Single Attacke

Da in der letzten Ausgabe hauptsächlich Alben besprochen wurden, widmen wir uns vor der Sommerpause mal nur den 7“ Inches, also Singles.

Fangen wir an mit Briard, der ersten, aus zuverlässiger Quelle bestätigt, Punkband aus Finnland. Hier haben sich Svart Records, ein finnisches, auf Underground spezialisiertes Label, erbarmt und diesen Punk Rock Klassiker wiederveröffentlicht. 1977 im Original auf Delta erschienen und lange nicht als reguläre Wiederveröffentlichung erhältlich, ist diese Single der Traum eines jeden Bloodstains oder Killed By Death Sammelnden. I Really Hate Ya auf der A Seite ist eine grandiose Punkrocknummer, und wenn Sänger Pete Malmi aka Mika-Petteri Malmi mit seinen damals pubertären 17 Jahren einfach nur schnodderig aushaut: I Just Wanna Have Sex With You, dann sei Ihm das auch heute noch verziehen. Die B-Seite mit I Want Ya Back ist im Gegensatz dazu ein wunderschönes Liebeslied, denn Liebe, Leid und Sex gehen auch heute noch Hand in Hand.

Von Jennylee aka Jenny Lee Lindberg, der Bassistin und Backupsängerin von Warpaint, gab es in diesem Jahr zum Record Store Day (RSD) ein neues Soloalbum, Heart Tax. Das nur als grundsätzlichen Hinweis. Auf Heart Tax sind diverse ältere Singles und sechs neue Songs von Jennylee veröffentlicht, unter anderem auch die drei Singles vom letzten Jahr, die sie auf ihrem eigenem Label Jennys Recordings veröffentlicht hat. Stop Speaking, Tickles und Newtopia sind grandiose Indiepop-Songs. Zudem bestechen die Singles durch ein wunderschönes Artwork, welches auf der LP nicht zu finden ist. Auf Stop Speaking ist sogar Dave Gahan himself dabei und duettiert sich mit Jennylee, ganz ohne den sonst so typischen Depeche-Mode-Sound. Sechs bezaubernd ruhige Lieder, die einen entspannt durch den Montagabend begleiten und beim Runterkommen helfen. Alle drei Singles sind noch in Ihrem Shop erhältlich.

Von Los Angeles geht es nach Oakland, auch in Kalifornien, zu den Neutrals und ihrem neuesten Release, der Bus Stop Nights E.P. Veröffentlicht auf Static Shocks Records in London. Es erwarten euch vier poppige Post-Punk-Nummern, die nach der beschaulichen Jennylee, an The Wedding Present erinnernd, sofort aufrütteln. Dass die Neutrals aus den USA kommen und nicht aus UK, ist nicht rauszuhören, großartiges, klassisches englisches Songwriting erwartet euch. Kleiner Hinweis am Rande: Wedding Present bringen dieses Jahr jeden Monat eine neue Single heraus, die höre ich mir dann im Dezember in einem Rutsch an und bespreche sie dann vielleicht auch so.

Es War Mord aus Berlin haben auf Tomatenplatten eine EP mit sechs Songs veröffentlicht. In Der Miesosuppe ist eine brutale Deutschpunk-Attacke, alle Songs unter zwei Minuten lang, teilweise nur 1:10 Minuten, verzerrte Gitarren, schepperndes Schlagzeug und rauer Gesang, die EP könnte auch Mitte der 80er in Berlin eingespielt worden sein. Papa Punk Ist tot!

Zum RSD kam in diesem Jahr der Titelsong einer meiner Lieblingsfilme aus den 80ern als 7“ im roten Splatter Vinyl heraus. John Carpenter’s – Escape From New York auf Silva Screen Records. Da musste ich einfach zuschlagen. Wer wollte nicht als kleiner Junge, vielleicht auch Mädchen, so cool wie Snake Plissken sein, einschließlich eintätowierter Kobra! Da der Film sehr gut gealtert ist, was man nicht von allen Carpenter Filmen behaupten kann: 100 Punkte!

