Wohnungsmarkt in Düsseldorf – ein Trauerspiel in mehreren Akten

Hier geht‘s um Mietwohnungen.
Was ist auf dem Markt?
Wer vermietet? Zu welchen Preisen?
Wer kann sich das leisten?

Herr/Frau Großverdiener*in beauftragt ein Maklerbüro, eine Wohnung nach Wunsch zu finden und sich um die Abwicklung bis zur Unterschrift des Mietvertrages zu kümmern. Die Kosten hierfür können als „Anschaffungskosten“ steuerlich abgesetzt werden. Die Sucherei bei Immoscout oder anderen Online-Portalen kann sich dieser Personenkreis ebenfalls sparen, time is money. Hier scheißt der Teufel wie üblich auf den größten Haufen.

Für nicht so gut Betuchte sieht die Sache anders aus. Hier ist es absolute Glückssache, eine bezahlbare Wohnung zu finden und anzumieten. In Düsseldorf gibt es, wie in fast allen deutschen Großstädten, die begehrt sind, viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum. Deutschlandweit fehlen schätzungsweise 700.000 Wohnungen.

Baukosten und Zinsen sind stark gestiegen, Baugesellschaften wie beispielsweise die Adler-Gruppe und Konsorten sind ins Schlingern geraten oder insolvent. Die Politik setzt ihre seit Jahrzehnten bestehenden Versäumnisse fort, egal welche Regierung. Düsseldorfs OB Stephan Keller (CDU) hat am 21.07.2023 vorgelegt, wie eine „Wohnungsbau­offensive“ aussehen könnte, ja, hier wird im Konjunktiv gesprochen bzw. geschrieben. Beispiel Glasmacher-Viertel in Gerresheim (Adler-Gruppe, siehe TERZ 06.22: Final Countdown für die Adler-Group): Die Stadt will in Gespräche mit dem Eigentümer der Brache gehen, ob „er noch entwickeln“ wolle? Nein? Dann könnte eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme folgen, die Stadt könnte das 32 Hektar große Grundstück kaufen – und vielleicht auch bebauen. Geplant sind 1.700 Wohnungen, ein Supermarkt und eine Kita.

Auf anderen bereits in städtischem Besitz befindlichen Grundstücken, z.B. Ecke Elisabeth- / Bachstraße in Bilk (TERZ 06.23: Die Düsseldorfer Wohnungskrise) ist allerdings bis dato nix passiert. Das Gebäude Roßstraße 68 (ehemaliges Finanzamt) soll nun doch kein Wohnraum werden, das Land NRW will das Grundstück für „eigene Zwecke“ verwenden.

Kellers umfangreiches „Wohnungsbauoffensive“-Papier, über 40 Seiten stark, wird von den Grünen deutlich kritisiert. Harald Schwenk, Wohnungsbau-Experte der Grünen-Ratsfraktion, empfindet das vorliegende Papier als „sehr defensiv“. Er bezeichnet es als „Luftnummer“. Ihm fehlt das konkrete Ziel: OB Keller hatte dies ursprünglich mit 8.000 bezahlbaren Wohnungen bis 2030 gesteckt. Grüne und CDU liegen beim Thema Wohnpolitik im Clinch.

Die SPD hatte die „Wohnungsbauoffensive“ mit initiiert. Sie verknüpfte ihre Zustimmung zum Standort der umstrittenen neuen Oper, wofür CDU und OB sonst die Mehrheit gefehlt hätte, mit dem Vorhaben. Deshalb können ihre Einlassungen hierzu nicht als objektiv angesehen werden. Immerhin gibt SPD-Ratsfrau Sabrina Proschmann zu: „... bei einer Offensive sind wir noch nicht.“ Die SPD-Fraktion fordert, dass die Stadt Düsseldorf jährlich 25 Millionen Euro durch Ankauf von Wohnraum und Zuschüsse für gedeckelte Mieten ausgibt, um mehr Einfluss auf den Wohnungsmarkt zu gewinnen.

