Fehlentscheidung ohne Revision

Drohen nach Zurückweisung der Ahauser Klagen 2025 Castor-Transporte in NRW?

Bereits drei Mal haben wir in der TERZ über den Irrsinn, hochradioaktiven Müll in 152 Castor-Behältern von ­seinem Ursprungsort Jülich ins Zwischenlager Ahaus zu transportieren, berichtet. (TERZ 12.23, 05.24, 09.24)

Am 3.12.24 wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster die Klagen der Stadt Ahaus sowie eines Bürgers aus Ahaus gegen die Einlagerungsgenehmigung für die 152 Jülicher Castor-Behälter im Atommüll-Zwischenlager Ahaus ab und ließ auch keine Revision zu. Damit ignorierten und verharmlosten die Richter*innen durch Gutachten belegte Sicherheitsrisiken für dieses Zwischenlager. Dieses gilt als das unsicherste Deutschlands, es ist weder gegen Flugzeugabstürze noch gegen Terroranschläge mit modernen Waffen und Drohnen geschützt. Ebenso ungeschützt wie die Castoren auf dem Weg von Jülich nach Ahaus. Die Kläger*innen und auch viele Menschen in der Region um Ahaus fürchten, dass im Falle eines Falles radioaktive Strahlung am Zwischenlager freigesetzt werden könnte, das aller Wahrscheinlichkeit nach noch Jahrzehnte bestehen bleiben wird, obwohl seine Betriebsgenehmigung in knapp 12 Jahren ausläuft. Über eine Verlängerung müsste dann auch noch entschieden werden. Denn es ist nicht absehbar, wann die hochradioaktiven Abfälle in ein Endlager verbracht werden könnten. Eine Reparatur beschädigter Castor-Behälter kann zudem in Ahaus nicht erfolgen, es fehlen die technischen Voraussetzungen, die hochgefährliche Fracht müsste hierzu zurück nach Jülich transportiert werden. Bereits die 152 Transporte (ein Castor-Behälter pro LKW) quer durch das dicht besiedelte Ruhrgebiet, am Düsseldorfer Flughafen vorbei, bergen erhebliche Risiken durch mögliche Anschläge, auch dazu gibt es Gutachten. Es ist also aus vielen Gründen unverantwortlich und unnötig, weiteren hochradioaktiven Müll von Jülich nach Ahaus zu transportieren. Die Pläne für einen Verbleib des hochradioaktiven Mülls in Jülich und den dort dann dafür erforderlichen Neubau eines Zwischenlagers liegen bereits auf dem Tisch.

Ist die Castor Lawine noch zu stoppen?

Die nun FDP-freie Bundesregierung könnte die Castor-Lawine noch stoppen, die Grünen hätten die Möglichkeit dazu. Die frisch ernannten Forschungsminister Cem Özdemir (Grüne) und Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) haben die Mehrheit im Aufsichtsrat der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN), die den hochradioaktiven Müll aus Jülich lieber heute als morgen nach Ahaus verfrachten würde, so die Anti-Atom-Organisation ­.­ausgestrahlt in einer Pressemitteilung vom 3.12.24, dem Tag der Entscheidung des OVG Münster. Statt 152 gefährliche Atommülltransporte per LKW quer durch NRW zu schicken, müsse die Regierung die JEN endlich zwingen, den Müll in Jülich sicher zu lagern, argumentiert Helge Bauer von .ausgestrahlt. Doch spätestens nach der Bundestagswahl im Februar ‘25 werden die Karten neu gemischt. Wer hat dann das Sagen?

Karola Voß, parteilose Bürgermeisterin der Stadt Ahaus, zeigte sich enttäuscht über das Urteil von Münster, weil sie „die Bedeutung für die Stadt Ahaus“ sehe. Sie sei aber dennoch „froh über die grundsätzliche Klärung”. Aber: „Wir wollen den Druck in Sachen Endlagersuche hochhalten.“ Wie dieser Druck ausgeübt werden und was er bewirken könnte, ist allerdings unklar. Die Suche verzögert sich nach dem Aus von Gorleben um Jahrzehnte, erst Ende 2027 will die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mehrere Möglichkeiten vorschlagen. Im besten Fall steht laut BGE erst 2046 ein Endlager-Standort fest. Ein externes Gutachten geht sogar von 2074 aus, wenn überhaupt jemals ein geeigneter Ort gefunden wird. Und die Kammer des Schreckens muss dann schließlich noch gebaut werden, wie lange das dauert, ist kaum vorstellbar. In einem deutschen Atommüll-Endlager müssen rund 27.000 Kubikmeter hochradioaktiven Atommülls für mindestens eine Million Jahre sicher gelagert werden können. Gibt es einen solchen Ort auf der Erde überhaupt?

Derweil werden seit Ende November täglich 800 Tonnen Salz in den Salzstock Gorleben gekippt, der im September 2020 nach Jahrzehnten „Hoffnung” auf ein einzig mögliches Endlager für hochradioaktiven Müll in Deutschland ausschied. Drei Jahre soll es dauern und 400.000 Tonnen Salz brauchen, bis die Strecken und Schächte wieder verfüllt sind, teilte die BGE mit.

152 Großeinsätze für die Polizei

An einem geeigneten Zwischenlager kommen die Verantwortlichen also nicht vorbei. Zunächst einmal will das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung im kommenden Jahr über die Transportgenehmigung für den Atommüll aus Jülich entscheiden, welchen Einfluss welche Politiker*innen dabei haben werden, bleibt abzuwarten. Liegt diese Genehmigung vor, wird es aber noch ein paar Monate dauern, bis die Spezial-LKW, die extra hierfür konstruiert wurden, mit den Castor-Behältern starten können. Das hat unter anderem mit den Vorbereitungen der Polizei zu tun, für die die 152 Castor-Transporte Großeinsätze bedeuten, denn strengste Überwachung der heiklen Fracht tut not. Wenn die hochgefährlichen Altlasten aus Jülich schon nicht wirklich sicher zwischengelagert werden können, sollen sie wenigstens sicher in Ahaus ankommen. Kein schwacher, überhaupt kein Trost.

Text: Christine
Grafik: Sven