Der Opern-Neubau kommt

Kellers Erzählungen

Wie erwartet hat der Düsseldorfer Stadtrat auf seiner Sitzung am 16. Juni den Neubau der Düsseldorfer Oper auf den Weg gebracht. Bedenken über die Finanzierbarkeit des Milliarden-Projekts zerstreut Oberbürgermeister Stephan Keller.

„Mit seinem Votum bestätigt der Rat meine Empfehlung für die Heinrich-Heine-Allee als bestmöglichen Standort für ein Opernhaus der Zukunft“, zeigte sich Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller nach der entscheidenden Sitzung am 16. Juni zufrieden. „Wir wollen Qualität, keinen Luxus“, versuchte er im Weiteren die Sorgen über die anfallenden Kosten zu zerstreuen und versicherte mit etwas holprigen Worten: „Wir werden das Geld für die Finanzierung dieser Oper finden. Und ein Zweites ist mir wichtig: Wir werden auch das Geld aufbringen, was die Düsseldorfer und Düsseldorferin über eine Oper hinaus brauchen. Einen sozialen Kahlschlag vorauszuschauen, weil wir eine Oper bauen, ist nicht redlich.“

Der Neubau an der Heinrich-Heine-Allee soll „bedarfsgerecht, hochwertig, ansprechend und kosteneffizient“ ausfallen. Aber das ist noch nicht alles. „Es geht um viel mehr als die Frage, ob die Oper eine neue Spielstätte bekommt“, bekundete Keller in der „Rheinischen Post“: „Ich sehe deutlich, dass man mit Kulturbauten, seien es Theater- oder Museumsbauten, die Stadtentwicklung maßgeblich vorantreiben und beflügeln kann.“ Seiner Ansicht nach muss die Stadt solche Leuchtturm-Projekte anschieben, um Kapital anzulocken. „Es würden doch nicht von privaten Investoren 2,5 Milliarden Euro in die Innenstadt investiert, wenn wir nicht unsere Hausaufgaben gemacht hätten“, sagte er in der Ratssitzung. Dementsprechend positiv reagiert „Industrie- und Handelskammer“-Präsident Andreas Schmitz auf die Entscheidung. Er verspricht sich von dem Bauwerk „einen messbar wirtschaftlichen Mehrwert für den hiesigen Handel, Dienstleistung und Tourismus“.

Ein Operndach für alle

Ein bisschen was für alle darf es aber schon sein. Von einer Begegnungsstätte, „die alle Düsseldorferinnen und Düsseldorfer und Menschen von außerhalb einlädt, Kultur und Kunst zu erleben“, spricht Keller. Allerdings beschränkt sich das inklusive Angebot weitgehend auf Äußerlichkeiten wie Gastronomie und die Dachterrasse mit „Weitblick über die City“ und vielleicht ein bisschen mehr Pop et cetera.

Vor allem die Grünen hatten auf ein offeneres Konzept gedrungen. Wegen der Zeitenwende und ihrer Auswirkungen auf die Kassenlage beschlossen sie allerdings auf ihrer Mitgliederversammlung am 23. Mai, ihre Zusage zur neuen Oper zurückzuziehen (TERZ 06.2023). Die Partei fürchtete um die Finanzierbarkeit der Projekte für die Energie- und Verkehrswende und verwies dabei auf die Risiken und Nebenwirkungen, die vergleichbare Vorhaben in der Vergangenheit wie Wehrhahn-Linie und Kö-Bogen für Investitionen in Schulen und Kulturbauten gehabt hätten.

In Sachen „Kulturbauten“ sieht es da heute noch nicht besser aus, wie aus der Antwort der Stadt auf eine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. Demnach gibt es beim Goethemuseum immer noch Sanierungsbedarf und bei Kunsthalle und Tonhalle sogar einen „erheblichen“. So begründete dann auch der „Rat der Künste“, die unabhängige Interessensvertretung von Düsseldorfer Kulturschaffenden, seine Forderung nach einem Moratorium für den Opernbau nicht zuletzt mit „einem großen Investitionsstau“ bei den städtischen Kulturinstitutionen und den Stätten der freien Kulturszene.

