Verkehrswende in Düsseldorf

Noch nicht in der Spur

Mit hauchdünner Mehrheit stimmte der Rat der Stadt Ende November 2019 für den Erhalt der dritten Umweltspur. Für eine Befriedung der Kontroverse konnte ein solches Abstimmungsergebnis nicht sorgen. Und so ging der Streit um die Düsseldorfer Verkehrspolitik im Allgemeinen und die Umwelttrassen im Besonderen dann auch munter weiter.

Nur mit einer Stimme Mehrheit lehnte der Düsseldorfer Rat am 28. November 2019 den Antrag der FDP ab, die dritte Umweltspur wieder abzuschaffen. Noch dazu mit einer ominösen Stimme. Sie kam nämlich aus den Reihen der Fraktion „Freie Wähler/Tierschutz-Partei“, deren Geschäftsführer der ehemalige Rechtsrock-Unternehmer, einstige extrem rechte Lokalpolitiker und spätere „Aussteiger“ Torsten Lemmer ist.

Ein solches Ergebnis für den Erhalt der Trasse, die bei der A46-Ausfahrt „Düsseldorf Zentrum“ be­ginnt und vor der Corneliusstraße endet, stand nicht unbedingt zu erwarten. Dementsprechend freudig fiel die Reaktion von Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) aus. „Ich bin erleichtert, denn ein Abbruch wäre ein dramatischer Rückschlag gewesen. Die Mehrheit hat verantwortlich gehandelt“, bekundete er. Die Minderheit hingegen grollte. Die FDP, für welche die „Stauspur“ bzw. „Bremsspur“ gemäß ihrer „Freie Fahrt für freie Bürger“-Philosophie ein Akt der „Freiheitsberaubung“ darstellt, hielt nach der Ratssitzung fest: „Wir werden das Thema weiterhin kritisch begleiten.“ Und die CDU, die an dem Tag sogar eine Vorlage zum Stopp aller drei Umweltspuren eingebracht hatte, ging sogar noch weiter. Die Partei kündigte an, im nächsten Jahr einen erneuten Anlauf zur Abschaffung der Umweltspuren zu unternehmen und es vielleicht sogar mit einem Bürger*innen-Entscheid zu versuchen. Die Erklärung, wie sie die Düsseldorfer*innen denn stattdessen vor Schadstoff-Belastungen schützen und die Einhaltung der EU-Luftverschmutzungsgrenzwerte erreichen wollten, blieben die Christdemokrat*innen indessen schuldig.

Geisel unter Druck

Die Wirtschaftsverbände hatten dafür ebenfalls keine Antwort parat. Die Lobby-Organisationen trieben lediglich Standort-Sorgen um. „Die Auswirkungen sind fatal“, klagte der „Deutsche Hotel- und Gaststättenverband“ (DEHOGA) und sah Geisel & Co. in der Pflicht. „Wir erwarten von den Verantwortlichen, dass sie im Sinne der Stadt handeln und kurzfristig die Rahmenbedingungen schaffen, dass der Besuch der Stadt Düsseldorf weiterhin attraktiv für die Bürger und Gäste ist und sie nicht auf das Internet beziehungsweise Stadtrand-Zentren ausweichen“, so der DEHOGA. Die Handwerkskammer nannte als Beispiel für einen solchen unbedingt notwendigen Schritt den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs und pochte darauf, dass dieser „mit erheblichem Tempo vorankommt“. Die „Industrie- und Handelskammer“ (IHK) wartete ebenfalls mit einigen konkreten Vorschlägen auf. Nachdem die IHK das Stadtratsvotum so halbwegs verdaut hatte, rappelte sie sich wieder auf und und gab die Parole aus: „Jetzt gilt es, die Auswirkungen für Unternehmen, Pendler und Kunden zu mildern.“ Als ein geeignetes Mittel dafür schwebte ihr die Öffnung der dritten Umweltspur für Lieferdienste sowie für LKW mit mehr als zwei Insass*innen vor. Darüber hinaus verlangte sie, Busse auf dem A46-Standstreifen fahren zu lassen, damit diese nicht unter den Umweltspur-Rückstaus leiden. Damit nicht genug, mahnte IHK-Präsident Andreas Schmidt zudem Kooperationsgespräche des OBs zur Verkehrspolitik mit den Landrät*innen der umliegenden Gemeinden an.

Diese führte Geisel dann auch, um Möglichkeiten für die Einrichtung von mehr „Park and Ride“-Parkplätzen zu eruieren. In Sachen „Standstreifen“ war die Verwaltung schon in Vorleistung getreten. Sie hatte die Angelegenheit dem für die Genehmigung zuständigen NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) vorgelegt, der eine Prüfung zusicherte. Überdies erhielten Reisebusse bzw. „Kraft-Omnibusse im Gelegenheitsverkehr“ die Lizenz für die Umweltspur. Weitere Öffnungsklauseln lehnte der Oberbürgermeister allerdings ab: „Es würde falsche Anreize schaffen, die Umweltspuren jetzt einfach für alle Lieferdienste zu öffnen.“ Pflegende Angehörige, Menschen mit Behinderungen und Senior*innen müssen einstweilen ebenfalls draußen bleiben.

