Adler muss Federn lassen

Schlägt jetzt die Stunde der Beutegreifer und Schnäppchenjäger?

Das hochverschuldete Immobilienunternehmen Adler Group, das in Düsseldorf mit sechs größeren Projekten engagiert ist, steckt bekanntlich seit letztem Jahr tief in der Krise. Die Verschuldungsquote LTV (Loan to Value – Verhältnis der Schulden zum Wert der Immobilien) liegt derzeit nur knapp unter der kritischen Marke von 60 Prozent.

Nachdem Vorwürfe der Bilanzmanipulation, Falschbewertung von Immobilien und Insidergeschäften zu Lasten von Aktionär*innen und Anleger*innen von den KPMG-Wirtschaftsprüfern nicht ausgeräumt werden konnten, ist der Aktienkurs innerhalb eines Jahres um 85 Prozent eingebrochen. Die Prüfer*innen von KPMG haben schließlich wegen mangelnder Kooperation von Adler auch das Prüftestat für den Jahresabschluss 2021 verweigert. Aus Sorge um die eigene Reputation hat das Prüfunternehmen KPMG inzwischen die Zusammenarbeit mit der Adler Group ganz aufgekündigt, steht also auch nicht mehr für den Jahresabschluss 2022 zur Verfügung. Ein neues Prüfunternehmen konnte Adler bisher nicht finden. Die Ausschreibung für den Prüfauftrag ist im Juli 2022 ausgelaufen, ohne dass ein einziges Angebot eingegangen wäre. Die „Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“ (BaFin) hat ein amtliches Bilanzkontrollverfahren eröffnet und bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft Strafanzeige gestellt.

Adler in der Finanzklemme

Es geht hier nicht um formale Lappalien, diese Vorgänge haben gravierende Auswirkungen: Das Vertrauen von Aktionär*innen und Anleger*innen ist nachhaltig erschüttert. Und ohne das gesetzlich vorgeschriebene Wirtschaftsprüfer*innen-Testat ist die Adler Group von den Bank- und Kapitalmärkten abgeschnitten. Um den drückenden Schuldenberg von insgesamt mehr als 7,5 Mrd. Euro abzutragen, ist das Unternehmen auf Bareinnahmen aus dem Verkauf eigener Immobilienbestände angewiesen, zusätzliche Fremdfinanzierungen sind derzeit nicht möglich. „Es besteht das Risiko, dass die Adler Group und Adler Real Estate nicht in der Lage sein werden, den Versagungsvermerk für den Jahresabschluss 2021 zu heilen und einen uneingeschränkten oder überhaupt einen Bestätigungsvermerk für 2022 zu erhalten“, heißt es im Adler Real Estate-Finanzbericht 2/2022 (Adler Real Estate ist zusammen mit den Unternehmen Consus und Ado Teil der fusionierten Adler Group). Und weiter: „Dies könnte möglicherweise die Refinanzierungsaktivitäten der Adler Group im Jahr 2023 gefährden.“ Im Klartext bedeutet das: Sollte es nicht gelingen, die im Jahr 2023 fällige Anleihe in Höhe von 500 Mio. Euro mit Eigenmitteln zurückzuzahlen, droht die Insolvenz.

Das Adler-Management gibt sich freilich zuversichtlich, durch den Verkauf ganzer Wohnungspakete sowie durch Verkäufe vor Fertigstellung von Immobilienprojekten (sog. Vorab- oder Upfront-Verkäufe) die nötigen Bareinnahmen erzielen zu können. Ende 2020 verfügte Adler Real Estate noch über ca. 70.000 Wohnungen. Davon wurden inzwischen bereits über 46.500 verkauft (u. a. an LEG und Vonovia). Die verbliebenen ca. 23.500 Wohnungen sollen ebenfalls fast vollständig verkauft werden. Dafür hat der Vorstand von Adler Real Estate bei der Aktionär*innen-Hauptversammlung Ende August eine Blankovollmacht erhalten. Weil das allein aber nicht ausreichen dürfte, müssen auch nicht abgeschlossene Projektentwicklungen verkauft werden. Diese Zwangslage der Adler Group ruft nun die Schnäppchenjäger und Beutegreifer der Konkurrenz auf den Plan, die darauf hoffen, sich möglichst günstig aus den Adler-Beständen bedienen zu können.

