Der Pressedienst der Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland) 1928 – 1933

Die aktuelle Lage im „Corona-Sommer“ 2021

Auf der einen Seite haben wir enttäuschte und wütende Querdenker*innen, vor allem aus dem rechten Lager der Gesellschaft. Sie sehen die Corona-Politik von Merkel und Co. als Angriff auf die Freiheitsrechte der Deutschen. Manche der gebildeten und belesenen Verschwörungstheoretiker*innen unter ihnen vermuten gar die Einflussnahme subversiver internationaler Kräfte auf das deutsche Gemeinwesen.

Auf der anderen Seite wehren sich Antifa­schist*innen gegen den rechten Sumpf. Sie verhindern Aufmärsche der rechten Brut, appellieren an die staatspolitische Verantwortung des Bürgers / der Bürgerin, die Seuchenbekämpfung ernst zu nehmen. Auch sie verschonen die Staatsorgane nicht mit kritischen Anmerkungen.

Ob lechts oder rinks, alle haben hohe Ansprüche an die Obrigkeit, die nie restlos befriedigt werden. Denn ausdrücklich setzt sich die Herrschaft von den in der Gesellschaft existierenden Einzelinteressen ab und begünstigt diese nur, wenn sie dem Gesamtinteresse, also dem Staatswohl dienen. Da wird gerne der Großkapitalist gefördert und in den schlimmsten Krisensituationen gestützt, während der*die kleine Lohnarbeiter*in oder Bezieher*in von Transferleistungen vom Amt drangsaliert und mit unwürdigen Lebensbedingungen abgespeist wird. Bisweilen kommt es sogar vor, dass Mahnungen von Verbraucherschützer*innen und Wohlfahrtsverbänden Gehör finden und Industrie-, Handels- und Immobilienkapital in ihre Schranken verwiesen werden. Schließlich soll die ständig gefährdete Funktionsfähigkeit der Lohnarbeiterklasse erhalten bleiben und der abgehängte Teil der Gesellschaft nicht durch unkontrolliertes Handeln den Zusammenhalt der fiktiven Gemeinschaft gefährden.

Ein Blick zurück: Die Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland)

Schon vor hundert Jahren haben sich Kommunist*innen überall auf der Welt - im Gegensatz zu den Sozialdemokraten und den Parteien, die sich in der von der Sowjetunion geführten Kommunistischen Internationalen wiederfanden - von jeder Illusion über den Staat als Wohltäter der Menschen und über die kapitalistische Ökonomie als Befördererin des Wohlstandes für alle verabschiedet. Sie prangerten nicht nur gesellschaftspolitische Verhältnisse an, die zum Schaden der Mehrheit der Bevölkerung gereichten. Auch die herkömmlichen sozialdemokratischen Gewerkschaften kamen als Liebhaberinnen der Lohnarbeit (nicht der Lohnarbeiter*innen!) nicht ungeschoren davon. Sie kritisierten deren „Interessenvertretung“ als eine Bevormundung durch gut bezahlte Gewerkschaftsführer zum Schaden der von ihnen Vertretenen und als Kumpanei mit der Gegenseite, dem Kapital.

Ausdrücklich vertrat dies zum Beispiel die Gruppe Internationaler Kommunisten (GIK - Holland). Sie arbeitete nach dem Ersten Weltkrieg und der Oktoberrevolution eng zusammen mit der deutschen KAPD (Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands) und AAU (Allgemeine Arbeiter-Union). Eng war sie auch – trotz erheblicher Differenzen – im kritischen Dialog mit den Industrial Workers of the World (IWW) in den USA verbunden. Die GIK formulierte nicht nur eine Kritik der Sozialdemokratie, sondern auch der Kommunistischen Internationale, weil diese statt einer selbstbestimmten, rätedemokratisch organisierten sozialistischen Gesellschaft den Staatskapitalismus bzw. Staatssozialismus beförderte.

