TERZ 05.21 – AM PRANGER
Im Januar 2020 hat die TERZ (01.2020) über die „Stocktauglichkeit“ der Außendienst-Mitarbeitenden des städtischen Ordnungs- und Servicedienst Düsseldorf (OSD) berichtet. Zeit zum Nachsehen, wie es denn so läuft mit den Knüppeln.
Im Gutsherren-Stil hatte die Stadtverwaltung im Winter 2019/2020 die Einführung eines Teleskopschlagstockes für den OSD beschlossen. Der sogenannte „Einsatzstock kurz ausziehbar“ sollte von da an die OSD-Mitarbeitenden in den Stand setzen, mit der gezogenen Waffe in der Hand kritische Situationen im Kontakt mit „Störern“ auf Düsseldorfs Straßen zu lösen. Dafür waren Fix- und Folgekosten in Höhe von 20.000 Euro plus jährlich akkumulierenden „ca. 4.000 Euro“ angesetzt. Davon 12.000 Euro sollten die Kosten für einen dreistufigen Fortbildungslehrgang decken, in dem die OSDler*innen die Rechtsgrundlagen zum Einsatz des Schlagstockes lernen sowie das Drohen und Schlagen mit ihrer neuen, gerne ausdrücklich so bezeichneten „Defensiv“-Waffe üben sollten – zertifiziert und späterhin aufgefrischt in Folge-Seminaren. Entscheidungsgrundlage sei damals die Fürsorgepflicht gewesen, die die Stadt Düsseldorf als Arbeitgeberin für ihre OSD-Außendienstler*innen walten lassen müsse. Denn diese stünden, so das Personalräte-Blatt der städtischen Mitarbeitenden, „BLICKWINKEL“, im Winter 2019/2020 auf der ungemütlichen Windseite eines zusehends verrohten „gesellschaftlichen Klima[s]“, in dem vor allem die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes betroffen seien von Beleidigungen, Bedrohungen und Gewalt.
In öffentlicher Sitzung informierte nun, am 24. März 2021, Fachdezernent Christian Zaum den Ordnungs- und Verkehrsausschuss der Stadt Düsseldorf, wie die Sache mit dem Schlagstock denn nun stünde. Dabei kam sein „Erfahrungsbericht über die Einführung des Einsatzstockes, kurz, ausziehbar (EKA) im Ordnungs- und Servicedienst (OSD)“ in „Beratungsqualität Kenntnisnahme“ daher – ein übliches Verfahren in kommunalen Strukturen. Zugleich wenig verwunderlich im vorliegenden Fall, denn schon bei der Entscheidung, den OSD ab 2020 Schritt für Schritt zu bewaffnen, hatten die gewählten Vertreter*innen der Parteien kein Wörtchen mitzureden gehabt.
Zufrieden zeigt sich nun der Bericht, dass die Aufrüstung des OSD im Verlaufe des Jahres 2020 so gut wie abgeschlossen worden sei. Trotz SARS-CoV2-Pandemie und schwierigen Bedingungen für die Modulfortbildungen der OSD-Kräfte durch Polizeibeamt*innen („erfahrene und anerkannte Trainer des Polizeipräsidiums Duisburg“), seien inzwischen „95 % der Einsatzkräfte im Rahmen der angebotenen Module“ geschult und unterwiesen. Die erfolgreiche Qualifizierung sei, so heißt es weiter: „bedingungslose Voraussetzung für die Aushändigung und Berechtigung zum Tragen des EKA“.
Auf einer knappen DIN A4-Seite referiert der „Erfahrungsbericht“ nun also, wie sich der neue Stock denn nun so mache. Eine Daten- oder Erhebungsgrundlage bleibt uns Dezernent Zaum allerdings schuldig. Unklar ist, wie viele OSD-Mitarbeitende denn über welchen konkreten Zeitraum ihre „Erfahrungen“ gemacht haben, wo doch die Modultrainings wegen SARS-CoV2 in 2020 lange pausieren und erst „im Oktober 2020 wieder aufgenommen werden“ konnten. Offen ist auch, ab wann der Großteil der OSD-Mitarbeitenden im Außendienst – ganz sauber, geprüft und zertifiziert – den Schlagstock überhaupt haben tragen und Erfahrungen als bewaffnete Servicekraft haben sammeln können. Wir schließen also schlagstockscharf: Wenn alles mit verwaltungs-rechten Dingen zugegangen ist, kann es mit der Erhebung der Erfahrungswerte der OSDler*innen nicht allzu üppig zugegangen sein. Aber vielleicht, ließe sich spötteln, macht eine Wachtel schon den ganzen Sommer?
