Der Feind steht Links, oder was?

Versammlungsgesetz NRW stoppen!

Mit einem massiven Angriff auf das Versammlungsrecht will die nordrhein-westfälische Landesregierung Demonstrationen und Kundgebungen massiv einschränken. Dagegen gibt es seit Wochen Proteste. Für Samstag, den 26. Juni 2021 ruft ein landesweites Aktionsbündnis zu einer Demonstration in Düsseldorf auf.

Aktuell gilt in Nordrhein-Westfalen das Versammlungsrecht des Bundes. Das reicht der rechten Landesregierung aus CDU und FDP aber nicht mehr. Sie legte im Januar 2021 einen Gesetzesentwurf für ein neues Versammlungsgesetz vor – aus eigener Initiative und als Antwort auf einen im Herbst letzten Jahres formulierten Vorschlag der SPD-Oppositionsfraktion, das NRW ein neues Versammlungsgesetz brauche.

Diese Steilvorlage nahm das Innenministerium unter Herbert Reul (CDU) dankend an. Im nun vorliegenden Gesetzesentwurf wird deutlich, dass es seinen Macher*innen um nicht weniger als die massive Behinderung des Rechts auf Demonstrationsfreiheit geht. Denn sie ist ihnen ein Dorn im Auge. Oder sollen wir lieber sagen: ihnen und der Polizei und deren Lobbyorganisationen wie der GdP (Gewerkschaft der Polizei) und der DPolG NRW (Deutsche Polizeigewerkschaft Nordrhein-Westfalen)?

Polizei macht Gesetze?

Die Polizei – z. B. in Düsseldorf – jammert schon länger über die Mühen, die die vielen Demonstrationen in der Landeshauptstadt den Sicherheitsbehörden bereiten. Sie machte auch nie einen Hehl, daraus, wer da vor allem nervt: Es sind die linken Demonstrationen, die soviel Aufwand benötigen, insbesondere wenn sie sich gegen Nazis und Konsorten richten. Für die Polizei sind es also kurzum die Linken, die stören. Eben dieser rechte Geist findet sich im Gesetzesentwurf wieder. Er liest sich wie ein Wunschkonzert nach der Pfeife der Polizei. Es wird nicht das Versammlungsrecht gestärkt, freilich. Massiv ausgeweitet werden vielmehr die Eingriffsmöglichkeiten.

Schon jetzt wird das im Grundgesetz verankerte Versammlungsrecht erheblich eingeschränkt. Dennoch stand das Recht der freien Versammlung über dem wesentlich rigideren Polizeirecht. So liegen z. B. die Hürden für ein Verbot einer Demonstration rechtlich sehr hoch und führen dazu, dass polizeiliche Verbote häufig von Gerichten kassiert werden. Viele Aktivitäten auf Demonstrationen sind bisher als Teil des Demonstrationsgeschehens durch das Recht der freien Versammlung und der Meinungsfreiheit geschützt; außerhalb von Demonstrationen können sie durch Polizeirecht verfolgt werden. Auch der Hin- wie Rückweg zu und von einer Demonstration ist aktuell durch das Versammlungsrecht geschützt. Und die Eingriffsmöglichkeiten in einen Demonstrationsverlauf sind beschränkt.

Dass sich die Polizei oftmals nicht darum schert, ist immer wieder Anlass für rechtliche Auseinandersetzungen. Mit dem Gesetzesentwurf wird dies nun alles anders, macht lästige Klagen gegen übergriffige Polizeiarbeit im Demonstrationsgeschehen demnächst hinfällig. Denn der Entwurf beschneidet die Versammlungsfreiheit und unterwirft es dem Polizeirecht.

Die Welt, wie sie der Polizei gefällt

Die Ausführungen im Entwurf sind dabei so ungenau, dass die Polizei selbst bestimmen kann, wie sie diese auslegt. Mit anderen Worten: Der polizeilichen Willkür werden großzügig Tür und Tor geöffnet. Erst nachträglich – nach langwierigen und teuren Gerichtsverfahren – werden sich etwaige Lücken in der Rechtsauslegung angreifen und die Deutungshoheit der Polizei über die Freiheit des Demonstrationsrechts ins Wanken bringen lassen. Vielleicht.

Im neuen Gesetz wird Demonstrant*innen pauschal von vornherein eine kriminelle Absicht unterstellt. Viele Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, von der Teilnahme an und damit der Wahrnehmung des fundamentalen Rechtes auf Versammlungen abzuschrecken. Zudem droht jederzeit das Verbot einer Demonstration, wenn die laut neuem Versammlungsgesetz vorgesehenen strukturellen Auflagen nicht erfüllt würden. Neu ist da etwa, dass die Versammlungsanmeldenden die Namen aller Ordner*innen bei der Polizei werden angeben müssen. Und durch die nun geschaffene Möglichkeit, die gesamte Demonstration zudem offen und geheim zu observieren und das Material auszuwerten und aufzubewahren, wird jede*r Einzelne präventiv überwacht und ist identifizierbar. Jetzt und später. Gespeichert im Zusammenhang mit dem Anliegen, dass die Demonstration, bei der sie und er teilgenommen haben, auf die Straße getragen hat. Einfach so.

Wer geht unter diesen Voraussetzungen noch engagiert auf eine Demonstration und nimmt sein und ihr Recht auf Versammlungsfreiheit wahr? Mit der gleichzeitig geschaffenen Möglichkeit, Menschen pauschal die Teilnahme an einer Demonstration oder Kundgebung zu verbieten, weil die Polizei sie etwa in ihren Datenbeständen wiederzufinden glaubt und präventiv ausschließen möchte, wird das Recht der Versammlungsfreiheit am Ende sogar faktisch aufgehoben. Das erklärte Ziel des Gesetzes des Law & Order-Hardliners Reul sowie der CDU/FDP-Landesregierung ist es, unliebsame Demonstrationen möglichst zu verhindern, sie zumindest aber in ihrer Zahl zu beschränken.

Welche Demonstrationen sie dabei vor allem meinen, wird mit mehreren Beispielen im Gesetzesentwurf deutlich: Es sind die kreativen Klimaproteste, die antifaschistischen Aktionen und generell alles was links ist. Im rechten Mief eines Herbert Reul heißt es weiterhin: Der Feind steht Links.

Weitere Informationen zum neuen Versammlungsgesetz unter: https://nrw-versammlungsgesetz-stoppen.de