Von „Bündnis 90/Die Grünen“ bekam Thomas Geisel ebenfalls Hausaufgaben auf. Die Partei ist zwar die Mutter der Umweltspuren, hadert aber mit der Art und Weise der Implementierung (siehe TERZ 12.19). Weil vor dem Start fast nichts geschah, es weder mehr Busse und Bahnen, noch mehr Parkplätze und Radwege gab, geschweige denn eine „Produkteinführungskampagne“, brachten die Grünen kurz vor der entscheidenden Abstimmung sogar eine Aussetzung der dritten Spur ins Spiel. Und danach drängte der verkehrspolitische Sprecher Norbert Czerwinski: „Ich erwarte jetzt, dass die Stadt und die Rheinbahn schon bis Weihnachten entsprechende Maßnahmen nachholen.“

Ein Zeichen des guten Willens setzte Geisel mit dem Vorstoß, das „Dezernat für Planen, Bauen, Mobilität und Grundstückswesen“ aufzusplitten und aus „Verkehr“ wieder ein eigenständiges Ressort zu machen. Ausgewiesene Expert*innen als Bewerber*innen möchte die Stadt dann mit Hilfe einer Personalberatung finden.

In der jetzigen Form zeigte sich das Amt kaum in der Lage, in Düsseldorf die richtigen Weichenstellungen für Bus, Bahn und Rad vorzunehmen. Und einige Beschäftigten gehörten wohl auch der Auto-Partei an und trieben gezielt Obstruktionspolitik. So tauchte im Internet etwa eine Verwaltungsvorlage zur Erhöhung der Park-Gebühren auf, was für einige Aufregung sorgte und bei SPD und Grünen Sabotage-Verdacht schürte. Bei der CDU aber konnte der Oberbürgermeister mit seiner Dezernatsreform trotzdem nicht punkten. „Für uns sind die Pläne von OB Geisel ein Eingeständnis, dass er die Mobilitätswende nicht hinbekommt“, konstatierte Fraktionschef Rüdiger Gütt.

Tatort Lierenfeld

Aber wenn es wirklich mal konkret ans Wenden ging, verweigerten Gütt & Co. die Mithilfe. So sträuben die Christdemokrat*innen sich, die ÖPNV-Spur auf der Erkrather Straße zwischen „An der Schützenwiese“ und „Posener Straße“ von der Test-Phase in den Dauerbetrieb zu überführen. Dabei hatte die Auswertung mit guten Zahlen überzeugt. Die U75 kam schneller voran, wenn sie eine Fahrbahn für sich alleine hatte, weil sie nicht mehr so oft abbremsen musste. Von 1.124 Mal pro Woche auf 342 Mal reduzierte sich der Wert. Für die Autos hingegen verzögerte sich das Fortkommen um zehn Sekunden. Nach der Einschätzung des CDUlers Christian Rütz dürfte es jedoch ein bisschen mehr sein. Er mahnte eine genauere Erhebung der Verlustzeiten für den Individual-Verkehr an und hätte dafür den Fokus gerne auf die allmorgentlichen und allabendlichen Rushhours gelegt.

Überdies sorgte die neue Spur für einen Verdrängungseffekt: Das Auto-Aufkommen sank von 12.000 auf 9.000 Fahrzeuge. Die CDU schenkte jedoch auch dem keinen Glauben. „Ich bezweifle, dass der Verkehr an der Schützenwiese zurückgegangen ist“, sagt etwa Bezirksbürgermeister Gerwald van Leyen. Andere Kritiker*innen stellen den absoluten Rückgang der PKW-Zahlen mit dem Verweis auf Ausweich-Routen in Frage.

Was die dritte Umweltspur angeht, wollen einige solche Strecken bereits dingfest gemacht haben. Eine führt über die Merowingerstraße, eine andere über die Harffstraße durch das Gurkenland. „Eigentlich ist es total ruhig hier. Aber seit es die Umweltspur gibt, fahren hier erheblich mehr Autos durch als früher“, beklagt sich eine Gurkenländerin. Eine Gefahr bedeutet das ihrer Ansicht nach vor allem für die Kinder, welche die Gemeinschaftsschule an der Bingener Straße besuchen und in unmittelbarer Nähe weder einen Zebrastreifen noch eine Ampel vorfinden. „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ein Unfall passiert“, warnt die Anwohnerin. Sie hat deshalb bereits an die Stadt geschrieben. Die Verwaltung antwortete, erst einmal alle Informationen zum Umgehungsverkehr zusammentragen zu wollen, ehe sie Maßnahmen prüfe. Tatsächlich hat das Umweltamt nicht nur entlang der Umweltspuren, sondern jeweils auch in deren unmittelbaren Umgebungen sogenannte Passiv-Sammler zur Schadstoff-Messung aufgestellt, um mögliche Verlagungen von Straßen-Nutzungen und damit auch von dessen Risiken und Nebenwirkungen aufzuspüren. Der Frau reichte dies jedoch nicht. Sie trägt sich mit dem Gedanken, eine Unterschriften-Sammlung zu initiieren.

So dürfte das Thema also auch im Jahr 2020 weiter die Gemüter erregen, obwohl Thomas Geisel sich in seinem persönlichen Jahresrückblick zuversichtlich zeigte, „dass der Ärger sich legen wird“. Die erste Gelegenheit, die Ausschläge auf der Wutbürger*innen-Skala zu beobachten, bietet der 15. Januar. An dem Tag fällt in der Sitzung des Verkehrs- und Ordnungsausschusses nämlich voraussichtlich die Entscheidung darüber, ob die Lierenfelder ÖPNV-Spur auf Dauer gestellt wird.