Schnäppchenjagd in Düsseldorf

In Düsseldorf hat sich schon frühzeitig ein Konsortium von Immobilien-Konzernen in Stellung gebracht. Sie werden von der „Gesellschaft zur Ermittlung von Wohnungsmarktdaten“ (GEWD) vertreten. Unter dem Vorsitz von Klaus Franken, dem Düsseldorfer Chef des Immobilienunternehmens Catella, haben sich unter diesem unverfänglich klingenden Namen Firmen der Immobilienbranche zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen. Dieses Konsortium von nach eigener Einschätzung „erprobten Marktteilnehmern“ hat bereits Interesse am Erwerb von Adler-Arealen in Düsseldorf bekundet und ist bestrebt, konkurrierenden Großinvestoren zuvorzukommen. Angeblich finden bereits Verkaufsgespräche über sämtliche Adler-Projekte in Düsseldorf statt. Um selbst zum Zuge zu kommen, dient sich das Konsortium der Stadt als seriöser Partner an, der nicht an Grundstücksspekulation, sondern an der Bebauung der Flächen interessiert ist – vorausgesetzt natürlich, es lässt sich damit auch eine ordentliche Rendite erwirtschaften. Der Vorschlag lautet: Die Stadt vereinbart mit der unter großem Druck stehenden Adler Group vertraglich den Verkauf von Grundstücken zu möglichst niedrigen „marktgerechten“, d. h. nicht spekulativ überhöhten Preisen und benennt gleichzeitig Käufer für einzelne Grundstücke. Welche Käufer das dann sein sollen, ist nicht schwer zu erraten.

Es ist mehr als fraglich, ob Adler auf einen solchen Vorschlag überhaupt eingehen würde. Bis jetzt ist zudem noch kein einziges Verkaufsangebot von Adler für seine Düsseldorfer Projekte bekannt geworden. Mensch darf aber annehmen, dass es hinter den Kulissen bereits Gespräche mit Vertretern der Adler Group gibt. Vorsorglich hat der Rat der Stadt für das Benrather Nirosta-Gelände und das Gerresheimer Glasmacherviertel Satzungen über ein besonderes Vorkaufsrecht nach § 25 Baugesetzbuch beschlossen. In beiden Fällen ist die Adler Group der Eigentümer, beim Glasmacherviertel über das Tochterunternehmen Brack Capital. In beiden Fällen liegt noch kein Baurecht vor. Zusammen könnten bei beiden Projekten ca. 2.600 Wohnungen realisiert werden. Das besondere Vorkaufsrecht erlaubt es der Stadt, zeitlich unabhängig von der Aufstellung eines Bebauungsplanes auf die Grundstücke zuzugreifen, um städtische Planungsziele zu realisieren. Dabei könnte dann auch der gutachterlich festzustellende und unter dem Marktwert liegende Verkehrswert für den Kaufpreis ausschlaggebend sein.

Erst dann, wenn tatsächlich Verkäufe anstehen, hat die Stadt Gelegenheit, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Das ist bis jetzt nicht der Fall. Unklar ist auch, ob es dann um Verkäufe von Grundstücken oder von Projektanteilen geht. Die Gerresheimer Glasmacherviertel GmbH ist eine Projektgesellschaft, die schon einmal (wenn auch nur zum Schein) in Teilen im Wege eines share deals verkauft wurde. Dies könnte auch jetzt passieren, wenn Adler nur Projektanteile zum Verkauf anbieten sollte. Das kommunale Vorkaufsrecht greift nur bei Grundstücksverkäufen, nicht aber bei Verkäufen von Projektanteilen. In diesem Fall hätte die Stadt keine Zugriffsmöglichkeit. Das gilt auch für den Großteil von Adlers „Grand Central“-Vorhaben in der Nähe des Hauptbahnhofs. Im Jahr 2019 hatte Catella diesen Projektteil für 110 Mio. Euro und mit einem nicht bezifferten, aber sicher ansehnlichen Spekulationsgewinn verkauft. Diesen Deal hat der Catella-Chef Franken inzwischen als Fehler bezeichnet und Interesse an einem Rückkauf bekundet.

Derzeit kursieren Meldungen, Adler wolle entgegen anderslautenden Aussagen auch seinen „Grand Central“-Anteil verkaufen (vgl. Meldung in der Rheinischen Post vom 14.09.2022). Da die Information von Catella, also von interessierter Seite kommt, ist hier eine gewisse Vorsicht geboten. Für das „Grand Central“-Projekt liegt seit 2018 ein rechtskräftiger Bebauungsplan vor. Die nach dem städtischen Handlungskonzept Wohnen vorgeschriebenen 147 Sozialwohnungen wurden inzwischen auf dem kleineren, bei Catella verbliebenen Projektteil im Rohbau fertiggestellt. Auch aus baulichen Gründen (Zugang zu Tiefgaragen) hat Catella ein großes Interesse an einer Rückabwicklung des im Jahr 2019 erfolgten Teilverkaufs. Sollte dies in Form eines Rückkaufs der Projektanteile von Adler erfolgen, käme ein – in diesem Fall noch gar nicht existierendes – kommunales Vorkaufsrecht ohnehin nicht Frage. Es würde aber auch deshalb nicht greifen, weil hier bereits Baurecht besteht und jeder Käufer an den geltenden Bebauungsplan und seine Planungsvorgaben gebunden ist. Die Anwendung des besonderen Vorkaufsrechts müsste sich hier durch davon abweichende neue städtebauliche Planungsvorgaben legitimieren und damit das bestehende Baurecht aufheben. Ein Rechtsstreit wäre vorprogrammiert, der vermutlich nicht im Sinne der Stadt ausgehen würde

Gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik – aber wie?

