TERZ 05.22 – NOISE OF ART
Jan Lemitz (geb. 1971 in Düsseldorf) lebt in Duisburg und ist Fotograf und bildender Künstler. Seine Projekte betrachten Landschaft, städtische Architektur und Infrastruktur unter medien-archäologischen Blickwinkeln.
Seit 2017 ist Jan Lemitz Teil der Arbeitsgruppe „Stadt als Fabrik“, die den Umzug des FFT an seine neue Spielstätte begleitet hat. Im Rahmen von „Place Internationale“ arbeitet er kuratorisch an stadtthematischen Schwerpunkten und zur „Politik der Bilder“. Gemeinsam mit Kolleg*innen und Gästen setzt er sich im Rahmen von Ausstellungen, Gesprächen und Exkursionen u.a. mit Politiken der Erinnerung und Strategien der Archivierung von Geschichte auseinander. Als gesondertes Format nimmt „Place Internationale“ am FFT Düsseldorf (Forum Freies Theater) die urbane und soziale Revolution der Pariser Commune von 1871 zum Ausgangspunkt, um historische, aktuelle und kommende Aufstände zu erkunden und Entwürfe gemeinschaftlicher (Stadt-)Räume zu erforschen.
Andrej Schenk Lieber Jan, wie kamst du zu „Place Internationale“?
Jan Lemitz Place Internationale (PI) ist in erster Linie aus einer Auseinandersetzung mit dem Düsseldorfer Stadtumbau entstanden. Mit „Stadt als Fabrik“ haben wir die stadtgestalterischen Entwicklungen vor allem im Bahnhofsviertel kritisch begleitet. Die Commune war in erster Linie ein städtischer Aufstand; für einen Zeitraum von 73 Tagen übernahm sie die stadtpolitische Verantwortung. In unseren Städten heute geht es viel um Teilhabe, um Partizipation – Themen, die bereits für die Commune von 1871 von zentraler Bedeutung waren.
Andrej Schenk Unter dem Begriff „Bildpolitik“ untersuchst du visuelle Darstellungsmittel im Zusammenhang mit politischen Kämpfen. Welche Rolle spielt für dich das Politische in deiner Arbeit als Fotograf?
Jan Lemitz Historisch gesehen stand die Fotografie zum Zeitpunkt der Pariser Commune 1871 noch am Anfang. Dennoch war die Commune der erste Aufstand, der mit fotografischen Mitteln festgehalten wurde – quasi von beiden Seiten der Gräben aus. Für die Kommunard*innen war der repräsentative Stellenwert der Bildproduktion klar; für den repressiven Staatsapparat waren Fotografien Handlungsrundlage für die blutige Niederschlagung und Verfolgung. Wesentlich daran ist, dass Bildproduktion, Rezeption, Konservierung, Distribution, Archivierung etc. ein gesellschaftlich relevantes oder auch politisches Potential tragen.
Andrej Schenk Welchen Stellenwert nimmt das Thema „Recht auf Stadt“ bzw. die Diskussion um Stadträume in deiner Arbeit bei „Place Internationale“ ein?
Jan Lemitz Der Stadtbezug ist Kernpunkt bei PI. Das KAP1-Gebäude wird von öffentlichen Einrichtungen genutzt bzw. bezeichnender Weise gemietet. Die Bibliothek, das Theater sind öffentliche oder auch ‚dritte Orte‘. Im Foyer des FFT sind wir mit PI beinahe im öffentlichen Stadtraum und blicken auf einen Platz und einen Stadtraum, der gerne als problematisch dargestellt wird; der seit Jahrzehnten nicht mehr gestalterisch behandelt wurde. Das wird in naher Zukunft als Teil eines großangelegten Investorenprojekts geschehen. Damit sind wir allein schon aufgrund der räumlichen Gegebenheiten mitten in den Fragestellungen nach dem Recht auf Stadt.
Andrej Schenk Eines deiner Projekte im Rahmen von PI ist eine Exkursion an die „Rote Ruhr“, ins Ruhrgebiet. Sie verbindet historische Schauplätze des Aufstandes der Roten Ruhrarmee mit Orten gegenwärtiger (kultur-)politischer Praktiken. Was kann man dabei als Teilnehmer*in erwarten?
Jan Lemitz In Düsseldorf wurden in den 1960er die Weichen dafür gestellt, die Spuren der eigenen Industriegeschichte zu überschreiben. Die Exkursion beginnt in Oberbilk und stellt damit auch erstmal Fragen an die Hegemonie bestimmter historischer Narrative. Wir gehen auf Spurensuche und bemühen dabei Positionen der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Aufstand. Wir gehen aber auch an Orte gegenwärtiger Praxis, die für sich einen Bezug sehen zu den Geschehnissen rund um den Ruhraufstand.
Das Gespräch führte Andrej Schenk vom FFT Düsseldorf