Immerhin soll auch die SWD (Städtische Wohnungsbaugesellschaft) gestärkt werden. Dort gelten höhere Quoten für bezahlbaren Wohnraum. Es soll auch verstärkt auf die Kooperation mit Genossenschaften gesetzt werden. Viel mehr politische Kontrolle und Druck sind erforderlich.

In einer aktuellen Studie von DGB und Mieterbund wird die Wohnungspolitik der Ampel als „mangelhaft“ bewertet. Wie bereits erwähnt, fehlen bundesweit 700.000 bezahlbare Mietwohnungen, besonders beim sozialen Wohnungsbau seien die Wohnbauziele bis 2025 nicht mehr zu erreichen. Keine Besserung in Sicht.

Möbliertes Wohnen und Indexmieten (Vermietende können die Miete erhöhen, wenn die Verbraucherpreise z. B. durch Inflation steigen) sind die neuen Kostenfallen. Bereits heute ist über die Hälfte der Mieter*innen in Deutschland durch Wohnkosten überlastet, und es werden immer mehr, da die Kosten weiter steigen. In Düsseldorf liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis für eine Mietwohnung aktuell bei 11,69 Euro Kaltmiete.

Planungen der Großgrundbesitzer LEG und Vonovia

LEG-Immobilien, einer der größten Wohnungseigentümer Deutschlands mit Sitz in Düsseldorf, will die Mieten „so stark wie möglich“ erhöhen und damit seinen rechtlichen Spielraum bei Mieterhöhungen komplett ausschöpfen, dabei zahlen die Düsseldorfer LEG-Mieter*innen schon jetzt im Schnitt 50 Prozent mehr als vor 10 Jahren. Als Gründe werden auch hier gestiegene Kosten und Zinsen genannt, außerdem habe das Unternehmen die Gehälter seiner ca. 1.800 Beschäftigten erhöht. LEG-Chef Lars von Lackum verdient 2 Millionen Euro im Jahr.

Von Lackum sieht in Deutschland das Problem, dass durch Kappungsgrenze und Mietpreisdeckel der Mietpreis seiner Steuerungswirkung beraubt werde, diese beiden Instrumente schützten nicht nur die Mieter*innen mit geringem Einkommen, sondern auch die Besserverdienenden, was dazu führe, dass es einen viel zu niedrigen Preis für das „Gesamtprodukt Miete“ gebe. Seine Forderung: Flexiblere Mietpreise, wodurch mensch auch zu Mietpreisen käme, zu denen wieder gebaut werden könne. Immerhin: Ergänzt werden müsse das durch Förderung derjenigen, die bedürftig seien.

Die LEG vermietet deutschlandweit rund 167.000 Wohnungen, in denen schätzungsweise 500.000 Menschen leben, vor allem in NRW.

Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia hat im September 2023 angekündigt, vorerst auf den Bau zehntausender neuer Wohnungen zu verzichten. Es lägen Planungen für insgesamt 60.000 Wohnungen in der Schublade, so Vorstandschef Rolf Buch, es werde bis zum Baurecht alles fertig gemacht und gehofft, dass sich Bauen bald wieder lohne und rechne. Baukosten und Zinsen sind auch hier der genannte Grund. Die Aufwändungen seien laut Vonovia von 3.000 Euro pro Quadratmeter auf heute 5.000 Euro gestiegen. Deutschlandweit hätten sich die Baulandpreise in Großstädten wie Köln seit 2012 um 165 Prozent erhöht. Die durchschnittliche Miete liege bei Vonovia im Bestand bei 7,50 Euro/Quadratmeter, dieses Niveau sei nicht zu halten, bei Neubauten wären eher 20 Euro/Quadratmeter realistisch. Also erstmal Baustopp.