So verwundert es auch nicht, dass sich der insgesamt empörend knappe Bericht mit etwa einem Fünftel der genutzten Buchstaben einer „Situation in der Altstadt“ widmet, die gezeigt habe, wie „herausragend“ (kein Scherz!) die „Deeskalationswirkung des EKA“ sei. Denn hier habe der Schlagstock einer Gruppe von fünf OSD-Mitarbeitenden gute Hilfe geleistet. Zuhauen sei gar nicht nötig gewesen. Die „schulungsentsprechende“ Androhung, den Schlagstock zum Einsatz zu bringen, habe bereits ausgereicht, um im Altstadt-Nachtdienst eine „aggressive Gruppe von elf männlichen Personen“ erfolgreich in Schach zu halten.
Seit dem „Abschluss der ersten Tragezertifizierungen“ habe es in 18 weiteren Fällen Androhungen zum Einsatz des EKA durch den OSD gegeben. „[E]rfreulicherweise“ sei es aber noch nicht zur tatsächlichen Anwendung gekommen.
Wie schön, möchte eins meinen, dass das Sicherheitsgefühl auf Düsseldorfs Straßen nun immerhin für diese 95 % der OSDler*innen so „herausragend“ besser geworden ist. Und auf subjektive Sicherheit, da legt die Stadt ja viel wert – für wen allerdings? Valides, wie etwa eine klare Datenlage, ob die OSD-Mitarbeitenden Dank ihrer neuen Knüppel-Aura weniger häufig angegriffen worden sind, fehlt.
Aber mit Statistik, die mit belastbaren Aussagen zur Argumentation hätte beitragen können, warum die OSD-Kräfte in 2020 ohne jede Diskussion oder Alternativ-Idee ad hoc hatte bewaffnet werden sollen (oder eben nicht!), hat die Stadtverwaltung es immer noch nicht so. Die Informationsvorlage liefert eingangs zwar ein vermeintlich üppiges Zahlen-Tableau, das den Leser*innen ins Auge springen muss. Um „600 %“ sei die Zahl gestiegen. Wer genauer hinsieht: die der „Anzahl der strafrechtlich zu bewertenden und von der Stadt Düsseldorf gegenüber den Strafverfolgungsbehörden angezeigten Vorfälle zum Nachteil der Bediensteten des OSD.“ Unerwähnt bleibt, dass die „angezeigten Vorfälle“ vielleicht „strafrechtlich zu bewerten“ gewesen sein mögen. Was eine Straftat ist, bewertet unserorts aber immer noch ein Gericht, nicht wahr? Zudem, das überliest sich auch leicht, handelt es sich bei diesen 600 % um einen Zuwachs von 21 auf 112 Fälle – im Zeitraum von 2009 bis 2018 wohlgemerkt. Bei nächster Gelegenheit müsste sich die Verwaltung wohl einmal fragen lassen, wie die genannten Zahlen denn im Detail, jenseits ihres populistischen „Einsatzes“ im Berichtswesen ausgesehen haben, oder?
Ob der EKA beim Drohen gut in der Hand liegt? Wir wissen es leider nicht. Es hätte uns aber nicht gewundert, wenn wir es durch den Bericht des Ordnungsdezernenten erzählt bekommen hätten. Immerhin wissen wir nun, dass es in der Evaluation der ersten Einsatzphase „vereinzelt kritische Rückmeldungen“ innerhalb der Belegschaft gegeben habe: bezüglich „des Tragekomforts“. Aber nur wenig Beschäftigte hätten sich unzufrieden mit der Baumelei des Stockes im Holster geäußert. Auch sei der „Tragekomfort bei der Benutzung im Kfz als unkomfortabel“ bemängelt worden. Wie erleichtert müssen wir sein, zu lesen, dass das Ding wenigstens gut aussieht, wenn der OSD breitbeinig in der Altstadt aufläuft oder hinterm Hauptbahnhof mal wieder aufräumt. So heißt es (formuliert gewiss ohne jeden Hauch von Ironie): „Im Hinblick auf die erzielte optische Außenwirkung ist eine sehr deutlich positive Resonanz zu verzeichnen“.
Als wäre es nicht grotesk genug, lesen wir in der Informationsvorlagen am Ende allen Ernstes, dass die „Entscheidung für die Einführung des Einsatzstocks als eindeutig richtig zu bewerten“ sei. Von ernsthafter Rechtfertigung jenseits von Uniformschick und Erfolgspathos hingegen: keine Spur. Derweil ist es vermutlich ratsam, dem OSD auch weiterhin auf die Finger zu gucken. Auch beim Hochhalten von Gummiknüppeln, so kurz und ausziehbar sie auch sein mögen.