Erheblichen Vorschub geleistet in Düsseldorf

Waffentag mit Wilhelm

Der dritte „Waffentag“ und erste in nationalsozialistischer Regie fand Anfang Juli 1933 in Düsseldorf statt. Das noch nicht gefestigte Regime wollte diesen Anlass zu einem Schulterschluss mit den alten konservativen Kräften nutzen. Darum kam dem Besuch des Ex-Kronprinzen Wilhelm von Preußen eine hohe Bedeutung zu. Im Zuge der aktuellen Debatte um die Haltung des Hauses Hohenzollern zum Faschismus dokumentiert dieser Auftritt für den Historiker Jürgen Luh, wie eng die blau-braunen Blutsbande waren.

Nach 1989 witterten die alten Adelsgeschlechter wieder Morgenluft. Die Hohenzollern etwa meldeten Besitzansprüche an tausenden von Kunstgegenständen an, welche die DDR einst in Volkseigentum hatte übergehen lassen. Sie verlangten eine Rückgabe oder eine Entschädigung und beriefen sich dabei auf das Ausgleichsleistungsgesetz. Dieses hatte allerdings einen Haken: Es schloss ein Eingehen auf solche Forderungen aus, wenn die Enteigneten dem nationalsozialistischen System „erheblichen Vorschub“ geleistet hatten. Und mit genau diesem Vorwurf sehen sich die Hohenzollern nun konfrontiert. Im Mittelpunkt steht dabei das Verhalten des Ex-Kronprinzen Wilhelm von Preußen. Viele Historiker*innen schreiben ihm eine wichtige Rolle als Integrationsfigur zu, die dafür gesorgt hat, die alten konservativen Eliten an den NS-Staat zu binden. Vor allem in der Anfangszeit des „Dritten Reiches“, da sich die Herrschaft der Braunhemden noch nicht fest etabliert hatte und die NSDAP noch in einer Koalition zusammen mit der DNVP und dem Stahlhelm regierte, kam dem eine große Bedeutung zu.

Seinen ersten Auftritt in dieser Funktion hatte Wilhelm am 21. März 1933 beim „Tag von Potsdam“, der feierlichen Eröffnung des ersten Reichstages nach der Machtergreifung. Schon Ort und Datum waren bewusst gewählt. An einem 21. März hatte sich anno 1871 auch der erste Reichstag des Kaiserreichs konstituiert, und Potsdam war die ehemalige Residenzstadt der preußischen Könige. Hitler persönlich übernahm es, den Kronprinzen in die Garnisonskirche der Stadt zu bitten, um an der „Vermählung zwischen den Symbolen der alten Größe und der neuen Kraft“ mitzuwirken.

Den zweiten Termin in dieser Angelegenheit nahm Wilhelm von Preußen dann in Düsseldorf wahr. Er reiste am 1. Juli 1933 zum „3. Waffentag der deutschen Kavallerie“ an, der sich unter der Ägide der Nazis ein ganz neues Gewand gegeben hatte. „Aus einem um Aufmerksamkeit heischenden, konservativ-nostalgischen Reitertreffen mit Sportveranstaltung und Tierschau wurde eine propagandistische Großveranstaltung ‚im neuen nationalsozialistischen Staat’“, konstatiert der Historiker Jürgen Luh. Der Gau-Pressewart der Partei für die Region Köln/Aachen erklärte in seinem Grußwort zum Sinn der Übung: „Wir wollen den Kampf als braune Soldaten fortsetzen, den die feldgrauen Soldaten an alten Fronten begonnen haben (...). Wir wollen kein Bündnis mit Vereinsmeierei, gleich welcher Art, kämpfen aber für eine unlösbare Geschlossenheit.“ Hitler gab derweil in der „Deutschen Kavallerie-Zeitung“ für die Tage als Losung aus, die Hakenkreuz-Fahne „als Fahne der deutschen Erhebung der alten Fahne zur Seite zu stellen“. Düsseldorf befolgte sie geflissentlich. Hakenkreuz-Flaggen in regelmäßigem Abstand zur preußischen Flagge und zur Flagge des Deutschen Kaiserreiches säumten die Straßen, und auch sonst legte sich die Stadt mächtig ins Zeug. Sie stelle „sich ganz in den Dienst der Sache“, lobte die „Rhein- und Ruhrzeitung“.

Das tat neben dem Ex-Kronprinzen Wilhelm auch der Generalfeldmarschall August von Mackensen, der Schutzherr des Waffenrings der deutschen Kavallerie. Mackensen reiste sogar schon einen Tag früher an, galt es doch, auf der Golzheimer Heide Symbolpolitik zu betreiben. Dort stand nämlich das Ehrengrab Albert Leo Schlageters. Der Freikorps-Kämpfer, einst Mitglied der NSDAP-Tarnorganisation „Großdeutsche Arbeiterpartei“, hatte 1923 einen Sabotage-Akt auf die französische Besatzungsmacht im Rheinland verübt und war dafür hingerichtet worden. Das machte ihn in der Weimarer Republik zu einem Helden rechter Kreise und begründete einen regelrechten Schlageter-Kult, den die Braunhemden nun in die neue Zeit zu überführen gedachten. Zu diesem Behufe adaptierten sie Schlageter „als ersten Soldaten des Dritten Reiches“. Wilhelm von Preußen hätte daran gerne mitgewirkt, musste aber krankheitsbedingt passen. Dafür schickte er Kränze von sich und vom Ex-Kaiser Wilhelm II. aus dessen Exil in Doorn.

Aber zum Höhepunkt des Ganzen, dem „Deutschen Abend“ im Rheinstadion, der sich laut der Rhein- und Ruhrzeitung zu „einer gewaltigen nationalen Kundgebung“ auswuchs, war der Kaiser-Sohn zugegen. Er achtete auch auf die korrekte Garderobe und trug „abweichend von der Norm Totenköpfe auf seinem Husaren-Uniformkragen, die für den Betrachter eine Nähe zur SS-Uniform suggerierten“, wie Luh schreibt. Wilhelm nahm neben von Mackensen auf der Ehrentribüne Platz. Dort lauschte er dann den Worten des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Hans Wagenführ, der stolz vermeldete, die Stadt sei belebt von dem Geiste des Kanzlers Hitler und bilde einen Eckstein im stolzen Bau des neuen Deutschlands. Später marschierten vor den Augen Wilhelms tausend SA-Männer in das Stadion ein und bildeten ein Spalier für die feldgrauen Soldaten, die zwanzig alte Regimentsstandarten spazieren trugen. „Deutlicher hätte man es kaum inszenieren können: Die alte Armee wurde von den neuen Braunhemden umschlossen, die ehemaligen kaiserlichen Soldaten unter die NS-Parteisoldaten eingereiht. Es war Höhepunkt und Ausklang des Abends“, resümiert Jürgen Luh.

Jan

Jürgen Luh: Düsseldorf 1933. Der 3.  Waffentag der deutschen Kavallerie oder Wie die alten Soldaten in den „neuen Staat“ überführt wurden, in: Texte des RECS #40 (18.03.2021), https://recs.hypotheses.org/6279