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) kritisiert dieses Vorgehen, das darauf abziele, die Politik unter Druck zu setzen und deutlich mehr Fördergelder lockerzumachen, damit sich die Mieten munter weiter nach oben schrauben ließen. Daher sei es höchste Zeit, dass der Staat bei Vonovia einsteige und Einfluss auf die Konzernstrategie bekomme. Denn schon jetzt brechen Baugenehmigungen ein. Im ersten Halbjahr 2023 um fast 33 Prozent für Wohnungen in NRW im Vergleich zum Vorjahr.

Das Bundesbauministerium bekundet, es werde „intensiv an einem Maßnahmenpaket zur Belebung der Bau- und Immobilienbranche“ arbeiten.

14-Punkte-Paket „Wohnungsgipfel“: Fauler Inhalt?

Laut „Wohnungsgipfel“ mit Bundeskanzler Olaf Scholz am 25.09.2023 sollen insgesamt 45 Milliarden Euro bis 2027 von Bund und Ländern der schwächelnden Baubranche wieder auf die Beine helfen. Konkret nachzulesen sind die Maßnahmen des 14-Punkte-Paketes, in dem die Ampel unter anderem den Öko-Standard kippt, z .B. in einem Beitrag des MDR vom 25.09.2023. „Ein Fiasko“, kritisiert die Geschäftsführerin des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Antje von Broock, der Abschied vom Öko-Standard sei völlig indiskutabel. „Mit den Plänen der Ampel schlittern wir weiter der Klimakatastrophe entgegen, immer mehr Menschen wissen nicht, wie sie die nächste Heizkostenrechnung bezahlen sollen“ – oder die schon wieder gestiegene Miete. Regierungsintern wird der 14-Punkte-Plan überwiegend beweihräuchert, auch wenn derzeit nicht mal klar ist, woher die 45 Milliarden Euro kommen sollen.

Was macht das mit den Menschen?

Derweil wird die Wohnungsnot systematisch ausgenutzt, in Düsseldorf und überall. So werden immer mehr Fälle bekannt, in denen Untermieter*innen ausgebeutet werden. Das geht so: Wer vor vielen Jahren eine Wohnung angemietet hat, zahlt oftmals weit weniger als heutzutage dafür, ist die Wohnung dann z.B. durch Trennung oder Auszug der Kinder zu groß, lohnt sich Untervermietung, was grundsätzlich nicht verboten ist. Die Untermieter*innen, oft Studierende oder Auszubildende, haben wenig Auswahl und zahlen für einen möblierten Raum mit Badbenutzung 20-30 Euro pro Quadratmeter. Ähnlich sind auch die Preise für Mikro-Appartements (TERZ 05.2019), entsprechende Anlagen sind in Düsseldorf in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen, die Wohnklos sind zwischen 18-35 Quadratmeter klein.

Noch schwieriger ist es für Familien mit kleinen bis mittleren Einkommen, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Bei einer Wohnungsgröße von 80 Quadratmetern und einem Quadratmeterpreis von 11,70 Euro, der derzeitigen Durchschnittsmiete in Düsseldorf, beläuft sich die Kaltmiete auf 936 Euro, mit Nebenkosten werden locker 1.400 Euro fällig. Und 80 Quadratmeter ist für eine Familie mit zwei Kindern nun wirklich nicht üppig. Viele junge Paare leben mit dem ersten Kind zunächst weiter in der bezahlbaren Zwei-Zimmer-Wohnung, suchen nach was Größerem, bei Immoscout, Immowelt, Kleinanzeigen, umhören, mit viel Glück klappt es vielleicht irgendwann.

Oder sie melden sich bei der SWD an, doch auch hier ist es Glückssache, eine Wohnung zu ergattern. Es gibt keine Warteliste, wer zuerst kommt bzw. auf das Wohnungsangebot schreibt, wird vielleicht zur Wohnungsbesichtigung eingeladen. Im SWD-Bestand sind derzeit ca. 8.500 Wohnungen. Die SWD existiert in ihrer jetzigen Form seit 2016 und setzt sich laut Homepage dafür ein, dass „in der Landeshauptstadt auch Menschen mit mittleren und kleinen Budgets ein Zuhause finden“. Das macht die Wohnungen sehr begehrt, die in fast allen Düsseldorfer Stadtteilen zu finden sind.