Forderungen von Seiten der SPD, der Rat der Stadt möge „trotz rechtlicher Bedenken“ nun auch für den Adler-Anteil am Grand Central-Projekt ein Vorkaufsrecht beschließen, gehen vor dem geschilderten Hintergrund vollkommen ins Leere, es handelt sich um reine Symbolpolitik. Das gilt auch für Forderung der SPD, die brachliegenden Grundstücke auf dem Grand Central Gelände sollten an gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen verkauft werde (vgl. RP 13.09.2022). Selbst wenn versuchsweise einmal angenommen wird, das käme tatsächlich in Betracht (mensch wüsste auch gern, welche Unternehmen das überhaupt sein sollen): Jeder Käufer muss sich an den geltenden Bebauungsplan halten. Da der auf dem derzeit brachliegenden Grand Central-Gelände hochpreisiges Bauen erlaubt, würden sich die damit verbundenen hohen Renditeerwartungen natürlich auch in einem hohen Verkaufspreis ausdrücken. Der wäre auch dann noch sehr hoch, wenn nicht der Marktwert, sondern der niedrigere Verkehrswert berücksichtigt würde. Gemeinwohlorientierte Lösungen, die ja wohl nur im Bau bezahlbarer Wohnungen bestehen könnten, sind unter diesen Umständen vollkommen ausgeschlossen.

Die Adler Group hat ein besonders riskantes, in hohem Maße schuldenfinanziertes und in Teilen wohl auch mit kriminellen Methoden betriebenes Geschäftsmodell verfolgt. Es verwundert nicht, dass angesichts des sich abzeichnenden Endes des langjährigen Immobilienbooms solche Unternehmen als erste unter die Räder geraten. Die Krise der Adler Group ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Das eigentliche Problem ist der Immobilienmarkt selbst und eine Wohnungspolitik, die sich dessen Logik unterwirft. Im Laufe eines über zehnjährigen Immobilienbooms war es nicht möglich, die riesige Bedarfslücke bei bezahlbarem Wohnraum zu schließen. Es ist deswegen höchste Zeit, über eine andere Wohnungspolitik nachzudenken, die sich am Gemeinwohl und nicht am Markt orientiert. Dazu gehört auch, das deutsche Modell der Schaffung von preiswerten Wohnungen (Sozialwohnungen) durch befristete öffentliche Förderung auf den Prüfstand zu stellen. In Düsseldorf fallen die Sozialwohnungen schneller aus der Preisbindung, als neue entstehen, so dass ihr Anteil am Wohnungsbestand ständig weiter schrumpft (auf jetzt 4,3 Prozent). Die Förderung von bezahlbaren Wohnungen mit befristeter Preisbindung läuft auf eine öffentliche Subventionierung der Immobilienwirtschaft mit sozialer Zwischennutzung hinaus. Bei den individuellen Wohngeldzahlungen, die Haushalte mit geringen Einkommen unterstützen sollen und die aktuell bei den Regierungsmaßnahmen zum Inflationsausgleich wieder eine prominente Rolle spielen, entfällt sogar die soziale Zwischennutzung. Hier werden hohe Mietforderungen von Immobilieneigentümer*innen direkt durch Zahlungen aus öffentlichen Mitteln subventioniert.

Wie es anders gehen könnte, beispielsweise mit einem kommunalen Wohnungssektor auf kommunalen Grundstücken und auf Dauer bezahlbarem und sicherem Wohnen, war Gegenstand der gut besuchten Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit dem Berliner Stadtsoziologen und Wohnungsforscher Andrej Holm im Bürgerhaus Bilk, zu der das „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ am 20.09.2022 eingeladen hatte. Eine andere, eine nicht am Markt orientierte Wohnungspolitik ist dringend nötig. Dass sie auch möglich ist, hat die Veranstaltung – und nicht zuletzt Andrej Holm als Vortragsredner – eindrücklich klargemacht. Um sie politisch auch durchsetzen, wird es jedoch noch erheblichen Druck einer sozialen Bewegung von unten brauchen.

Helmut Schneider
Bündnis für bezahlbaren Wohnraum