen vor). Veröffentlicht auf Iodine Recordings (Boston, Massachusetts) und Deathwish (Beverly, Massachusetts) ist Live On The Moon nicht mehr ganz so brachial wie die vier Vorgängeralben, dafür etwas „verspielter“. Das ist aber auch gut so. Nach den Alben My Love. My Way. (Debüt 2003), Witness (2005), Midnight In America (2007) und Fever Hunting (2013) hatte die Band genügend Zeit, neue Wege einzuschlagen, sich neu zu erfinden, aber trotzdem selber treu zu bleiben. Die Themen Wut, Kapitalismuskritik, Angst vor Verlust sind immer noch da, werden diesmal aber ergänzt mit Synths, Streichern und Saxophon. Alteingesessene Fans könnte die Poppigkeit verschrecken. Es lohnt aber, sich tiefgehender mit Live On The Moon zu beschäftigen und die „neuen“ MLIW kennenzulernen, zu ergründen und ins Herz zu schließen.
Den Abschluss bildet diesmal Van Bloomen aka Marcel Van Blumen (100blumen). Das Loser-Tape ist zwar schon im Juni diesen Jahres erschienen, hat aber erst Ende Oktober den weiten Weg von Flingern nach Oberbilk geschafft. All denen, die 100blumen mittlerweile zu gitarrig/punkig sind, ist das neue Van-Bloomen-Tape zu empfehlen. 10 electroide Synthwave Smasher, die zum Tanzen im heimischen Wohnzimmer, im Club oder live bei Konzerten einladen. Vergleiche zu Ascii Disko, Black Strobe oder alte French-House-Klassiker wie Miss Kittin & The Hacker sind absolut angebracht. Die Blumen sind verwelkt, es lebe Van Bloomen!
Alles produziert von Marcel himself in seinem Arbeitszimmer. Erschienen auf Sleeping Cat Records.
Die neue Ragana LP ist leider vor Redaktionsschluss nicht mehr rechtzeitig ausgeliefert worden und wird in der Dezemberausgabe für den Gabentisch besprochen.
Grüße Mrs. Cave und der Oberbilker