Die Umsetzung der Neubauvorhaben des SWD sind fraglich, nicht nur an der Ecke Bach-/Elisabethstraße, sondern auch an der Ecke Himmelgeister-/Ernst-Derra-Straße: Hier sollte bereits im Sommer 2023 Baubeginn sein, in unmittelbarer Nähe zum Universitätsklinikum sollen 21 öffentlich geförderte Wohnungen auf einer bisher als Parkplatz genutzten Fläche entstehen, fünfgeschossig, mit begrünten Flachdächern, Projektvolumen 5,6 Millionen Euro (zur Zeit der Planung). Wir könnten dieses Heft mit ähnlichen Beispielen locker füllen.

Aber nicht alle Menschen haben ein Zuhause, in dem sie erstmal bleiben können, bis sich was Besseres oder Bezahlbares findet. Gerade durch Trennung, Verlust der Arbeit, Krankheit u. a. kommt es immer häufiger dazu, dass im reichen Düsseldorf Menschen wohnungslos werden (TERZ 12.23: No Country for Poor People). Denn bestehen erst einmal Mietschulden, drohen Kündigung und Räumungsklage, schließlich sogar die Zwangsräumung. Eine schreckliche Situation, in die niemand kommen will. Die Mieterbüros und die Beratungsstelle für Wohnungsnotfälle der Stadt Düsseldorf bieten Hilfe an, aber nicht in allen Fällen lässt sich die Katastrophe abwenden, zumal keine bezahlbaren Wohnungen vermittelt werden können. Schätzungsweise 3.650 Menschen haben in Düsseldorf keine Wohnung, leben bei Freund*innen, auf der Straße oder zeitweise in Notunterkünften, werden immer mal wieder vertrieben, sind unfassbaren Härten ausgesetzt. Die jüngst aus der Baugrube des Grand-Central-Geländes hinter der Erkrather Straße vertriebenen Menschen haben sich einen neuen Platz unter einer Unterführung in Oberbilk gesucht, teilweise sind sie in Notunterkünften der Stadt oder der Franzfreunde untergekommen, wenigstens während der kalten Jahreszeit. Nicht wenige scheuen diese Möglichkeit, haben schlechte Erfahrungen mit Behörden gemacht und wollen Konfrontationen aus dem Wege gehen.

Das Trauerspiel wird auch 2024 fortgesetzt. Wir sind nicht zuversichtlich, aber sehr gespannt.

Christine

Aktionstag

Wohnungslosigkeit kann jede*n treffen – jederzeit! Aktionstag wohnungsloser Menschen für das Recht auf Wohnen
Di., 30.01. 13h, FFT, Konrad-Adenauer-Platz 1

Für wohnungslose Menschen ist es derzeit so schwer wie nie, in den Wohnungsmarkt zurückzukehren. Anlässlich des Aktionstags wohnungsloser Menschen für das Recht auf Wohnen laden fifty-fifty und Arnd Liesendahl, Experte in eigener Sache, zu einem Nachmittag ein, der Erfahrungen aus dem Leben in der Wohnungslosigkeit vorstellt, Perspektiven entwickelt und praxisnahe Möglichkeiten der Selbstorganisation anbietet. Unter anderem werden die Ergebnisse der partizipativen Studie „Diskriminierung wohnungsloser Menschen am Wohnungsmarkt – DiWo“ der Forschungsstelle für sozialraum­orientierte Praxisforschung und Entwicklung (FSPE) der Hochschule Düsseldorf präsentiert und diskutiert. In ergänzenden Kurzvorträgen und Gesprächsrunden kommen Betroffene und weitere Expert*innen zu Wort und laden zum Austausch über ihre Anliegen, Ziele und Forderungen ein.