Der Pressedienst der Internationalen Kommunisten

Die Gruppe Internationaler Kommunisten veröffentlichte von 1928 bis 1938 in den Niederlanden den „Persdienst van de Groepen van Internationale Communisten“. Die teilweise deutsche Übersetzung erschien bis 1933 unter dem Titel „Pressedienst“. Ab 1934 wurde die deutschsprachige Ausgabe umbenannt in „Internationale Rätekorrespondenz“. Schwerpunkte des Pressedienstes waren die Gewerkschaftskritik, die Dokumentation selbstständiger Kämpfe der Arbeiterklasse, die Perspektiven einer Bedarfswirtschaft auf rätedemokratischer Basis, die Entwicklung der Landwirtschaft im Kapitalismus, die Kritik des Anarchismus in Spanien, die Auseinandersetzung mit den Entwicklungen in der Sowjetunion und die Analyse des aufkommenden Faschismus bzw. Nationalsozialismus in Europa und insbesondere in Deutschland.

Die Perspektive einer herrschaftsfreien Gesellschaft, einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, war die Grundlage der theoretischen Arbeiten der Gruppe. Schonungslos wurden demokratische Verschleierungen von Herrschaft aufgedeckt, Ausbeutung fand in den Augen der GIK auch dort statt, wo freie Lohnarbeiter sich frei dem Kommando des Kapitals unterordneten. Und Letzteres gab es ihrer Meinung nach auch in der Sowjetunion. Dort war es nicht das Kapital, sondern der Staat, der sich eine riesige Lohnarbeitermannschaft unterwarf - zum Aufbau eines sogenannten Sozialismus‘ und eines sozialistischen Staates, der in der internationalen Konkurrenz sich behaupten sollte.

All dies lässt sich jetzt in der neu vorgelegten Dokumentation nachlesen. Die Herausgeber des Buches haben die Dokumentation des Pressedienstes durch zwei weitere Schriften der GIK ergänzt. Zum einen übersetzten sie einen grundlegenden Artikel von 1930 zur Landwirtschaft im Kapitalismus – „De ontwikkeling van het boerenbedrijf. Ontwikkelingslijnen in de landbouw“ („Entwicklungslinien in der Landwirtschaft“) – aus dem Niederländischen und veröffentlichen ihn erstmalig in deutscher Sprache. Zum anderen findet sich als abschließender Text eine Faschismusanalyse – übersetzt aus dem Englischen - von Anton Pannekoek, einem Protagonisten der GIK.

Ausblick

Die Ausführungen der Gruppe Internationaler Kommunisten sind alt, aber nicht veraltet. Wenn heute junge Menschen sich um die Klimaveränderungen durch den Schadstoffausstoß der kapitalistischen Wirtschaft Sorgen machen, wenn Menschen ihre Wohnungen verlieren, weil Wohnraum Spekulationsobjekte sind, wenn sich die Gesundheit zum größten Geschäftszweig entwickelt und die Zahlungsfähigkeit vieler Menschen weltweit überfordert, die Preise der Nahrungsmittel für einen Teil der Bevölkerung unbezahlbar werden, wenn in der Schule neben einer gut ausgebildeten Elite immer mehr junge Menschen von grundlegender Bildung systematisch ausgeschlossen werden, wenn die Lohnarbeit unerträglich wird, wenn … lohnt es sich, die kompromisslose Analyse und Strategie der holländischen Kommunisten im Hinblick auf eine korrekte Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse, die Überwindung unerträglicher Verhältnisse weltweit und die Gestaltung einer neuen Gesellschaft, die frei von Ausbeutung und Unterdrückung ist, zur Kenntnis zu nehmen.

Alle Macht den Räten!

HENRICI

Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland): Pressedienst der Internationalen Kommunisten 1928 - 1933
Herausgegeben von Hans-Peter Jacobitz und Thomas Königshofen in Zusammenarbeit mit https://aaap.be.
Verlag: Syndikat-A, anarchosyndikalistischer Medienvertrieb, Moers 2021.
ISBN: 978-3-949036-01-9, Taschenbuch: 216 Seiten, Preis: ca. 15,80 Euro.