In Köln sind die Wege lang

In der Nach-Corona-Zeit denken Mrs. Cave und der Oberbilker auch an die vielen Konzerte der Vor-Corona-Zeit.

Ein Abend, an den wir beide uns immer wieder gerne erinnern, ist das Konzert der Folkmusikerin Laura Veirs, das am 06.08.2006 im Studio 672 in Köln auf der Venloer Straße 40 stattgefunden hat. In Erinnerung schon deshalb, weil die Venloer Straße 40 nicht in Köln-Ehrenfeld liegt, wie wir annahmen, sondern am anderen Ende der Venloer Straße am S-Bahnhof Köln West und es bis dahin eine gefühlte Stunde zu Fuß durch Köln war. Aber der Fußweg hat sich damals gelohnt, denn erstens war das Studio 672, jetzt der Stadtgarten, eine sehr schöne Konzert-Location mitten im Grünen, wie der neue Name schon sagt, und zweitens war das Konzert der Beginn einer bis heute andauernden Begeisterung für die Songwriterin aus Portland, Oregon, USA.

Laura Veirs wurde 1973 in Colorado Springs geboren, studierte dann Geologie und Mandarin-Chinesisch in Minnesota, war in dieser Zeit Mitglied bei der All-Girl-Punk-Band Rair Kx. Von Rair Kx findet sich leider nur ein Track auf Ihrer Bandcamp-Seite: der Song Cheerleader. Sehr post-punkig und „härter“ als ihre späteren Soloveröffentlichungen.

Kennengelernt haben wir Laura Veirs erst mit Ihrem 2005/2006er Album Year Of Meteors welches damals auf Kill Rock Stars, dem namhaften Indie-Label aus Olympia, Washington, erschienen ist. Wärmstens empfohlen von Armin/X-Mist Records in seinem damaligen Newsletter und wegen des Coverfotos – Laura hat mich damals vom Äußeren sehr an Mrs. Cave erinnert – auch umgehend geordert. Das sechste Album packte uns sofort. Glockenklarer Gesang, aber keineswegs lieblich, brillantes Songwriting und hervorragend instrumentiert mit den Tortured Souls. Als Laura dann 2006 mit ihrer Begleitband auf Tour nach Europa kam, war klar, dass wir dabei sind, und das sind wir bis heute.

15 Alben, in verschiedenen Kollaborationen, hat Laura Veirs bis jetzt veröffentlicht, und jedes ist auf seine Art einzigartig. Manche LPs fehlen noch im Oberbilker Plattenschrank, wie zum Beispiel das erste selbstbetitelte Album Laura Veirs von 1999, das gibt es bis jetzt nur als CD, oder das MP3 only- Album Hello I Must Be Going von 2012, der Soundtrack für den gleichnamigen Film von Regisseur Todd Louiso. Bis heute wird Laura von Musiker*innen der Tortured Souls begleitet, vor allem Karl Blau sei hier neben ihrem langjährigen Produzenten Tucker Martin zu erwähnen.

Das Album, mit dem man eine Musikerin, einen Musiker oder eine Band kennenlernt, hat natürlich immer einen besonderen Stellenwert im Herzen der Fans. So ist das auch wieder beim gerade während des Schreibens laufenden Year Of The Meteors. Ein Album, das mich sehr berührt. Es passt von der Stimmung her wunderbar zu dem momentan doch sehr kalten September.

Hervorheben möchte ich auch das 2011er Album Tumble Bee, erschienen auf Raven Marching Band Records, welches Laura nach der Geburt ihres Sohnes veröffentlicht und dementsprechend mit Liedern für Kinder bestückt hat. Sehr country- und folklastig, viele Traditionals, aber auch Balladen von Jimmie Rodgers, Woody Guthrie, Ruth Crawford Seeger (Pete Seegers „Stepmother“) oder Harry Belafonte, ruhig und verspielt, aber keineswegs kindlich! Tumble Bee macht auch einem alten kinderlosen Punker wie dem Oberbilker Spaß! Kleine Info zum Album: Tumble Bee hat 2012 den Parents‘ Choice Award (den „Oscar“ der Kinderartikel) gewonnen.

Weiter geht es mit der 2016 erschienenen Kollaboration case/lang/veirs auf dem Label Anti-.

Gemeinsam mit Neko Case von The New Pornographers und K.D. Lang, beides Songwriter*innen aus Kanada, und einer wie immer großartigen Laura Veirs eingesungen, war es für uns eines der schönsten Alben 2016. case/lang/veirs ist geprägt einer dunklen und melancholischen Stimmung, die Stimmen der 3 Musiker*innen harmonieren ganz wunderbar miteinander. Mein Lieblingstrack ist Delirium. Diesen Song habe ich in meine Festive 50[1] 2016 aufgenommen. Ein weiter toller Song ist Supermoon, hört euch einfach das Album bei BC an.

My Echo auf Bella Union von 2020 ist schließlich das letzte gemeinsam produzierte Album von Laura Veirs und ihrem damaligen Ehemann und langjährigem Produzenten, Mixer, Engineer Tucker Martine, von dem sie sich nach 20jähriger Beziehung getrennt hat. Schon der erste Song Freedom Feeling macht die Trennung spürbar. In den Albumtexten verarbeitet sie sehr persönlich das Scheitern der Beziehung. Neben seiner Produzententätigkeit hat Tucker am Schlagzeug unterstützt, im Anschluss sind beide getrennte Wege gegangen. Wie gesagt, ein sehr intimes Album, das Saltbreakers von 2007 ablöst, welches von Laura in einem Interview als Ihr persönlichstes Album bezeichnet wurde. Anspieltipp auf Saltbreakers: Cast A Hook In Me

Viele ihrer Songtexte beschäftigen sich neben Persönlichem mit Naturbildern, Tieren oder mystischen Themen. Einigen Alben liegen übrigens schön gestaltete Textblätter bei.

Kommen wir jetzt zum neuen Album Found Light, auch auf Bella Union erschienen und erstmals von Laura selber produziert, mit Unterstützung von Shahzad Ismaily. Sie scheint sich hier neu erfunden zu haben und wirkt gefestigt. Schon der Opener Autumm Song startet wunderschön. Obwohl der Herbst begrüßt wird, ist Autumm Song kein trauriges Lied, sondern blickt befreit in die Zukunft , ebenso wie die Zeile aus dem Song Ring Song: I pawned my wedding ring at the silver lining - I felt sad, I also felt a weight go flying. Der Song Eucalyptus entführt uns in für Laura Veirs ungewöhnliche musikalische Gefilde. Sehr poppig und nach vorne gespielt, beginnt der Song mit einem galoppierenden Beat. Found Light ist trotz des Leitmotivs Trennung kein trauriges Album, sondern zeigt einen Neubeginn an. Auch das Cover-Foto deutet darauf hin, mondän und Ladylike im feschen Pepita-Hosenanzug. Found Light ist wieder ein sehr schönes und auch außergewöhnliches Laura-Veirs-Album und endet mit dem rockigen Winter Windows und der Textzeile:

The Lightning I Can Do, Do
The Lightning I Can Do, Do
The Lightning I Can Do, Do
The Lightning I Can Do, Do

Und mehr ist zu einem Neustart nicht zu sagen.
Die Platte steht übrigens bei mir im Backstock bzw. als „Sicherheitskopie“ doppelt, und ich möchte sie unter den Leser*innen verlosen. Dafür müsst Ihr folgende Frage beantworten: „Wann war das offizielle Release Datum von Found Light?“
Mail an terz[at]free[dot]de
Betreff: Laura Veirs.
Die Mail wird an mich weitergeleitet, und ich kümmere mich um die Übergabe in angemessenem Rahmen.
Terzler*innen sind von der Verlosung ausgenommen.

Wir hoffen, euch damit Laura Veirs ein wenig ans Herz gelegt und Interesse an dieser tollen Künstlerin geweckt zu haben.

Zu einem Pflichtkauf kommen wir für diesen Monat natürlich auch noch: In der Mai-Ausgabe diesen Jahres habe ich ja Viviens Goldmans Album Next Is Now besprochen und das Buch Revenge Of The She-Punks erwähnt. Das Buch ist in deutscher Übersetzung beim Ventil Verlag erschienen, liegt noch immer in meinem Stapel der zu lesenden Bücher, Comics und Zeitungen auf dem Nachttisch und wartet darauf, in die Hand genommen zu werden. Die gleichnamige Kompilation, zusammengestellt von Vivien Goldman, ist nun im September von Tapete Records aus Hamburg als Doppel-LP veröffentlicht worden und liegt schon auf dem Plattenteller. Von Slits bis Sleater Kinney ist alles, ja alles, was Rang und Namen im feministischen Musikbusiness hat, vertreten. Punk, Pop, Indie, sogar Neneh Cherry ist mit Buffalo Stance präsent! Einziges Manko für mich, ich vermisse Bikini Kill.

Die Doppel LP gibt es in Düsseldorf im gutsortierten Fachhandel. Da die Fachpresse sich momentan mit Lobeshymnen überschlägt, spare ich mir alles weitere.

Bis nächsten Monat,

euer Oberbilker featuring Mrs. Cave

[1]  Festive Fifty war eine Britische Radio-Show, entwickelt von John Peel. In der Woche zwischen Weihnachten und Neujahr hat Peel die 50 besten Songs gespielt, die im Jahr veröffentlicht worden sind.