Das ficht Keller aber nicht an. Er zeigte sich höchst verärgert über das späte „Nein“ der Grünen. Er warf der Partei vor, sich „ein weiteres Mal aus einem wichtigen städtebaulichen Projekt verabschiedet“ zu haben und zieh sie der Öko-Seligkeit: „Wir müssen (...) zur Kenntnis nehmen, dass wir Düsseldorf als Kulturmetropole und Wirtschaftsstandort von internationaler Strahlkraft nicht allein mit der Förderung von Lastenrädern weiterentwickeln können.“ Auch FDP-Fraktionsgeschäftsführer Manfred Neuenhaus bediente sich bei seiner Polemik gegen die Grünen an den Mobilitätsstationen. Es reiche für eine zukunftsorientierte Stadtpolitik nicht aus, „mit dem Lastenrad Kohlrabi zu holen“, meinte er.

Als Mehrheitsbeschafferin diente sich stattdessen die SPD an. Allerdings stellte sie Forderungen. 8.000 bezahlbare Wohnungen bis zum Jahr 2030 hatte sie sich bei Keller ausbedungen. Darüber hinaus vereinbarte die Partei mit dem OB eine Ausbalancierung des zentralistischen E-Kultur-Flashes durch eine „Stärkung der Stadtteil-Kultur“ und eine Stützung der freien Szene, denn: „Kultur ist viel mehr als Oper“. Konkret schweben der Partei neue Bürger*innenhäuser in Unterrath und Volmerswerth sowie eine Sanierung des Kulturbahnhofs Eller vor.

Für den Bau der Wohn-Einheiten hat die Opern-Koalition die Tochter-Gesellschaften der Stadt, die Wohnungsbau-Genossenschaften und gemeinwohl-orientierte Unternehmen im Sinn. Durch einen aktiveren Ankauf von Grundstücken will sie denen zuarbeiten. Überdies planen Keller & Co. die vorübergehende Aussetzung des Handlungskonzepts für den Wohnungsmarkt (HKW). Dieses – schon mehrfach nachgebesserte – Instrument machte Investor*innen bei größeren Bauvorhaben die Vorgabe, auf den Grundstücken mindestens zu 50 Prozent öffentlich geförderte und preisgedämpfte Wohnungen zu errichten, wobei der Anteil der öffentlich geförderten mindestens 30 Prozent betragen musste. Das zwang die Immobilien-Gesellschaften dazu, das Geld für das preisgedämpfte Segment selber reinzuholen, was sie taten, indem sie anderswo teurer bauten und so den Gesamtmarkt für bezahlbare Wohnungen noch einmal schrumpfen ließen. Darum fallen die preisgedämpften Wohnungen nun aus dem Handlungskonzept: Die Unternehmen brauchen nur noch zu 50 und nicht mehr zu 70 Prozent ohne Subventionen zu bauen.

Die Branche freuen solche Nachrichten natürlich. „Das ist ein gutes Signal“, meint Thomas Hummelsbeck von Rheinwohnungsbau, der auch Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft der Wohnungsunternehmen in Düsseldorf und der Region“ ist. „Wir begrüßen jeden Impuls der Politik, der den Wohnungsbau forciert“, sagt auch Carsten Meier vom „Ring Deutscher Makler“. Allzu groß aber ist der Optimismus nicht. Durch die höheren Zinsen und die Steigerung der Baukosten landeten die 50 Prozent frei finanzierten Objekte immer noch bei Quadratmeter-Mieten von 17 bis 19 Euro, rechnet Hummelsbeck vor. Diese Faktoren mildern ihm zufolge auch die Effekte einer aktiveren Grundstücksankauf-Politik, da Bauland so nur noch auf einen Anteil an den Gesamtentwicklungskosten von 20 Prozent statt wie früher auf 30 Prozent kommt.

Wie sich der Operbürgermeister das mit den 8.000 Wohnungen so genau vorstellt, mochte er Julia Marmulla von der Links-Partei in der Ratssitzung am 15. Juni nicht sagen. Keller stellte aber ein Konzept in Aussicht, nach der Sommerpause will er es vorlegen. Die SPD will jedenfalls sowohl Opern- als auch Wohnungsbau „engmaschig kontrollieren“ und kündigt schon mal an: „Falls die Kosten aus dem Ruder laufen oder der vereinbarte Wohnungbau in Düsseldorf keinen deutlichen Schub erfährt, wird es einen Oper-Neubau mit uns nicht geben.“ Da stellt sich aber die Frage, was die SPD macht, wenn die Oper schon halb steht, die Wohnungen aber nicht nachkommen – dem Leuchtturm einfach ein Teerpappe-Dach verpassen und gut is’ oder einfach ein paar Sozialwohnungen draufsetzen? Die Zeit wird’s zeigen.

Jan