Eine weitere Lücke konnte ich beim RSD schließen. Cindy & Bert haben endlich mit Der Hund Von Baskerville Einzug in Oberbilk gefunden. Die deutsche Version von Black Sabbaths Paranoid war sehr lange auf meiner Wantlist aber bei den Preisen für das Original hatte selbst ich einen Igel in der Tasche. Ein sehr großes Dankeschön an dieser Stelle an Eliterecords aus Heidelberg.
Wen er anfällt, dieser Hund von Baskerville, oh yeah, hat verloren, In dem Kampf um Baskerville, oh yeah …

Eine unserer absoluten Lieblingsbands sind ja Motorpsycho aus Norwegen. Leider hatte ich bei ihrem grandiosen Gig im Kölner Gloria Spätschicht und konnte deswegen nicht hin. Aber ich wurde würdig vertreten, und die diesjährige Tour-Single Ulv! Ulv! (Wolf!, Wolf!) hat zum Glück trotzdem ihren Weg nach Oberbilk gefunden. Die A-Seite ungewöhnlich-orchestral-rockig-psychedelisch mit Chor, auf der B-Seite eine ruhige Gitarren-Nummer ohne Gesang. Die Songs sind entstanden für eine Ausstellung in Trondheim über das Schicksal der norwegischen Wolfspopulation. Motorpsycho begleiten mich nun schon seit ihrem ersten Auftritt in Deutschland, 1993 im AK47, ich habe mir damals sogar das Logo auf den Oberarm tätowieren lassen!

The Courettes, ein brasilianisch/dänisches Garage-Duo, haben ihre neuste Single in Italien auf Wild Honey Records veröffentlicht. Garage-Fans dürften Flavia Couri (Gesang und Gitarre, Brasilien) und Martin Couri aka Martin Thorsen (Schlagzeug und Gesang, Dänemark) ja von ihren Veröffentlichungen auf Damage Goods bekannt sein, dem klassischen Garage-Label. Wie nicht anders erwartet, reißt auch diese Single mit. Seite A mit Salta Il Ramo (Hop The Wig) eher klassisch Garage-lastig und die Seite B mit Non Ti Lasceró (Won’t Let You Go) kommt mit einer Rock ‘n Roll-Nummer daher. Die Courettes sind für mich eine überzeugende Single-Band.

Zum Schluss wenden wir uns Schottland und Arab Strap zu. Arab Strap haben sich ja 2020 reformiert und 2021 ihr Reunion-Album As Days Get Dark veröffentlicht. 2022 haben sie dann die Aphelion Single herausgebracht. Der Titeltrack und auch die Seite B mit Flutter sind klassische Arab-Strap-Stücke, traurig, melancholisch, langsam und sexy! Aidan Moffat und Malcolm Middleton wissen halt immer noch, wie es geht! As Heaven Falls, The Earth Is Spun, To Pull Us Further From Our Sun. Das war es dann, einen schönen Sommer euch und bis in zwei Monaten, euer Oberbilker.

Bonus-Album

Marode (Düsseldorf) haben ihr erstes Album Risse auf Raccoone Records (Köln) veröffentlicht. 14 mal Deutsch-Punk vom Feinsten mit zweistimmigem Gesang, wobei Toxo wie Tobias Scheiße von Hammerhead rüberkommt und Andy wie Thorsten Nagel von Muff Potter klingt. Textlich ist dann auch alles klar. Neuer Tag: … jetzt sitze ich zuhause weil der alk mich in den klauen hält, ich starre auf den bildschirm, morgen ist ein neuer tag … Gitarre, Bass und eine ausgezeichnete Jordy an der Schießbude, mehr braucht es mitunter nicht! Denn nur wo Marode draufsteht, sind auch Risse drin.

Limitiert auf 500 Exemplare und mit einem 16-seitigen Textheft, was will der Olli mehr?
Ach ja, schaut euch das Video zu Neuer Tag an, denn ich sauf allein (-: